getan. Und nach Hunderten Biographien
und Erzählungen, die noch immer nichts
verständlich machen, fand ich auf Seite 146
eine überzeugende Erklärung für das Ver¬
halten vieler deutscher oder österreichischer
Juden, die weit über diesen Fall hinausgeht:
„Für Jägendorf war es schwierig, den mora¬
lischen Niedergang einer Kultur zu akzep¬
tieren, mit der er sich so leidenschaftlich
identifizierte. Anscheinend glaubte er, na¬
iverweise, dass die Deutschen mit der Ver¬
folgung der Juden einen Irrtum begingen.
Wenn nur der wirkliche Wert der Juden,
ihre Erfindungsgabe und ihr Fleiß unter Be¬
weis gestellt werden könnten so wie in der
Turnatoria, würden die Deutschen ebenso
wie die Rumänen die Kurzsichtigkeit ihrer
antisemitischen Politik erkennen.“
Jägendorf konnte 1946 in die USA emi¬
grieren und hat nach dem Krieg mehrmals
„Persilscheine“ ausgestellt. Die Unterlagen
aus der Zeit in Iransnistrien hatte er mit¬
genommen und 1956 mit der Niederschrift
seiner Memoiren begonnen, konnte aber
keinen Verlag dafür finden. Das späte Er¬
scheinen des Berichts scheint mit der Ver¬
fügung zu tun haben, dass nichts geändert
werden dürfe. Jägendorf starb 1970, seine
Witwe übergab eine Kopie des Manuskripts
dem Archiv in Yad Vashem. Der nun auf
deutsch vorliegende Text wurde — englisch
— erstmals 1991 in New York veröffentlicht.
Die Mischung aus Selbstdarstellung, Kom¬
mentar und Interviews läßt vieles offen und
das ist die große Stärke des Buchs.
Hazel Rosenstrauch
Siegfried Jägendorf: Das Wunder von Moghilev.
Die Rettung von Zehntausend Juden vor dem
rumänischen Holocaust. Hg. und kommentiert
von Aron Hirt-Manheimer, übersetzt von Ulri¬
ke Döpfer. Berlin: Transit-Verlag 2009. S. 205.
Euro 18,80
„Chez moi, je n‘ai jamais
eté vraiment chez moi..“
In ZW Nr. 1-2/2009, S. 11-13, erschien
Ilana Shmuelis Dankesrede zum Theodor
Kramer Preis 2009 unter dem Titel „Ich
war ja nicht einmal daheim als ich zu hause
war...“ Der Übersetzer Francois Mathi¬
eu (Paris) hat diese Rede ins Französische
übertragen und in der Zeitschrift der Verei¬
nigung literarischer Übersetzer Frankreichs,
„Iranslitterature“, und in „La Presse Nou¬
velle“ veröffentlicht.
Mathieu arbeitet zurzeit an einer Monta¬
ge von Gedichten und Texten Czernowit¬
zer Autoren, „Chronik des Czernowitzer
Ghetto und der Deportation nach Trans¬
nistrien“, die auf Französisch und Deutsch
erscheinen soll.
„La Presse Nouvelle“ (Paris) ist die Mo¬
natszeitschrift der „Union des Juifs pour la
Resistance et [’Entraide“ (Union der Juden
für den Widerstand und gegenseitige Hil¬
fe). Es berührt, daß diese Zeitung 1933
als jiddischen Tageszeitung „Naie Presse“
von einem Flüchtling aus Nazideutsch¬
land gegründet worden ist, der wie Ilana
Shmueli aus der Bukowina stammte: Leo
Katz (1892 - 1954). Von ihm sind ja in
der Verlagskooperation Theodor Kramer
Gesellschaft/Rimbaud (Aachen) die zwei
Romane „Brennende Dörfer“ und „Toten¬
akten-kundig? Literatur, Zeitgeschichte und Ar¬
chiv. Sichtungen 10./11 Jg. (2007/2008). Hg.
im Auftrag des österreichischen Literaturarchivs
der ÖNB und der Wienbibliothek im Rathaus
von Marcel Atze, Thomas Degener, Michael
Hansel und Volker Kaukoreit. Redaktion: Tan¬
ja Gausterer, Gerhard Hubmann und Martin
Wedl. Wien: Praesens 2009. 503 S.
Bernhard Albers (Hg.): Jahrgang 1919. Micha¬
el Guttenbrunner. Hans Bender. Horst Krüger.
Aachen: Rimbaud 2009. 136 S.
Walter Baier: Das kurze Jahrhundert. Kom¬
munismus in Osterreich. KPO 1918 bis 2008.
Wien: Edition Steinbauer 2009. 300 S.
Elazar Benyoétz: Scheinheilig. Variationen ttber
ein verlorenes Thema. Wien: Braumüller Litera¬
turverlag 2009. 263 S. Euro 24,90
Elazar Benyoétz: Vielzeitig. Briefe 1958-2007.
Bochum: Brockmeyer 2009. 366 S.
Hanna Blitzer: Menschen und Ereignisse.
Ausgewählte Zeitungsartikel aus Israel 1984 ¬
2004. Hg. von Erhard Roy Wiehn. Konstanz:
Hartung-Gorre Verlag 2008. 132 S.
August Bohny: Unvergessene Geschichten. Zi¬
vildienst, Schweizer Kinderhilfe und das Rote
Kreuz in Siidfrankreich 1941-1945. Vorwort
von Margot Wicki-Schwarzschild. Bearbeitet
und eingeleitet von Helena Kanyar Becker. Hg.
von Erhard Roy Wiehn. Konstanz: Hartung¬
Gorre 2009. 162 S.
Friedel Bohny-Reiter: Camp de Rivesaltes. Tage¬
buch einer Schweizer Schwester in einem franzö¬
sischen Internierungslager 1941-1942. Vorwort
von Margot Wicki-Schwarzschild. Einleitung
von Michele Fleury-Seemulller. Unter Mitarbeit
von Helena Kanyar Becker. Hg. von Erhard Roy
Wiehn. Konstanz: Hartung-Gorre 2010. 243 S.
Hedwig Brenner: Mein altes Czernowitz. Er¬
innerungen aus mehr als neun Jahrzehnten
1918-2010. Hg. von Erhard Roy Wiehn unter
Mitarbeit von Marie-Elisabeth Rehn. Konstanz:
Hartung Gorre 2010. 132 S.
Seher Cakir: Zitronenkuchen für die 56. Frau.
Kurzgeschichten. Wien: edition exil 2009. 115
S. Euro 12,¬
Nadja Danglmaier: „Seine erste Liebe vergisst
man nicht...“ Vom Heimatgefühl aus Öster¬
reich vertriebener Jüdinnen und Juden und de¬
ren Nachkommen in Israel. Klagenfurt, Wien:
Carlos Sanz Diaz: „Illegale“, „Halblegale“,
„Gastarbeiter“. Die irreguläre Migration aus
Spanien in die Bundesrepublik Deutschland im
Kontext der deutsch-spanischen Beziehungen
1960-1973. Aus dem Soanischen von Johannes
Mahn. Berlin: edition tranvia — Verlag Walter
Frey 2010. 136 S. Euro 14,80
Wolfgang Fritz: Die Geschichte von Hans und
Hedi. Chronik zweier Hinrichtungen. Wien:
Milena 2009. 139 S.
Anthony Grenville: Jewish Refugees from Ger¬
many and Austria in Britain, 1933-1970. Their
Image in AJR Information. London, Portland
(Oregon): Vallentine Mitchell 2010. 286 S.
Gert Hoffmann: Barcelona — Gurs — Managua.
Auf holprigen Straßen durch das 20. Jahrhun¬
dert. Berlin: Dietz 2009. 251 S. Euro 24,90
Lotti Kahana-Aufleger: Jahre des Kummers
überlebt. Czernowitz und die transnistrische
Verbannung 1939-1950. Hg. von Erhard Roy
Wiehn. Konstanz: Hartung-Gorre 2009. 156 S.
Ernst Kaiser: Die Geschichte eines Mordes. Ro¬
man. Mit einem Nachwort von Ingrid Bacher.
Weilerswist: Verlag Ralf Liebe 2010. 416 S.
(Edition Die Tausend. Hg. von Helmut Braun).