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24.-25. September 2010 Mit dem 20. Jahrhundert wurde Exil — aus Gründen rassistischer, religiöser, politischer Verfolgung — zu einem Massenphänomen. Eine Vielfalt von Exilen ist entstanden und mit ihnen vielfältige Fxilliteraturen. Die Exilsituation lässt vieles, was Eingesessenen selbstverständlich ist, als problematisch erscheinen und stellt sich damit als ein Ort unerhörter Erfindungen und Erfahrungen dar nicht nur in sozialer Sicht, in Hinblick auf ein Überleben ohne Boden unter den Füßen, sondern auch in intellektueller und ästhetischer Sicht. Wir sind es mittlerweile fast gewohnt, an den Einsichten von ExilautorInnen zu partizipieren — denken wir z.B. nur an Norbert Elias‘ Schriften iiber die soziale Entstehung der Zeit, Léon Poliakovs „Geschichte des Antisemitismus“ oderunser Wissen über dieGrenzen und Widersprüche der Moderne („Dialektik der Aufklärung“). Man neigt nun dazu, „Exil“ als ein allgemeinmenschlichesExistenzial zu fassen, und übergeht dabei die historische und kulturelle Spezifik der Fxile und ihrer Literaturen. Die Exilehaben ganzkonkretepolitische, kulturelle, politische, ökonomische Voraussetzungen, die zu spezifischen Konstellationen in der prekären Gemeinschaft des Exils führen. Die UnkenntnisdesSpezifischen ermöglich ebenso einallgemeines unverbindliches Wohlwollen gegenüber Exilanten (die als „Asylanten“ zugegen sind), wie die brutale Herabsetzung und Verachtungeiner bestimmten Exilgruppe (wie es im Rahmen fremdenpolizeilicher Maßnahmen geschieht). Das geplante Kolloquium zielt darauf ab, die Spezifika des österreichischen Exils, das durch den Austrofaschismus (ab 1933/1934) unddurch den Nationalsozialismus (ab 1938) verursacht wurde, anhand der Literatur dieses Exils herauszuarbeiten und damit auch eine Sensibilisierung für die Besonderheiten gegenwärtiger Exile herauszuarbeiten in einem Land, dassich nach 75 Jahren neuerlich anschickt, einen Teil seiner BewohnerInnen zu vertreiben. Hieristein rein quantitativer Vergleichmit denca. 25.000 galizischen und bukowinischen Juden, die, Fliichtlinge im Ersten Weltkrieg, nach 1918 in Wien blieben — sie waren 1938 gerade 20 Jahre da, galten vielfach als „nicht integriert“ und blieben in den Augen der eingesessenen Wiener Bevélkerung weiterhin unerwiinschte,,Zuwanderer“, derer mansich ohne Bedenken entledigen konnte. Heute werden aus Osterreich Leute abgeschoben, die oft auch schon viele Jahre bei uns gelebt haben - ein leider vergleichbarer Vorgang. An dem Kolloquium werden LiteraturwissenschaftlerInnen, HistorikerInnen, WissenschaftlerInnen aus Österreich, den USA, der Ukraine, Spanien, Großbritannien, Ungarn, der BRD und Israel teilnehmen; die Ergebnisse des Kolloquiums werden einfließen in ein „Handbuch der österreichischen Exilliteratur“, das auch eine Neuausgabe des „Lexikonsderösterreichischen Exilliteratur“ enthalten wird und damit Studierenden und Lehrenden einen wichtigen Zugangzur sonst oft exotisch anmutenden Materie des Exils erschließt. Tagungsort: Institut für Österreichkunde, 1010 Wien, Hanuschg. 3. Tagungszeiten: Freitag, 24. September, 13:3018:30, Samstag, 25. September, 10:00-18:00. Acht Themenböcke: - Literarische Landschaften und Sprachen Österreichs -Vorgeschichten und Parteiungen in derösterreichischen Literatur der Zwischenkriegszeit - Osterreich in der Vorstellung der Exilierten - Fragen der jiidischen Identitat - Frauen im Exil - Die Qual der deutschen Sprache und die Last der Tradition - Uberleben der Exilliteratur durch Diversifizierung -Selbstbeschreibung und Nachleben des Exils ReferentInnen: Peter Rychlo, Andrej Leben, Thomas Soxberger, Georg Pichler, Karl Miiller, Peter Roessler, Heinz Lunzer, Johann Holzner, Evelyn Adunka, Martin A. Hainz, Gerhard Langer, Julia Danielczyk, Ulrike Oedl, Birgit Peter, Siglinde Bolbecher, Christian Teissl, Konstantin Kaiser, Primus Heinz Kucher, Susanne Blumesberger, Frank Stern, Primavera Driessen Gruber, Peter Huemer, Marcus G. Patka, Andrea Reiter, Veronika Zangl, Irene Nawrocka, Tamas Lichtman, Armin A. Eidherr, Robert Leucht, Nicole Metzger, Peter Huemer, Gabriele Kohlbauer-Fritz Veranstalter: Verein zur Förderung und Erforschung der antifaschistischen Literatur in Zusammenarbeit mit der Theodor Kramer Gesellschaft und dem Institut fiir Osterreichkunde mit Unterstiitzung der Bundesvertretung der Osterreichischen Hochschiilerschaft, des BM: W_FE des Nationalfondsder Republik Osterreich fiir Opfer des Nationalsozialismus und der Wissenschafts- und Forschungsförderung der Stadt Wien. Brief aus Weimar Lieber Konstantin Kaiser, in der „Zwischenwelt“ erinnerst Du an meinen gehabten 75. Sei bedankt. Weiskopfs Abriß der Exil-Literatur „Unter fremden Himmeln“ ging damals gar nicht gut, so daß ich eine Nachauflage nicht durchbrachte. In meinem Handexemplar wurde eine Vielzahl von Ergänzungen und Korrekturen eingetragen. Mit einer Vielzahl von Exil-Autoren konnte ich damals noch korrespondieren (zwischen Südamerika und Israel). Dem „Neuen Deutschland“ gefiel mein kommentiertes Autorenverzeichnis gar nicht. Zu den österreichischen Autoren, mit denen ich mich intensiver befaßt habe, gehört Oskar Jellinek. Mein Auswahlband „Hankas Hochzeit. Novellen und Erzählungen“ erschien 1980 bei Rütten & Loening (Briefkastenfirma des Aufbau-Verlages). U.a. korrespondierte ich mit Karel Krej£i in Brünn, den ich auch besuchte. Auch Richard Thieberger gab wichtige Auskünfte, die ich ins Nachwort einbeziehen konnte. Ein Autor (nicht EC. Weiskopfl), der mich noch immer „plagt“, ist der Wiener Lyriker Hans Berstel (nicht Berstl!) 1894? — 1946. 1919 Dr.phil. als Kunsthistoriker. Bekam gerade wieder zwei Fernleihen als Nieten zurück - in keiner Bibliothek vorhanden! — und zwar handelt es sich um die Gedichtbände „Klagen um Österreich“ (Basel 1938) und „Tage der Einfalt“ (Basel 1938). In Deiner Anthologie ist er mit einem Gedicht aus „Dein Herz ist deine Heimat“ vertreten. Ein schwieriger Fall. Sollte inzwischen oder künftig mehr über ihn zu erfahren sein, wüßte ich gern davon. So erfahre ich jetzt endlich etwas über den vergessenen Richard (Robert) Wagner aus dem verdienstvollen Beitrag von Sabine Lichtenberger. Eduard Goldstücker, dem ich hie und da begegnete in seinen letzten Jahren, stellte ich am 19.10.1997 in der Leipziger Alten Börse vor — anläßlich eines seiner letzten öffentlichen Auftritte. Als ich vor Jahren in Wien war und im Hotel am Graben logierte, begegnete mir ein „Sandler“, der wie Hrdlicka aussah. Auf die Idee, er wäre es tatsächlich selbst, kam ich Heini nicht. Und er war‘s tatsächlich, wie sich bald herausstellte. Ich wartete auf Ilse Aichinger. Seither ärgere ich mich über mich, Hrdlicka nicht angesprochen zu haben... Herzliche Grüße Wulf Kirsten, Weimar, 15.5.2010 Zwischenwelt. Zeitschrift für Kultur des Exils und des Widerstands. Jg 27, Nr. 1-2, August 2010. Eigentuümer, Verleger: Theodor Kramer Gesellschaft, 1020 Wien, Engerthstr. 204/14, office@theodorkramer.at. ISSN 1606-4321. Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1210 Wien. Pb.b. Zulassungsnr. 02Z030485 M.