Parataxis
Andreas Benl: Debord lesen in Teheran. Die Si¬
tuationistische Internationale, der Antisemitismus
und die orientalische Ideologie, Florian Markl:
Self-fulfilling Prophecies: Das syrische Desaster,
Ljiljana Radonic: Ante in Kroatien und Euro¬
‚pa — Ein verworrener Freispruch; Interview mit
Magdalena Marsovszky: Vom völkischen Kon¬
sens in Ungarn, Stephan Grigat: Magyarische
Mobilisierung. Autoritäre und völkische Krisen¬
bewältigung in Ungarn, Alessandro Volcich: Die
Palästinenser Italiens oder: Der unaufhaltsame
Aufstieg des Beppe Grillo; Gerhard Scheit: Uni¬
versalismus des Rechts und Partikularität der
Zirkumzision. Traktat über die Religionsfreiheit;
Tjark Kunstreich: Einfühlungsverweigerung;
Jens Meisenheimer/David Schneider: Das Elend
der Sozialphilosophie. Axel Honneths Kampfum
Anerkennung, Gerhard Scheit: Allegorien der
Nation: Hannah Arendt und Zero Dark Thirty
Informationen zu den Artikeln und zum Bezug
der Zeitschrift finden sich unter www.sansphrase.
org
Lieber Konstantin,
laß Dir sagen, daß ich im Aprilheft Die
Rückkehr der Farben von Marcus G. Patka be¬
sonders genossen habe. Ein besonderer Vorzug
der materialreichen Arbeit ist die Würdigung
zweier Nicht-Künstler, die sich dennoch um das
gefährdete Wiederaufleben des Wiener Kunst¬
lebens kaum zu ermessene Verdienste erworben
haben — der, wie Patka richtig sagt, zur Legende
gewordene Stadtrat Dr. Viktor Matejka und der
bis vor kurzem halb vergessene geniale Talente¬
Entdecker und Förderer Otto Basil. Indessen,
wie der Franzose sagt: „Jamais deux sans trois!“
Der Dritte, der mir hier fehlt, ist Johann Mu¬
schik, Autodidakt, Kunstkritiker, Linksaußen
der Plan-Redaktion.
Er vertrat, wie sein Name sagt, das Gebot,
Kunst müsse kommensurabel sein, auch für
den Mann von der Straße. Damit ging er in
einer Sitzung des Schriftstellerverbandes ei¬
nem Gastredner so auf die Nerven, daß dieser
schließlich resignierend ausrief: „Ich verstehe
ja Ihren Standpunkt, Sie vertreten gleichsam
den Muschik!“
Im Saal daraufhin natürlich brüllendes Ge¬
lächter, der feine Herr aus Salzburg sieht entsetzt
an sich hinunter, ob ihm etwa die Hose geplatzt
sei, dann klärt man ihn auf: Nomen est omen.
Im Hauptberuf Telegrafist, hatte Muschik
nicht die Mittel zum Mäzenatentum, aber er
wurde den jungen Künsilern ein aufrichtiger
Freund und Berater. In seiner bescheidenen
Wohnung am Gürtel gingen die künftigen
Berühmtheiten ein und aus, und nicht selten
kam es über dem 118er-Gebimmel zu unvergess¬
lichen Vigilien, besonders wenn der Gütersloh¬
Sohn Wolferl Hutter, selbst schön wie der Prinz
von Iheben, mit seinem Damenflor erschien.
Hermann Schreiber, München, 28.4.2013
Johann Muschik (1911 — 1979) war auch ein
enger Freund Theodor Kramers, der in der Zeit des
Ständestaates dessen Lesungen in Privatwohnungen
verfolgte und für Kramer Manuskripte und Briefe
in der NS-Zeit aufbewahrte. Die Stadt Wien hat
ihm ehrenhalber eine Grabstätte auf Friedhofsdau¬
er gewidmet; sie befindet sich im „Ehrenhain für
Kulturschaffende“ auf dem Zentralfriedhof. — Von
Otto Basil sind in Kooperation von Verlag der
Theodor Gesellschaft und Rimbaud Verlag 2008
ausgewählte Gedichte, „Schon sind wir Mund und
Urne“ erschienen.
... gerade hab ich die neue ZW Nr. 1/2013
durchblattert und den Beitrag von Thomas Wal¬
lerberger „Exil im Deutschunterricht an öster¬
reichischen Schulen“ gelesen - ja, stimmt, aber
auch wieder nicht! Ich habe 1995, Neudruck
2000, beim ÖBV „Brücken“, ein interkulturelles
Deutsch-Lesebuch, herausgegeben, gefördert
vom BM:UuK, Aktion“ Miteinander leben —
von einander lernen“, in dem zum Thema Exil
und NS-Gräuel einiges an Beiträgen samt Bio
enthalten ist: Ceija Stojka, Prosa; Stella Roten¬
berg, Prosa, Lyrik; ein Beitrag von Armin Eid¬
herr „Zur Geschichte der Juden in Österreich‘;
hebräische und jiddische Texte und ein Lied
von Mordechai Gebirtig; Erich Fried, Lyrik;
dazu das Gedichtvon Ruth Maria Schanovs¬
ky „... und auf erden kein platz“, das ich fast
nie vorlesen kann, weil mir meist die Tränen
kommen. Es ist ein Deutsch-Lesebuch für die
1.- 4. Klassen Hauptschule und Gymnasium.
Aber seit einigen Jahren ist es aus dem Verkehr
gezogen worden; also hat der Autor des Beitrags
insofern recht, dass der Vergangenheitsinforma¬
tion und -bewältigung noch immer nicht genug
Gewicht gegeben wird; wir waren in Geschichte
im Gymnasium kaum über den 1. Weltkrieg
hinausgekommen.
Vom ÖBV wurde mir vor einigen Jahren mit¬
geteilt - sehr sensibel —, dass ich noch ein paar
Rest-Exemplare vor der EINSTAMPFUNG
bekommen kann; das war schon nicht nur durch
die Formulierung sehr schmerzlich, sondern
auch allein durch die Tatsache, dass mit diesem
meinem Anliegen des Brückenbaus so umge¬
gangen wird.
Literatur der Wenigerheiten-Bücher. Alles
Gute, lbGr Gerald k
Gerald Kurdoglu Nitsche, EYE Literatur der
Wenigerheiten, Landeck, 21.5.2013
Lieber Konstantin,
Du erlebst bewegende Zeiten, bist selbst in
überwältigendem Aufschwung. Es zeigt, wird
offenbar - und gesehen: Dreißig Jahre und kein
Tag ging an Euch gleichgültig vorbei, kein Tag
ohne ausgestreckte Hand, eingesammelte Erin¬
nerung, Gruß nach vorn, immer nach vorn. Das
war lange zu schen, nur langsam zu erfahren,
immer noch wenig zu wissen — und plötzlich
steht es da: ein nicht gleichgültiges Österreich,
zwischen Welten mit der Zieharmonika.
Das Bild mag antiquiert sein, das Setzen auf
Theodor Kramer — war genial, wie es heute
heißt. Und — ebenso antiquiert: eine Lanze für
die Poesie gebrochen.
Das Rücken der Poesie an das Exil ist ein Er¬
eignis, das als Phänomen nun zu durchleuchten
wäre. An Euch wird nichts davon vorbei gehen.
Ich danke Dir und Siglinde, gratuliere Euch,
umarmen darf ich leider nur Dich allein
Elazar Benyoétz, Jerusalem. 11.6.2013
Nur kurz: Ich lese zufällig in ZW Nr. 1/2013,
S. 66, eine „Berichtigung“ von Ehud Jungwirth;
da wird etwas rätselhaft über die Familie von
Anton Pariser gesprochen. Das meiste simmt
aber nicht. Hier sind ein paar Einzelheiten,
die der historischen Wahrheit (soweit es diese
gibt...) entsprechen:
Madeleine (Lene) Pariser war meine gute
Freundin in Paris (in der Jugendgruppe „Freund¬
schaft“ der Roten Falken) und im OSE Kin¬
derheim „Villa Helvetia“ in Montmorency.
Die Parisers sind alle drei nach Montauban
geflüchtet. Die Mutter, Fini, starb in Montau¬
ban, nicht Paris (ich glaube im Dezember 1939).
Lene und ihr Vater sind von Franzosen in einer
Waldhütte versteckt worden, sie war später in
einem Kloster usw. [...] Mein Mann, Gustav
Papanek, war auch in der Gruppe und eng mit
Lene befreundet.
Viel iiber Lene Pariser steht in meinem Buch
Elly und Alexander. Revolution, Rotes Berlin,
Flucht, Exil — eine sozialistische Familienge¬
schichte (Berlin: Vorwärts 2006).
Hanna Papanek, Lexington, 30.5.2013
Wie alle Robinsoner wissen, ist Fini Pariser nicht
1938 gestorben, da sie ja im Sommer 1939 zu¬
sammen mit Rosi Sonnenfeld die Kiiche fiir
die Robinsoner betreut hat. Sie ist Ende 1940,
nicht 1939, gestorben.
Kurt Sonnenfeld, New York, 31.5.2013
In ZW Nr. 1/2013, S. 20, findet sich in dem
Gedicht „My First Poet“ von Mardijah Simpson
der verwirrende Tippfehler, Theodor Kramer sei
nach England gekommen, „to be interred on/
The Isle of Man“. Also, begraben wurde Kra¬
mer dort nicht, bloß „interned“. - Wir danken
unserem Leser Ernst Karner für den Hinweis.