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vereinnahmen oder verständnislos als immer ‚fremd‘ bleibend zu empfinden. Kulturelles Verstehen entwickelt sich im interkulturellen Dialog. Er ist schwierig. Persönlichkeiten wie Anna Krommer haben hier Pionierleistung vollbracht. Wir sollten auf ihrer Arbeit aufbauen.“'® Amerika hat also die Dichtung der slowakeideutschen Dichterin Anna Krommer als bedeutender deutschamerikanischer Autorin ‚entdeckt‘. Vor ihr fanden hier Werke von Gina Kaus, einer deutschjüdischen Schriftstellerin, deren Vater aus Pressburg stammte, und der beiden zipserdeutschen Autoren E.G. Kolbenheyer und Johann Genersich!’ diese Anerkennung und haben somit Amerika ‚erobert‘! So wie einst Alice Schwarz-Gardos mit einem ihrer Essays auf die Einsamkeit der deutschsprachigen Schriftsteller in Israel hingewiesen hatte, so hat ein Nachkriegsgeborener, einer ganz anderen Generation angehörend — ein Österreicher aus Wien —, sich, gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, der dieser Beitrag gewidmet ist, besondere Verdienste um die Erforschung der deutschsprachigen Exilforschung erworben. Der studierte Philosoph umriss prägnant, stellvertretend für die jüngere Generation der Exilierten, die erst im Exil anfıngen zu schreiben, die essentiellen Schwierigkeiten und Probleme dieser Autoren exemplarisch an Anna Krommer, wie sie bisher noch kein anderer Literaturhistoriker dargelegt hat: „Für viele gehört die deutschsprachige Exilliteratur, die Literatur der aus dem Machtbereich Hitlers geflüchteten Juden und Nazigegner, einer bereits fernen Vergangenheit an. Gewiss, die Träger großer Namen, wie Tucholsky, der die Reihe der im Exil Gestorbenen eröffnete, bis Canetti, sind nicht mehr da. Aber die, die 1938, als sie vertrieben wurden, sehr jung waren, leben und schreiben noch immer und haben ein mehrfaches Handicap zu tragen. Ihr größtes Handicap ist wohl, dass sie von der literarischen Öffentlichkeit der deutschsprachigen Länder bei lebendigem Leibe für tot angeschen werden: Kaum jemand interessiert sich für die Probleme ihres Schreibens, ihre Verzweiflung, Einsamkeit, Hoffnung und Weisheit. Es ist, als hätte man sich verschworen, den wachsenden Respekt für die toten Exilierten durch zunehmende Missachtung der Lebenden zu kompensieren. Anna Krommer ist in dieser Hinsicht ein exemplarischer Fall.“'* Der Kreis schließt sich somit. Werke Anna Krommers Galiläa. Lieder einer Siedlung. Wien: Europäischer Verlag 1955. 31S. Spiegelungen. Lyrische Gedichte. Wien: Europäischer Verlag 1971. 32S. Das Rattenhaus. Novelle. Wien: Bergland-Verlag, 1976. 47 S. Staub von Städten. Ausgewählte Gedichte. Hg. und eingeleitet von Sabine Prem, Nachwort von Walter Grünzweig, Zeichnungen von Peter A.W. Kubincan. Wien/Krems: Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft/Österreichisches Literaturforum 1995, 85 S. Refugium. Ein Kapitel aus der inneren Emigration 1939-1950 (unveröffentlichtes Typoskript). Paul Tischler, geboren 1946 in der Ostslowakei, ist freischaffender Schrifisteller, Journalist und Literaturhistoriker. Er beschäftigt sich vorwiegend mit der deutschsprachigen literarischen Landschaft der 58 ZWISCHENWELT Ostslowakei, aber auch mit deutschsprachigen SchrifistellerInnen anderer Länder. Seit 2002 ist er Leiter der Forschungsstelle Karpatendeutsche Literatur in München. Paul Tischler verfasste zahlreiche Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften, Jahrbüchern und Lexika. Anmerkungen 1 Um den spezifischen Beitrag der Autoren jüdischer Herkunft und deutscher Muttersprache zur slowakeideutschen Literatur auszuarbeiten, auf diese großartige Leistung hinzuweisen und somit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, ist der Verf. dabei, eine selbstständige jüdischdeutsche Literaturgeschichte der Slowakei zu erarbeiten. Das Buch soll ca. 800 Seiten beinhalten und über alle ca. 80 Autoren ausführlich berichten, damit auf keinen, der in dieser Region wurzelt und die slowakeideutsche Literatur mitgeformt hat, vergessen wird. 2 Zu den bedeutendsten gehören: "Therese Megerle (1813 — 1873), die erste Frau dieser Literatur aus der Slowakei, Max Reinhardt (1873 — 1943), von dem nur wenige wissen, dass er auch als Dramatiker tätig war und am Pressburger Theater als Schauspieler sein Debüt gab (sein Vater stammte aus dem nahen Stampfen), Marie Frischauf (1882 — 1962), Paul Neubauer (1891 — 1945), der wohl bedeutendste Romancier der gesamten deutschsprachigen Literatur aus der Slowakei, der den 1. Preis in einem Literaturwettbewerb, zu dem 1000 Romane eingeschickt wurden, erhielt (der Wettbewerb wurde auf Hitlers Betreiben hin ausgeschrieben, womit sich dieser sehr blamierte, als herauskam, dass der Preisträger ein Jude ist), Felix Pollak (1909 — 2002), der größte Aphoristiker mit Wurzeln in der Tschechoslowakei, Hermann Adler (1911 — 2002), der Mitbegründer der Konzentrations- und Todeslagerliteratur und Peter Szondi (1929 — 1971). 3 Zu den bekanntesten gehören: Alexander Engel (1869 — 1940), mit 83 Titeln nach Jakob Glatz aus der Zips (er gilt als der Begründer der Mädchenliteratur in Deutschland, Autor von über 103 Werken) der zweitproduktivste deutschsprachige Autor aus der Slowakei, der in Wien als Dramatiker große Erfolge am Theater erntete und Tibor Porges aus Sillein (1908 — 1994), der als Emigrant nach Santiago de Chile flüchtete, wo er einen Gedichtband edierte. 4 Zu den bedeutendsten gehören: Emil Reich (1854 1910), Adolf Altmann (1879 Hunsdorf — 1944 Auschwitz) und Adolf Burger (geb. 1917 in der Zips). Sein Buchtext wurde zur Grundlage des Drehbuchs des KZ-Films „Die Fälscher“, für den der österreichische Regisseur Stefan Ruzowitzky 2008 den Oscar erhielt. 5 [Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser]: Anna Krommer — lexikalisch. In: Mit der Ziehharmonika 5, 1988 (Dezember), Nr. 4, S. 5. 6 Siglinde Bolbecher: Krommer, Anna. In: Metzler Lexikon der deutschjüdischen Literatur. Stuttgart-Weimar 2000, S. 349-350; S. 349. 7 Anna Krommer (Washington) im Lebenslaufan Paul Tischler (München) vom September 1982 [2 Seiten], S. 1. Standort: Archiv der Forschungsstelle Deutschsprachige Literatur und Presse des Auslands (FDLPA) / »Forschungsstelle Slowakeideutsche Literatur: (Paul Tischler, AKS), beide München. 8 Karpatenland und Impressum erschien in den 80er-Jahren in München. Verleger, Herausgeber und Chefredakteur war der Verfasser. 9 Anna Krommer (Washington): Lebenslaufan Paul Tischler 10 Siglinde Bolbecher: Krommer, Anna. In: Metzler Lexikon der deutschjüdischen Literatur. Stuttgart-Weimar 2000, S. 349-350; S. 349. 11 Wie Anm. 10. 12 Wie Anm. 10. 13 Vgl. Walter Grünzweig: Nachwort. Nachtdschungel oder: Exilliteratur und Amerikanistik. In: Staub von Städten. Ausgewählte Gedichte. Hrsg. und eingeleitet von Sabine Prem. Wien 1995, S. 83. 14 Wie Anm. 10. 15 Der „Arbeitskreis Karpatendeutscher Schriftsteller“ (AKS, München) hat unter den 38 Schriftstellern auch drei jüdischer Herkunft (Alice SchwarzGardos, Erika Blumgrund und Anna Krommer) aufgenommen. Somit ist auch „die vierte“ Teil-Literatur der Deutschsprachigen aus der Slowakei in diesem ersten Verband deutschsprachiger Schriftsteller aus der Slowakei vertreten. Gegründet wurde er aus Initiative von Paul Tischler am 21. November 1979. 16 Wie Nr. 13, S. 80-83. 17 Über Johann Genersich (1761 Käsmark/Zips-1823 Wien) siehe Paul Tischler: Johann Genersich — Pionier der Zipser Romandichtung, Berlin 2000. 18 Konstantin Kaiser: Nirgends ganz dazugehört. In: Aufbau 63 (1996), 2. August 1996, Nr. 313, 5. 7-8.