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H.E. Wenzel Gedichte Aus dem neuen Band „Seit ich am Meer bin“ IN MEINER STADT SIND JETZT DIE BARBAREN ZU HAUSE. Lässig tragen sie ihre Körper durch alte Straßen. Sie Riechen nach teurem Parfum und lächeln, versorgt Vom Geld ihrer Eltern. In Unschuld erbeutete Millionen. Ihre Blicke nehmen mir allen Mut! Die Stadt Riecht nach Tod an solchen Tagen, wenn sie vorbei Gehen, als wäre ich Luft. Ja, trügen sie Schwerter und Harnisch und fielen als Meute ein in die Häuser, Mein Zorn wüchse stetig und jeder verstünde ihn. Doch Alles bleibt in der Ordnung! Sie blicken Charmant und tragen den Kindern die Schulranzen. Verliebt sind sie, verliebt in sich selbst! über beide Ohren. Verliebte nehmen die Welt nicht wahr, teilen ihr Neue Herzen zu und lächeln, genau wie in Journalen Leute lächeln, die zeigen sollen, daß sie verliebt sind. Dann ist die Stadt, in der ich so lange schon lebe, plötzlich Ein Film mit dürren Dialogen aus den Mündern Von Stars. Weich gezeichnet verschwimmen meine Orte, Verbraucht wie die Luft, hinab in die Zukunft. Mit ihrem Sinn fürs Detail haben sie Häuser gekauft, Tiefgaragen, üppige Balkone. Lange mussten sie Warten auf diesen Moment, bis der Mut reichte, fast Zwanzig Jahre, diese Stadt zu erobern! Musterten Ihre Beute, wägten Chancen! Dann schlugen sie zu, Lautlos! Das Kichern der Notare, das fast unhörbare Anstoßen der Prosecco-Gläser kündete vom Sieg. Fortan schonten sie keinen und änderten alles: Organisierten Fußgänger-Überwege, Spielplätze, Cafes. Als die Preise der Speisen anwuchsen trieben Fast nebenbei sie die aufdringlichen Säufer der Parks, Großmäulige Haudegen der Kioske und Pissoirs Ins Weite. Nicht, daß die Barbaren sie nicht mochten! Sie lächeln gern und haben die Welt bereist, sie spenden Monatlich verhungerten Kindern Afrikas und hassen Armut und Dummheit, wo immer sie ihnen im Weg. Sie sind tolerant. Abgeklärte Fürsten. Aber Ihr Reichtum hat sie verdorben. Die jungen Frauen, Die sonst mein Herz antrieben, schneller als nötig Zu schlagen, gehen vorüber wie Greisinnen, ohne Freude Wiegen ihre Hüften, ohne Bögen, die mein Begehren Zerreiben könnten in anthropologischer Erinnerung. Keine Spur wirrer Sehnsüchte, kein Flimmern in ihren Augen, kein Gedanke an obskure Mittagstunden im Hinterhof bei offenem Fenster, nackt und schweißnass Vom Glück. Sie gehen nüchtern auf und ab, präsentieren Kinderwagen mit Königen kommender Zeiten. Sie 22 _ ZWISCHENWELT Zeigen und reden. Aber sie können nicht sehen. Sehen Nicht, was sie gekauft, was sie schmückt und begehrt. Ihre Leidenschaft hat sich erschöpft im Sieg. Das ist Üblich: Sieger zeigen ihre Trophäen. Diese Armee, Unzerstörbar, unsterblich! Ihre Legionen, das leise Langweilige Geld. Seit die Barbaren da sind Ist der Frohsinn fort, Parkplätze und Tische beim Italiener Reserviert. Ich gehöre nicht mehr in meine Stadt. Sie lachen über mich, halten mich für schwach. Mein Römischer Hochmut berührt sie an keiner Stelle. Sie sind klar, sind die neue Zeit. Sie haben den Limes Und das Limit überschritten. Sie wissen genau, was sie Wollen. Ich lehne mich an die Fassade und sch ihnen zu: Beim Warten, beim Essen, beim Reden. Es ist Sommer. Wären sie reich genug, sie würden die Stadt verschieben Auf einen Gletscher, verwandeln in eine Insel im Meer Des Unsinns unter Palmenfedern bei Cocktails und Evergreens. Aus der Tiefe wäre das Summen zu hören, Das erzählt von Zeiten, ehe die Stadt eine Stadt war, Bevor den Barbaren all dies gehörte, in langen, Langen Äonen, weit vor der Eiszeit des Geldes. ERINNERUNG DER BILDER für Theodor Kramer Wenn die Akazie blüht, denk ich an deine Zeilen, Sie haben mir den Duft noch würziger gemacht. Der Weg liegt weiß und bleich, die Tage eilen Durch weichen Junischnee, gefallen über Nacht. Ich steh am Bahndamm, sch die krummen Gleise Durch Meere Raps entfliehn weit übern Rand. Ich geh mit dir noch einmal auf die Reise Auf alten Wegen durch verschwundenes Land. Das Lied verklingt vor Nacht, gestorben sind die Sänger. Man hört noch ferne, wie ein Hund lang bellt. Die Bilder leben noch ein wenig länger, Als lägen schützend sie auf dieser Welt.