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sonderer Intensität. Sie variiert in ihm die
christlich-jiidische Schöpfungsgeschichte
aus der Sicht der jüngsten politischen Er¬
eignisse. Sie bezieht persönliche als auch
allgemeine Erfahrungen ein und bezeichnet
diese Schnittfolge als eine Art „Testament“.
In Le Feste, 5. Golgota o Auschwitz wird das
Leiden der in den Konzentrationslagern
Eingesperrten mit der Passion Jesu Christi
konfrontiert. Die Gegenüberstellung hat
eine innere Verbindung in dem horizontal
gespannten Stacheldraht, der die Lagerin¬
sassen umgibt, und in der Assoziation der
Dornenkrone ausläuft. Waehner verarbeitet
ihr Erlebnis, dass der christliche Antisemi¬
tismus seinen Anteil am Rassenwahn der
Nazis hatte. Neben den zeithistorischen
Motiven nimmt sie auch jüngere politische
Ereignisse in den Zyklus auf.

Die Wachsamkeit gegenüber jeglicher
Form von Faschismus und Gewalt zieht
sich auch durch das weitere Schaffen Wa¬
ehners. Noch im Alter von 73 Jahren ver¬
bringt die Künstlerin einige Wochen unter
spanischen Arbeitern und Intellektuellen
der illegalen Comisiön de la Solidaridad.
Die dort empfangenen Eindrücke betref¬
fend z.B. das Leid spanischer Mütter, das
inhaftierter Priester und anderer Gegner
des Franco-Regimes, werden Inhalt des
dem spanischen Volk gewidmeten Holz¬
schnittzyklus Viento del Pueblo — Der Wind
des Volkes. Ebenfalls in Erinnerung an die
Unterdrückung des spanischen Volkes
durch die Diktatur Francos schafft Trude
Waehner 1974 für den Palazzo della Reggi¬
one Emilia Romagna in Bologna das monu¬
mentale Mosaik Gotico espanol. Sie widmet
es zehn zu 150 Jahren Kerker verurteilten
Arbeitern und einem Priester.

Die Künstlerin Trude Waehner widmet
sich bis zu ihrem Tod am 18. Mai 1979
dem Kampf gegen die Ungerechtigkeit, der
sich neben der Liebe zur Vielfalt des Lebens
und auch der Menschen in ihren Werken
widerspiegelt.

Der Kunsthandel Widder präsentierte Werke Trude
Waehners auf der Art Austria (Museumsquartier
Wien, 26.-30.5. 2010) und zeigt sie auch in der
eigenen Galerie im Juni 2010 (1010 Wien, Johan¬
nesg. 9-13). Zur Ausstellung ist ein reichhaltiger
Katalog erschienen:

Trude Waehner. Amerika 1938 — 1947. Hg. von
Roland Widder und Julia Schwaiger. Mit Texten
von Sabine Plakolm-Forsthuber und Julia Schwai¬
ger. Weitra: Bibliothek der Provinz 2010. 64 S.

70 ZWISCHENWELT

In memoriam

Die Zahl derer, die aus eigenem Erleben
Zeugnis von Shoah und Vertreibung able¬
gen können, wird aufgrund der seither ver¬
strichenen Zeit immer geringer, Alter und
Tod verlangen ihren Tribut. So wird nicht
nur die Arbeit von ExilforscherInnen zu¬
nehmend schwieriger, es bedeutet oft auch
den Verlust von Freundschaften und Ver¬
trauensverhältnissen, die sich nach ersten
noch zögerlichen Interviews über die Jahre
aufgebaut haben, von außergewöhnlichen
Menschen, die unser Leben bereicherten.

Ein solcher Freund war Frank Kelley, der
am 21. März 2010 im 91. Lebensjahr im
schweizerischen Orselina verstorben ist.
Sein Leben mit all seinen Bruchstellen kann
stellvertretend für das Schicksal vieler vom
Nationalsozialismus Vertriebener gesehen
werden.

Frank Kelley wurde als Franz Joseph Kö¬
nig am 7. November 1919 in Innsbruck
geboren, sein Vater war der renommierte
Schriftsteller und Journalist Otto König,
der sich mit Vorliebe in monarchistischen
Kreisen bewegte. So war, wie Frank Kelley
gerne mit der ihm eigenen Selbstironie er¬
zählte, Franz Graf Conrad von Hötzendorf,
als Generalstabschef einer der führenden
Köpfe der k. u. k. Armee, sein Taufpate
gewesen, und die Anstandsbesuche beim
Feldmarschall und seiner Frau zählten
nicht gerade zu Kelleys angenehmsten
Erinnerungen. Die Mutter, Tochter eines
Wiener Arztes, verließ 1923 ihre Familie
und ging nach Irland. Franz Joseph und
seine nach ihm geborene Schwester Britta
mußten ihre Kindheit in Heimen in Wien
und Umgebung zubringen. Später konnte
sie der Vater - inzwischen Kulturredakteur
beim „Neuen Wiener Journal“ in Wien — zu
sich nehmen, starb jedoch überraschend im
November 1932, was für den jungen Franz
Joseph wiederum bedeutete, zwischen ver¬
schiedenen Schulen und Ausbildungsstät¬
ten zu wechseln und mehr oder weniger
herumgestossen zu werden.

Der „Anschluß“ Österreichs an das Deut¬
sche Reich brachte einen neuerlichen Bruch
im Leben der Geschwister. Mit Hilfe der
Quäker wurden sie von der Mutter nach
Großbritannien gebracht, wo Franz Joseph
im Hinblick auf eine Laufbahn als Farmer
in Kenia ein Landwirtschaftsstudium be¬
gann, während seine Schwester Brita zur

Krankenschwester ausgebildet wurde. So¬
fort bei Kriegsausbruch jedoch meldete sich
der noch nicht Zwanzigjährige zur Armee
und wurde wie viele deutsche und öster¬
reichische Fxilanten dem Auxiliary Milita¬
ry Pioneer Corps zugeteilt. Mit dessen 88
Coy war er unter jenen, die im Rahmen der
British Expeditionary Force in Frankreich,
wenn auch nicht als kämpfende Truppe,
zum Einsatz kamen.

Seine Kompanie war unter den letzten,
die nach dem Scheitern des Unternehmens
aus Frankreich evakuiert wurden. In der
Folgezeit waren die Pioniere hauptsächlich
mit infrastrukturellen Aufgaben beschäf¬
tigt, etwa mit dem Beseitigen des Bom¬
benschutts in London nach dem „Blitz“,
dem Errichten von Wellblechbaracken
(sogenannten nissen-huts), mit Bäumefäl¬
len und Holzkohle-Brennen in Wales, also
durchwegs Tätigkeiten, die den Männern,
die einen aktiven Anteil an der Niederrin¬
gung Nazi-Deutschlands leisten wollten,
sicherlich nicht vorgeschwebt waren, als sie
sich zum Militär meldeten.

Eine neuerliche Wendung im Leben
Franz Joseph Königs und gleichzeitig die
Änderung seines Namens in Frank Kelley
verursachte seine Anwerbung durch die
Special Organisation Executive (SOE),
einer von Churchill ins Leben gerufe¬
nen Geheimdienstorganisation, die hin¬
ter den feindlichen Linien „sabotage and

subversion“ betreiben sowie in den von