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dass er nach der Volksschule nicht in ein altsprachliches Gymna¬
sium wechselte, sondern in die „K.K. Franz Joseph-Realschule“
— heute das Brigittenauer Gymnasium. Eigenartigerweise glänzte
Alfred, den alle Fredo nannten, nicht mit schulischen Leistungen
— „befriedigend“ war die Durchschnittsnote selbst in Deutsch.
Öfters kränkelte er, schreckte nachts im Schlaf auf, bis er das
Klarträumen entdeckte und damit seine Alpträume besiegte.’

Ansonsten ist nicht viel über seine Jugend bekannt. Haupt¬
sächlich mit der späteren Schriftstellerin Alma Johanna Koenig
war er befreundet: Zusammen besuchten sie das Iheater in der
Josefstadt und schwärmten für die Schauspieler, wie etwa für den
Burgtheatermimen Josef Kainz. Es war Alfred, der Alma 1910
zum Schreiben ermutigte.‘

So praxisnah wie die Schulform wurde auch das Studienfach
gewählt: Architektur an der Technischen Hochschule Wien.
Doch schon während des Studiums erwuchs in Alfred die Schrei¬
bleidenschaft, die sich in den dreißiger Jahren zur Besessenheit
steigern sollte. Grünewald schloss Bekanntschaft mit literarisch
interessierten Gleichaltrigen: Felix Braun, Franz Theodor Cso¬
kor und Stefan Zweig waren darunter. In Kaffeehäusern traf
er sich mit den älteren Größen der Wiener Moderne wie Felix
Dörmann oder Arthur Schnitzler; er selbst bezeichnete den
späteren Redakteur der Arbeiter-Zeitung Otto Koenig als seinen
literarischen „Taufpaten“.

Die ersten beiden Veröffentlichungen — eine Sammlung von
Kindergedichten und das märchenhafte Drama „Sonnenpeter“
im Jahr 1906 - gingen sang- und klanglos unter, trotzdem schrieb
er fleißig in Zeitschriften wie der „Muskete“ und der „Zeit“ und
las Texte vor Publikum, was u.a. in der Neuen Freien Presse
lobende Erwähnung fand.* Es muss Eindruck gemacht haben,
wenn er seine Gedichte entsprechend dem damaligen Geschmack
„in eben dem ausgewölbten Ton sprach, in dem wir sie von
Rilke selbst fast gesungen vernommen hatten“. ” Endlich hatte
er einen gewissen Erfolg. Sein Balladenbuch „Mummenschanz
des Todes“, das 1909 herauskam, fand ein positives Presseecho,
sogar in Karl Kraus’ „Fackel“ wurde eine Ballade abgedruckt.
Bereits dieses Werk zeigt Grünewald als Sprachkünstler, der „go¬
tische Wasserspeier zu lyrischen Versnovellen“ umphantasierte,
wie Rudolf Holzer im Literarischen Echo schrieb.® Ludwig von
Ficker von der Zeitschrift „Der Brenner“ sowie der Insel-Verlag
interessierten sich für ihn; letztere Verbindung wurde allerdings
von Stefan Zweig zunichte gemacht, der der Leiterin Katharina
Kippberg abriet.?

Der Anfangserfolg währte nicht allzu lange. Der 1912 folgende
Lyrikband „Gezeiten der Seele“, eine Anthologie mystisch-roman¬
tischer Gedichte, fand weniger Anklang. Vielleicht war hierfür
der „konservative“ Stil des Autors ausschlaggebend - er beteiligte
sich nicht an der zeitgenössischen „Formzertrümmerung“ des
Expressionismus —, womöglich trug aber auch die unverblümte
Preisung der Schönheit junger Männer zur Ablehnung bei. Denn
Alfred Grünewald war homosexuell und machte daraus in seiner
Kunst kein Hehl, wenngleich er sexualpolitisch nicht aktiv wurde
— davon hielt ihn sein scheues Naturell ab und eine Abneigung
gegenüber Parteien und Vereinen. Ein Interpret seiner Lyrik,
Franz Golffing, betonte den erotischen Aspekt eindrücklich:
„Grünewalds Lyrik ist unter eine einzige, zugleich holde und
furchtbare Notwendigkeit gestellt: unter die des Eros, und zwar
eines durchaus antik verstandenen Eros, der weder die Sanftmut
der christlichen Caritas noch gar die Laxheit der liberalen Erotik

von heute kennt.“!°

Nach Militärdienst (Einjährig-Freiwilliger) und 2. Staatsprüfung
mit mittelmäßigen Noten begann seine berufliche Laufbahn
als Architekt bei dem enfant terrible der Wiener Architektur,
Adolf Loos; 1912 besuchte er zusätzlich dessen Bauschule. Aber
dem Beruf gehörte niemals seine Liebe, wie Golfling berichtete:
„Obwohl wir einander jahrelang fast täglich trafen, hat er es
betont vermieden, über seine Brotarbeit zu sprechen. Er lebte
ganz für die Dichtung und nahm den Architektenberuf als un¬
vermeidlich hin.“'!

Kriegsbedingt erschienen erst ab Ende 1918 weitere Werke im
Druck - dann aber bis 1922 elf Bücher: Gedichtbände, Balladen,
expressionistisch gefärbte Dramen, das Aphorismenbuch „Er¬
gebnisse“ sowie das Fastnachtsspiel „Urians Lendenschmuck“,
das sogar aufgeführt wurde. Doch die Reaktion auf sein Werk
blieb verhalten: Zwar bildete sich eine kleine Fangemeinde,
das öffentliche Interesse war dagegen gering. Erwin Stranik,
der 1926 eine Zusammenfassung über Grünewalds Schaffen
veröffentlichte, sprach zwar davon, dass er „noch nicht alles“
gegeben habe und man „noch mehr“ von ihm erwarte,!? doch
der kreative Faden war gerissen: Auf Jahre hinaus erschien kein
weiteres Werk. Es ist erstaunlich, dass sich Grünewald in dieser
Situation dazu entschloss, den Architektenberuf an den Nagel zu
hängen, um sich ausschließlich auf das Schreiben zu konzentrie¬
ren — vermutlich war der Weggang von Loos aus Wien Anstoß
hierzu. Mit Feuilleton-Beiträgen in Zeitungen und Magazinen
sowie Lesungen seiner Werke hielt er sich über Wasser. Erst seit
den späten zwanziger Jahren, vor allem aber in den dreißigern,
erschienen weitere Gedichtbände, 1935 feierte er mit der Auf¬
führung der Tragödie „Walpurga und Agathe“ am Burgtheater
seinen größten Erfolg. Im Spätwerk hatte sich seine Lyrik von

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