Ihr blanken Helden, die uns vorgestritten,
wir schwören Euch, die Henker hart zu packen.
So angelobt dem Bund mit Euch, Ihr Toten,
sind wir zum großen Endkampf aufgeboten,
der gilt, die Welt Euch rächend zu befrei’n.
Dann werden wir im Rechten wie im Schönen,
bis einst die Tuben des Gerichts ertönen,
Vollstrecker Eurer Absicht sein.
Das Manuskript dieses auf die Februarereignisse 1934 Bezug neh¬
menden Sonetts ist aufbewahrt im Verein für Geschichte der Ar¬
beiterbewegung (VGA).
O TRÄUME IHR, der Seele stumme Lieder,
wenn auch in Euch oft die Gestapo geistert,
Ihr gebt das reine Einst mir dennoch wieder.
Ihr seid die Dichtung, die mein Leid bemeistert.
Dann sing dem Leben ich - sing ohne Säumen:
O Welt, wie bist du schön — ach nur in Träumen.
Eines der mündlich überlieferten Gedichte, die Steinitz in den
Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald verfasst hat. Zi¬
tiert nach: Herbert Exenberger: Dr. Heinrich Steinitz. Manuskript
1993.
Schon 40 Jahre fahre ich regelmäßig mit der Bahn zwischen
meinem Geburtsort Klagenfurt/Celovec und meinem Le¬
bensort Wien hin und her und wurde bisher nur von Zugbe¬
gleitern nach meiner Fahrkarte gefragt. Am 1. August 2013
jedoch forderten mich kurz nach der Abfahrt von Wien zwei
Polizisten im Zivil zur Ausweisleistung auf. Verblüfft fragte ich
nach dem Zweck ihres Tuns. Sie antworteten, da mit dem EU¬
Beitritt die Grenzkontrollen gefallen seien, würden nun die
internationalen Zugverbindungen kontrolliert. Aber ich war
mit dem IC 531 über Bruck/Mur und Villach nach Lienz un¬
terwegs und bezweifelte leicht verärgert die Internationalität
dieser Intercity-Zugverbindung. Darauf gaben die beiden Her¬
ren etwas patzig zurück, dass sie auch das Fremdengesetz zu
exekutieren hätten. Suchten sie also nach illegalen Ausländern?
Oder sollten sie bloß kurz nach der spektakulär inszenierten
Abschiebung der acht engagierten Pakistani aus dem Servi¬
tenkloster in Wien vor dem Wählervolk Sicherheit demonst¬
rieren? Mir ging ein Lichterl und damit die Wut auf und ich
konfrontierte die beiden Polizisten mit meiner Interpretation
ihres Handelns. Ihr Kontrollauftrag, sagte ich ihnen, habe of¬
fensichtlich mit dem skandalösen Umgang mit Flüchtlingen
zu tun, der im Wahlkampf Angst und konservatives Sicher¬
heitsbedürfnis schüren solle. Die Polizisten lehnten sofort jede
politische Debatte ab, und ich gestand ihnen zu, nur auf An¬
weisung zu handeln. Nur hätte ich gerne mehr über die Hin¬
tergründe ihres Tuns erfahren. Sogleich bremste der schweigsa¬
mere Polizist den redefreudigeren Kollegen ein. Grußlos zogen
die beiden von dannen.
Die mitreisenden jungen Damen und Herren, die zur
Beach-Volleyball-Europameisterschaft am Wörthersee un¬
terwegs waren, waren ob der Ausweiskontrolle auch etwas
irritiert, quittierten meine Intervention mit einem freundli¬
chen Lächeln, um dann in friedvollen Schlummer zu fallen.
Die Nacht zuvor dürfte kurz gewesen sein. Und die Polizis¬
ten hatten uns ja nichts angetan. Ich bedauerte ein wenig,
nicht in einem Großraumwaggon gewesen zu sein, wo sich
möglicherweise doch der eine oder die andere Mitdiskutantln
gefunden hätte.
Aber ganz ließ mich diese meine Kontroll-Premiere im Zug
nicht los. Da ich viel zu früh am Bahnsteig gewesen war und
mich an der Beobachtung der Menschen ergötzt hatte, wurde
mir der Polizeieinsatz immer unverständlicher. Am Bahnsteig
hatte sich ein lustiges und ob der Wärme leichtgeschürztes
Völkchen getummelt, ältere Sommerfrischler, teils in Wander¬
kluft, teils mit schwerem Gepäck für den Badeurlaub, Vertreter
der Jugend, deren Equipment — Zelte und Bierkisten — darauf
hinwies, dass sie zu einem „Event“ in den südlicheren Bun¬
desländern unterwegs waren. Selbstverständlich gewann ich
keinen völligen Überblick, aber nachträglich hatte ich nicht
den Eindruck, ein mögliches „Zielobjekt“ für die Polizei aus¬
gemacht zu haben.
Aber der zeitliche Zusammenhang dieser vorgeblichen Rou¬
tinekontrolle ist die Pointe. Ich erinnerte mich, dass der Wie¬
ner Polizeipräsident Piirstl im Fernsehen die Abschiebungen
und Übergriffe gegen Demonstranten als aufgrund der Rechts¬
lage nötige Maßnahmen dargestellt hatte, wobei die Polizei
gewissermaßen auch nur ein Opfer der Verhältnisse gewesen
sei. Doch der Verdacht nagte: Durfte ich annehmen, dass im
Kabinett des Innenministeriums eine konzertierte Aktion ge¬
plant worden war, in der der Staat mit „harter Hand“ beweisen
sollte, dass er abwehrbereit und stark hinter den Ängsten des
Wählervolkes stünde? Spielte man im Innenministerium mit
den Gefühlen jenes Bevölkerungsteils, der aus einem Mangel
an Selbstvertrauen heraus „Schutz“ gegen Fremdes und Unbe¬
kanntes erwartet? Lässt sich eine solche Abwehrinszenierung,
die Flüchtlinge ans Messer liefert, um Durchsetzungskraft zu
beweisen, heute noch in Wählerstimmen ummünzen? Ist nicht
die Bewusstheit der Zivilgesellschaft schon viel weiter als die
Zwangsvorstellungen der Politik? Sollte also den vielen Men¬
schen im IC 531 eine mögliche Gefährdung und dazu gehöri¬
ge polizeiliche Bereitschaft demonstriert werden?