Naziherrschaft wird das Leben für Thekla und Magda zur Hölle.
Mutter und Tochter werden „am 24. September 1942 mit dem 11.
Transport vom Wiener Aspangbahnhof nach Theresienstadt depor¬
tiert“ (Fl. Exenberger). Am 19. Oktober 1944 werden sie mit 1.500
anderen Häftlingen aus Theresienstadt nach Auschwitz-Birkenau
Sind diese sanften Klänge Melodien
Aus einer Welt, die nicht mehr ist?
Wo Eros‘ Rosenwagen leichte Amoretten ziehen
Und Faun die Nymphe tief im Waldesdunkel küßt!
Versteint, verödet liegt der dunkle Liebesgarten,
Die Götterbilder seufzen in der Nacht,
Wie grausam doch die Zeit mit ihrer harten
Faust aus vergang’nem Glücke Trümmer macht!
Hier stehen Reste noch von stolzen Hallen —
Sieh, alle Herrlichkeit, sie geht dahin,
Und starke Mauern bröckeln und verfallen,
Und Schönheit schläft in Moos und Efeugrün.
Lockst du mich wieder, Echo ferner Klagen?
Wachen hier Geister auf aus tiefer Ruh‘?
Es klingt ein Lied aus längst versunk’nen Tagen,
Und eine leise, süße Stimme singt dazu.
Neues Wiener Tagblatt, 15.5.1921, S.18
GRABSCHRIFT DES
Die Drossel singt im vollen Blütenhag,
Bei mir ist Nacht, doch oben glüht der Tag.
Auch ich war einst, was alle anderen sind,
Nicht weniger und nicht mehr — ein Menschenkind.
O steh‘ nicht still, laß dir die Zeit nicht stehlen,
Die Armut schweigt, hier gibt's nichts zu erzählen.
Ich lebte, lachte, weinte viel und litt,
Und was ihr alle tut, das tat ich mit.
Im Tod und Leben namenlos geblieben,
Ein Holzkreuz ist's, das nur die Hunde lieben.
Ich klage nicht und grinse still darein:
Heut bin ich Aas und morgen wirst du’s sein.
Arbeiter-Zeitung, 28.9.1930, S. 13
gebracht, wo sie am 20. Oktober 1944 mit fast allen Mitgefangenen
ihres Transportes in der Gaskammer des Krematoriums III ermordet
werden. Von Thekla Merwin haben sich nur jene Schriften erhalten,
die zu ihren Lebzeiten publiziert wurden. Es gibt kein Photo von
ihr. - A.E.
Am Horizont verblaßt das Abendrot,
Grau wird der letzte rosenfarb’ne Strich,
Nacht, Schlaf und Tod
Vermischen ihren Atem wunderlich.
Der Wind seufzt leise, und dann schweigt die Flur,
Unwirklich ist das Sein, sind ich und du,
Und allen Dingen bleibt nur die Kontur
... Seele, du wanderst fernen Tagen zu.
Du wanderst und du wanderst ohne Rast,
Bis sich der Schoß, der alle Pflanzen hält,
Dir öffnet, dir, der Erde flüchtigem Saft —
Dann wirst du selbst ein Teil der stummen Welt.
Du bist die Dryas, die im Dämmern nickt,
Der Bach, der durch den stillen Abend fließt,
Der Stein, der eine letzte Stätte schmückt,
Die Blume, die aus morschem Leibe sprießt.
Und tiefste Ahnung peinigt dich und droht,
Mit dunkeln Augen naht das Ewige sich
... Nacht, Schlaf und Tod
Vermischen ihren Atem wunderlich.
Neues Wiener Tagblatt, 15.5.1921, S. 22