se im Detail, so dass auch einfache Soldaten und Unterofhziere
gut informiert waren.
Wir erhielten eine vom legendären Partisanenführer und he¬
bräischen Dichter Aba Kovner redigierte Frontzeitung (Dapei
Krav), die vom 9. Juni 1948 bis 8. Mai 1949 31 Mal herauskam.
Kovner, der als erster nach dem Krieg auch über mörderischen
Antisemitismus gewisser sowjetischen Partisaneneinheiten be¬
richtete, pflegte — was paradox scheint - einen Stil, der an den
der sowjetischen Politruks an den Fronten des Zweiten Welt¬
kriegs erinnerte.
Am Nachmittag vor dem Fasttag Jom Kippur (13.10. 1948)
erhielten wir unsere eisernen Rationen. Dann wurden wir ins
Kino befohlen, wo uns der Feldrabbiner sagte, dass wir an die¬
sem Fasttag essen sollten. Bei Einbruch der Dunkelheit packten
wir unser Lastauto mit drei Mörsern, einer Menge Munition und
fuhren gegen Süden. Im Orangenhain des Kibbuz Givat Brenner
machten wir erste Station und erhielten frisch gepressten Oran¬
gensaft. In der Nacht brachen wir durch die ägyptischen Linien
und hörten die Kanonen in der Ferne donnern. Das Neunte Re¬
giment fuhr bis zum Kibbuz Gwulot, wo wir ein paar Tage blie¬
ben, und dann ging es am Abend des 20. Oktober los bis zu ei¬
nem Hügel nördlich von Beersheva. Hier mussten wir für unsere
Mörser eine Stellung bauen. Es war Knochenarbeit, denn dieser
Hügel bestand hauptsächlich aus Felsen. Und wir mussten unse¬
re Munition von der Straße auf den Hügel schleppen.
Im Morgengrauen des 21. Oktober, als drei unserer Regimen¬
ter die Stadt angriffen, begannen wir mit unseren Mörsern auf
die Stadt zu schießen. Die Stadt wurde von einem regulären Re¬
giment mit Artillerie und Mörsern und Hunderten von nord¬
afrikanischen, ägyptischen und palästinensischen Hilfskräften
verteidigt. Drei unserer Bataillone stürmten die Stadt. Bereits
am frühen Vormittag endete der Kampf. Mehr als 120 ägypti¬
sche Soldaten wurden gefangen genommen und 350 Zivilisten
nach Gaza gebracht — die meisten der Einwohner waren schon
in den Tagen zuvor, nachdem die Stadt von der israelischen Luft¬
waffe bombardiert worden war, nach Hebron geflohen. Unse¬
re Einheit kam erst zu Mittag in die eroberte Stadt, und mei¬
ne Gruppe wurde in einer verlassenen Wohnung einquartiert.
Im Spätherbst 1948, mitten im Unabhängigkeitskrieg, gab das
Israel Philharmonic Orchestra in Beersheva vor 5.000 Soldaten
ein Open-Air-Konzert für die israelischenArmee. Sie spielten das
B-Dur-Klavierkonzert von Mozart mit dem damals noch nahezu
unbekannten Leonard Bernstein als Solisten und Dirigenten.
Der Sicherheitsrat der UNO ordnete am 22. Oktober einen
Waffenstillstand in Palästina und den Rückzug der Israelis auf
die Stellungen vom 14. Oktober an. Die Feuereinstellung trat
daraufhin in Kraft, doch die von uns eroberten Gebiete blieben
in unserer Hand. Es folgten angenehme Tage in der eroberten
Stadt und wir dachten schon, bald ginge der Krieg vorbei. Doch
es kam anders: David Ben Gurion und die Regierung entschie¬
den sich, die ägyptische Armee in die Knie zu zwingen.
Am 4. November forderte der Sicherheitsrat der Vereinten Na¬
tionen Israel auf, die Truppen hinter den Linien vom 14. Ok¬
tober zu verlegen. Was natürlich seltsam war, hatten doch ägyp¬
tische Truppen Gebiete besetzt, die im Teilungsbeschluss Israel
zugesprochen wurden. Wir mussten gegen die Ägypter kämp¬
fen, um diese Gebiete zu erobern. Im Norden der Südfront in
Faluja waren die Ägypter eingekesselt und hatten keine Chance,
von dort auszubrechen. In dieser Lage forderte am 16. Novem¬
ber 1948 der Sicherheitsrat Israelis und Araber auf, Waffenstill¬
standsverhandlungen aufzunehmen. Unser 9. Regiment bekam
den Befehl, die vorgesehen Grenze nach Ägypten zu überschrei¬
ten und so fuhren wir in einer langen Kolonne von Lastwagen
durch den Sand, es gab damals keine asphaltierte Straße. Meine
Einheit, mit drei 3-Inch-Minenwerfern ausgerüstet, befand sich
auf einem Lastwagen, der mit seinem Chauffeur in Tel Aviv kur¬
zerhand von der Armee requiriert worden war. Zu unserem Pech
konnten wir in einem Wadi nicht weiterfahren, und das Regi¬
ment ließ uns alleine zurück. Ich erinnere mich nicht mehr, wie
lange wir dort blieben, doch dann wurden wir herausgeholt und
erreichten bald die Kolonne auf einer asphaltierten Straße im Si¬
nai, und dann ging es los in die Schlacht um Abu Agela.
Die Ägypter beschossen uns mit Kanonen und vorne im Jeep
stand Regimentskommandeur Haim Barlev, der wie ein Ver¬
kehrspolizist die Lastwagen aufteilte, und wir fuhren trotz die¬
ses intensiven Beschusses in Richtung unseres Ziels. Der 1924
in Wien geborene Barlev wurde später Generalstabschef, dann
machte er politische Karriere und wurde Minister.
Als wir in Abu Agela ankamen, war das Militärlager bereits er¬
obert. Darin hatte sich ein Internierungslager für arabische Kom¬
munisten befunden, die wir aber nicht mehr sahen. Die arabi¬
schen Kommunisten in Gaza und anderswo sprachen sich gegen
den Krieg aus, denn das war damals die sowjetische Politik, und
wurden deshalb von der ägyptischen Besatzungsmacht verfolgt.
Lediglich ein alter zahnloser Fellache kam auf uns zu und
wollte unsere Hand küssen. Er war auch interniert, beschwerte
sich über das schlechte Essen und war äußerst dankbar, als wir
ihm Zigaretten und Essen schenkten. Einer unser Kameraden
konnte arabisch und fragte ihn, warum haben die Ägypter dich
interniert? Zu unserer Überraschung sagte er, wegen Kommu¬
nismus. Aber Du kannst doch nicht lesen? Der Fellache sagte:
„Ja, deswegen wurde ich ja verhaftet.“ Er hatte mit einem von
einem Esel geführten Karren Gemüse nach Gaza zum Markt ge¬
bracht und sah dort einige junge Männer Flugblätter verteilen.
Er ging hin und sagte, er wolle diese Flugblätter in seinem Dorf
verteilen. In Wirklichkeit wollte er sie zu einem anderen Zweck
gebrauchen. Und auf dem Weg zurück stellte er seinen Karren
auf der Seite der Straße ab und ging in die Hockstellung, und
legte den Haufen Flugblätter neben sich. Zu seinem Pech fuhr
ein Jeep der ägyptischen Militärpolizei vorbei. Sie schlugen ihm
einige Zähne aus und brachten ihn nach Abu Agela ins Internie¬
rungslager.
Dann ging es wieder nach Beersheva, wo uns ein Offizier frag¬
te, wer sich freiwillig zu einem halbtägigen Kurs melde, um eine
von den Ägyptern erbeutete 12-Pfund-Kanone bedienen zu
können. Mein allzu früh verstorbener Freund Jaakov Lavie, der
später Philosoph wurde, und ich meldeten uns. Ein Soldat, der
während des Zweiten Weltkriegs in der britischen Armee ge¬
dient hatte, zeigte uns, wie man mit der Kanone schießt. Als wir
baten, einen Schuss auf ein Ziel abgeben zu dürfen, erklärte er,
dass es für die zwei Kanonen, die in Beerscheva erbeutet wur¬
den, nur 24 Schuss Munition gebe und wir warten müssten, bis
wir auf ägyptische Panzer schießen könnten. Tatsächlich ging es