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Anny Knapp

Bei der Beratung und Betreuung von Flüchtlingen gibt es wie
bei allen sozialen Handlungsfeldern verschiedene Ebenen, die
den Erfolg von Interventionen beeinflussen. Bereits die Bera¬
tung der Asylsuchenden ist eine komplexe Aufgabe. Sie erfordert
rechtliches Know-how, Empathie, Sensibilität im Umgang mit
psychisch belasteten Klienten, Durchsetzungsvermögen, einen
großen Horizont, hohe Frustrationstoleranz. Günstig für den
Aufbau von Vertrauen mit den KlientInnen wirken weiters Sprach¬
kenntnisse, um Kommunikationsbarrieren gering zu halten. Die
KlientInnen sind natürlich neben ihren Spezialproblemen wie
die Sorge um ein sicheres Aufenthaltsrecht und den aus dem
Leben in einem Flüchtlingsheim resultierenden Einengungen
und Pflichten, dem fehlenden Zugang zu kostenlosen Sprachkur¬
sen, Weiterbildungsmaßnahmen und legaler Beschäftigung mit
den ganz normalen Problemen des Alltags belastet — das reicht
von dem Krankenschein für den Arztbesuch und Begleitung zur
Übersetzung, Schulbesuch der Kinder bis zu fehlendem Geld,
um Mehrgebühren fürs Schwarzfahren zu bezahlen oder neue
Schuhe für die viel zu schnell wachsenden Kinderfüße kaufen zu
können. Das ist die eine herausfordernde Seite der Alltagsarbeit,
der Umgang mit den KlientInnen. Eine spezielle Ausbildung
zur Fliichtlingsbetreuerln gibt es nicht, von den Organsiationen
werden in der Regel SozialarbeiterInnen, Sozialpadagogen, Juris¬
tInnen oder Personen beschaftigt, die aufgrund ihrer Erfahrung
als geeignet fiir die komplexen Herausforderungen erscheinen.

Daneben sind FliichtlingsberaterInnen mit sich immer rascher
ändernden rechtlichen Rahmenbedingungen konfrontiert. Seit
das Asylgesetz 1991 beschlossen wurde, gab es zahlreiche Novellen
mit mehr oder weniger weitreichenden Änderungen, Judikate der
Höchstgerichte, die einzelne verfassungswidrige Bestimmungen
außer Kraft setzten. Relevant ist aber nicht nur das Asylgesetz in
seiner jeweils aktuellen Fassung, auch andere rechtliche Materien
des sogenannten Fremdenrechts, die einen ebenso rasanten Wechsel
ausgesetzt sind, betreffen Asylsuchende. So konnten Asylwerberln¬
nen beispielsweise bis 2004 gemäß Ausländerbeschäftigungsgesetz
eine Beschäftigungsbewilligung für alle Branchen bekommen und
sich am Arbeitsmarkt integrieren, also auch eine Arbeitserlaubnis
oder einen Befreiungsschein erhalten, womit es für sie leichter war,
ihre Arbeitgeber zu wechseln und Ansprüche auf Arbeitslosengeld
und Schulungsmaßnahmen verbunden waren. Ein Ministererlaß
aus dem Jahr 2004 setzte dieser Mobilität am Arbeitsmarkt ein
Ende, seither darf das AMS nur noch eine Beschäftigungsbewil¬
ligung für die maximal 6 Monate dauernde saisonale Beschäf¬
tigung erteilen. Unmittelbar wirkt sich beispielsweise auch das
Fremdenpolizeigesetz aus, mit seinen Strafverfügungen wegen
illegaler Einreise oder der Mißachtung eines auf einen Bezirk
beschränkten Aufenthaltsrechts, oder bei der Verhängung von
Schubhaft, die nicht im Asylgesetz, sondern mit zahlreichen De¬
tailbestimmungen für AsylwerberInnen im Fremdenpolizeigesetz
vorgesehen wird. Ein weiteres Beispiel soll noch veranschaulichen,
dass selbst für ExpertInnen und Behörden das Zusammenspiel
dieser verschiedenen Gesetze oft nur noch schwer durchschau¬
bar ist. Im Rahmen der Budgetbegleitgesetze 2004 wurden die
rückwirkenden Ansprüche für den Bezug von Familienbeihilfe

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für Flüchtlinge, denen Asyl gewährt wurde, vernichtet. Wie sich
allerdings 2007 dann durch ein Erkenntnis des Verwaltungsge¬
richtshofs herausstellte, konnten unter bestimmten Vorausset¬
zungen schr Wohl auch rückwirkende Ansprüche bestehen, das
ergaben die Verweise, u.a. auf das Pensionsharmonisierungsgesetz,
der Übergangsbestimmungen zur Gesetzesnovelle. Noch heute
ist die Judikatur des Höchstgerichts bei einigen Finanzämtern
entweder nicht bekannt oder sie wird ignoriert.

Um im Sinne der KlientInnen handlungsfähig zu bleiben, ist
es notwendig, die Schwachstellen und Unzulänglichkeiten der
Gesetze aufzuzeigen.

® Das kann im Zuge der Fallbetreuung erfolgen, indem der Spiel¬
raum z.B. durch Eingaben, Rechtsmittel oder im direkten Be¬
hördenkontakt ausgelotet wird;

¢ durch Höchstgerichtsjudikatur, um überschießend restriktive
Gesetzesauslegungen abzustellen bzw. gesetzliche Besimmungen
auf ihre Verfassungskonformität prüfen zu lassen. Im Vorfeld
dazu ist eine Abstimmung der Vorgangsweisen von NGOs
und einschlägig tätigen Anwälten und eine Abklärung der am
besten geeigneten Fall-Konstellation sinnvoll.

« Oder dadurch, dass bereits im Entstehungsprozess von Gesetzes¬
anderungen von NGOs in Stellungnahmen und bei Gesprachen
mit Politikern auf problematische Anderungen aufmerksam
gemacht wird und konkrete Lésungsvorschlage und Forderungen
gemacht werden.

Die Gesetzesänderungen der letzten zwei Jahrzehnte waren von

dem Ziel geprägt, Asylsuchende cher abzuschrecken als willkom¬

men zu heißen. Immer wieder wurde von den politisch Verantwort¬
lichen argumentiert, verschärfte Maßnahmen seien notwendig,
um einen Missbrauch des Asylrechtes zu verhindern. Auch die

Beschleunigung der Asylverfahren sollte dazu beitragen, ein Vor¬

haben, das bei jeder Gesetzesnovelle seit 1991 proklamiert wurde,

während sich gleichzeitig die Bearbeitungsdauer der Asylakten ins

Unzumutbare verlängerte. Die unter dem Slogan „Verhinderung

von Asylmissbrauch“ bekannt gemachten Vorhaben haben den

ohnehin latent vorhandenen Rassismus und die bestehenden

Vorurteile gegen „die Ausländer“ weiter verstärkt.