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Karl Wimmler Mein 25. Juli Bei der im Jahr 1934 versuchten, aber gescheiterten Machtübernahme der Nationalsozialisten, der bis heute „Juliputsch“ genannt wird und knapp vier Jahre vor der gelungenen stattfand, wurden im Ort meiner Kindheit unter anderem folgende Beteiligte laut Gendarmeriebericht wegen Hochverrat und Aufruhr verhaftet und angezeigt: Aigner Fritz, geb. 1892, Kaufmann Bertl Maria, geb. 1894, Sparkassendirektorsgattin Brandmüller Engelbert, geb. 1902, Besitzer Brandmüller Josef, geb. 1882, Besitzer Eingang Johann, geb. 1914, Spengler Eingang Peter, geb. 1909, Tischler Geutebrück Ernst Dr., geb. 1893, Rechtsanwalt Gierl August, geb. 1919 Gierl Johann, geb. 1916, Gärtner Hauser Auguste, geb. 1905, Bes. Tochter Hauser Matthias, geb. 1896, Besitzer Kofler Johann jun., geb. 1904, Gerber Köberl Josef, geb. 1890, Schlosser Langanger Franz, geb. 1914, Landarbeiter Oberbichler Franz, geb. 1916, Elektriker Oberbichler Johann, geb. 1905, Drogist Oberbichler Liberat, geb. 1908, Mechaniker Pammer Georg, geb. 1902, Schneider Riezinger Heinrich, geb. 1912, Sparkassenbeamter Rothmann Theodor, geb. 1913, Schuhmacher Rössler Karl, geb. 1906, Hilfsarbeiter Sarlay Hermann, geb. 1916, Praktikant Schantl Wolfgang, geb. 1904, Schlosser Schlamadinger Ottilie, geb. 1898 Kaufmann Steindl Viktor, geb. 1908, Schmied Wegscheider August, geb. 1912, Hilfsarbeiter Weichbold Gustav, geb. 1908, Gastwirtssohn Wimmler Karl, geb. 1918, Realschüler Wulz Franz, geb. 1901, Beamter Überbacher Johann, geb. 1912, Beamter Überbacher Josef, geb. 1902 Zach Karl, geb. 1910, Elektromechaniker Zemann Hermann, geb. 1904, Mechaniker Unter denen, über die die Gendarmerie 1934 vermerkte, sie seien flüchtig und wusste, dass die meisten nach Deutschland entkommen waren, befanden sich folgende Männer: Holzer Roman, geb. 1897, Oberbuchhalter Huber Emmerich, geb. 1907, Zimmermann Pammer Karl, geb. 1901, Schneider Sarlay Wilfried, geb. 1910, Landwirt, Tischler Wirnsberger Franz, geb. 1912, Sattler Dieser Ort war damals eine Hochburg des Nationalsozialismus. Rund die Hälfte der männlichen Bevölkerung im Alter von 15 bis 40 Jahren wurde nach dem „Juliputsch“ verhaftet oder angezeigt. Rund ein Viertel von diesen ist hier namentlich genannt. Ich bin knapp zwanzig Jahre nach dem gescheiterten Putsch geboren. Zum Aigner ging ich in meiner Kindheit einkaufen und bekam Treuemarken zum Sammeln. Damals war der Aigner nicht nur ein Kleidergeschäft, sondern auch ein Lebensmittelkaufhaus. Das war aber das Kaufhaus des alten Aigner Franz. Fritz war ein anderer, aber auch schon alt. Er schaute oft aus einem Fenster im ersten Stock. Den Eisenhof führte der Sohn des Fritz, Gert. Der fuhr einmal mit einem DKW bei einem Autorennen vom Pyhrnpass herunter. Der Doktor Bertl war ein Zahnarzt, der mich glücklicherweise nur ein Mal behandelt hat. Brandmüller Walter und Siegfried gingen mit meinen Brüdern in die Volksschule. Irgendeiner von den Eingang-Buben war beim SportClub einmal mein Vorturner, wie die Trainer damals genannt wurden. Der Gierl Gust war ein freundlicher LKW-Fahrer. Ich glaube, beim Eisenhof. Ingenieur Geutebrück ließ mich auf sein Motorrad klettern. Berndt Hauser kenne ich nur als chemaligen sozialdemokratischen Vizebürgermeister. Ob sein Vater Matthäus, der Bauer war, mit dem verhafteten Matthias Hauser identisch ist, weiß ich nicht sicher. Dass der Vater von Frowin Holzer Roman hieß wie der Frowin auch und in der Nazizeit Bürgermeister war, wusste ich lange Zeit nicht. Die Zimmerei von Emmerich Huber grenzte an die Schlosserei meines Vaters. Beim Kofler Walter bekam ich meine erste — und einzige — Lederhose. Der Herr Köberl pachtete 1939 die Schlosserei meines Großvaters nach dessen Tod bis einige Jahre nach dem Krieg. Der Herr Langanger war, glaube ich, beim Kameradschaftsbund. Bei den Gebrüdern Oberbichler kaufte ich Glühlämpchen, Stromkabel und Schalter zur Beleuchtung meiner aus Sperrholz gebastelten Stadt. Ich habe immer gedacht, dass man den Schneidermeister Karl Pammer, der meinen ersten Anzug nähte, mit weichem B schreibt. Herr Sparkassendirektor Riezinger überreichte mir ein Sparbuch mit einer Einlage von zwanzig Schilling als zweiten Preis eines Aufsatz- oder Zeichenwettbewerbes in der Volksschule. Von Rothmann Theo war öfter die Rede, weil er Verkäufer beim Eisenhof war. Rössler hieß der Schuster in der Admonterstraße, wo ich durch das nicht einmal einen Meter von der Straße entfernte Fenster in die winzige Werkstatt hinunterschauen konnte. Die Frau Wenzel, geborene Sarlay, hatte einen Garten mit Indianern, wie die Tante Käthe zu den Truthähnen sagte. Ihr Bruder Wilfried Sarlay war oft mürrisch. Dass der Gasthof Untersaler auch den Sarlays gehörte, wusste ich lange nicht. Der Herr Schantl war der grantige, jähzornige Schlossergeselle in der Schlosserei meines Vaters. Bei der Frau Schlamadinger im Kaufhaus hätte ich gerne häufiger Süßigkeiten auf dem Weg in die Volksschule gekauft. Oder August 2014 5