OCR
Erich Fitzbauer Für den Freund exklusiver Holzschnittkunst des 20. Jahrhunderts führt kein Weg an Axl Leskoschek vorbei. Viele bemerkenswerte Publikationen mit seinen Graphiken sind uns, meiner Frau Inge und mir, schon bei unserer einstigen Büchersuche immer wieder begegnet, vom frühen foliogroßen Band Die Streiche des Herrn Sassaparilla mit den skurrilen zweifarbigen Holzschnitten zu dem Versepos von Alfred Grünewald, der 1942 im KZ Auschwitz ermordet wurde, bis zu der mit einem Preis ausgezeichneten Buchausgabe der Nestroy-Komödie Der böse Geist Lumpazivagabundus (1964) und den beiden wichtigsten Mappenwerken. Das frühere, Odysseus (1960), mit zwanzig Holzstichen, in denen sich viel von der fast abenteuerlichen Exilreise des Künstlers spiegelt, entstand in einem Zeitraum von fünfundzwanzig Jahren, und im KainZyklus (1964), mit elf Farblinolschnitten, werden Kriegsgreuel und Umweltsünden treffend thematisiert. Unsere erste Begegnung mit Leskoscheks Werk fand in den frühen 1960er Jahren statt, in der (nicht mehr existierenden) Galerie Zentrum in Wien und bei der großen Leskoschek-Personalausstellung in den Räumen der traditionsreichen Graphiksammlung Albertina. So wurde uns die überraschende Vielfalt seiner Themen und künstlerischen Techniken nahegebracht, von großformatigen Ölbildern bis zu ebenso eindrucksvollen Holzstichminiaturen in Briefmarkenformaten. Bei zwei oder drei Besuchen lernten wir den Künstler persönlich näher kennen und seine ungewöhnliche Bildung und Bescheidenheit schätzen, und mit Marusja Leskoschek, seiner Witwe, hatten wir bis zu ihrem Tod (1997) ständigen herzlichen Kontakt. Mit der nach und nach erfolgten Übernahme eines Teilnachlasses des Künstlers aus ihrem Besitz in den 1980erjahren ergab sich für uns eine gewisse selbst auferlegte Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass sein Werk der Nachwelt vermittelt werde und sein Name in der Kunstwelt ein Begriff bleibe. Durch die Zäsur seines aufgezwungenen Exils zwischen 1939 und 1948, zuletzt schr erfolgreich in seinem Gastland Brasilien, war es für ihn nach seiner Heimkehr nach Österreich nicht leicht, an die Vorkriegserfolge anzuknüpfen. Nach seinem Tod galt es, seine Illustrationsgraphik dem an Kunst interessierten Publikum nahezubringen, und auch für unveröffentlichte Zeichnungen und ganze Zyklen wurden im Rahmen der Publikationen der Edition Graphischer Zirkel in Wien die Möglichkeiten reichlich genützt. Zwei Originalgraphiken in meinem zeitkritischen Gedichtbuch Axl Leskoschek, Illustration zu Peter Roseggers „Als ich das erstemal auf dem Dampfwagen saß“, Tuschezeichnung 30 ZWISCHENWELT Die reißßende Zeit (1978) und ein foliogroßer Einblattdruck mit zwei direkt von den Stöcken abgezogenen Holzstichen zu meinem Essay Namenlose Landschaften (1979) bildeten den Anfang. Im selben Jahr folgte eine kleine Mappe mit erotischen Grotesken, neun unanständigen Holzstichen, wie sie der Künstler selbst bezeichnete, die ich für eine kleine Auflage unter dem Gesamttitel Kassiopeia mit der Hand abgezogen habe, und ebenso wurden im Laufe der folgenden Jahre einige tausend andere Graphiken direkt von den Holzstöcken, die bis heute in unserem Besitz sind, in einer Anzahl, die jeweils fünfundzwanzig nur selten überstiegen hat, für Sammler und Galerien von mir ohne Verwendung einer Druckpresse im Abreibeverfahren gedruckt. Ebenfalls 1979, angesichts der traurigen Tatsache, dass kein Verlag, weder in Leskoscheks Heimat Österreich noch sonstwo, über eine umfassende Monographie über den Künstler auch nur nachgedacht hat, habe ich ein Buch veröffentlicht, das neben einer Bibliographie der von ihm illustrierten Bücher und Mappenwerke und einer Kurzbiographie zwei Zyklen zu den Romanen Der ewige Gatte und Der Spieler von Dostojewski in Original-Linolschnitten enthält, je elf Graphiken, im Buchdruck hergestellt, die bis dahin nur in brasilianischen Buchausgaben (beide 1944) in portugiesischer Sprache erschienen waren. Später veröffentlichte ein Verlag in Rio de Janeiro noch drei weitere Romane Dostojewskis, die besonders reichlich mit Holzschnitten Leskoscheks illustriert sind, darunter Die Dämonen und Die Brüder Karamasow,im Rahmen einer Dostojewski-Gesamtausgabe in portugiesischer Sprache. 1989 hatten wir die Sichtung und Ordnung des umfangreichen Teilnachlasses so gut wie beendet, neben zwölf Ölbildern mit meist brasilianischen Landschaften lagen hunderte Aquarelle und Zeichnungen und tausende Handdrucke des Künstlers geordnet vor, und wir konnten daran gehen, weiteres daraus an die Öffentlichkeit zu bringen. Auch in Deutschland haben wir auf der Frankfurter Buchmesse damit viele Sammler erreicht. Schon zwei Jahre davor hatte ich begonnen, von 133 zusammengehörenden Holzstöcken in Kleinstformaten, die für die Buchpublikation Reise nach Paris von M.). Saltykow-Schtschedrin bestimmt waren, Handdrucke abzuziehen, die dann 1989 in zwölf Exemplaren ohne Text zu einem bibliophilen Band vereinigt wurden. Der Aufbau-Verlag in Berlin hatte 1958 von diesem reichhaltigen Angebot des Künstlers nur 27 Arbeiten in den Gesamttext eingebaut. Im Teilnachlass befanden sich auch einige hundert Tuschezeichnungen in kleinsten Formaten, die in der Wiener Tageszeitung Volksstimme über Jahre hinweg als Illustrationen zu Fortsetzungsromanen erschienen waren, durchwegs zu Werken der Weltliteratur, und die 146 Tuschefederzeichnungen zu Grimmelshausens Hauptwerk haben wir 1996 in kleiner Auflage als SimplicissimusBilderbuch in unserer Edition herausgebracht. Es lag nach der Sichtung der Bestände auch ein Konvolut von Neujahrs- und anderen Wünschen als Zeichnungen oder Holzschnittgraphiken vor. Alles Vorhandene wurde 1990 für eine andere unserer bibliophilen Publikationen gedruckt, die Holzschnitte von den Originalstöcken, die Zeichnungen reproduziert, und der Band erhielt nach dem Holzschnitt Die Friedenspfeife, die der Künstler in seinem brasilianischen Exil zu Neujahr des Kriegsjahres 1942 seinen Freunden gewünscht hat, diesen Titel.