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zunehmend in Vergessenheit. Als Brügel 1955 starb, wurde dies
weder von der „Arbeiter-Zeitung“ noch von anderen österreichi¬
schen Tageszeitungen zur Kenntnis genommen, ganz abgesehen
davon, daß man einen ordentlichen Nachruf verfaßt hätte.

Julius Stieber, geb. 1966 in Linz, studierte Germanistik und Ge¬
schichte an der Universität Wien. 1998 schloss er sein Doktoratsstudi¬
um mit der Dissertation „Fritz Brügel im Exil 1934-1955. Studien
zu Leben und Werk eines sozialdemokratischen Schriftstellers“ ab. Von
1996-2010 war er in der Direktion Kultur des Landes Oberösterreich
tätig, seit 2010 ist er Kulturdirektor der Stadt Linz.

Anmerkungen

1 Chef der CSR-Militärmission in Berlin nach dem Westen geflohen. In:
Wiener Kurier, 7.6.1949, S. 8

2 Alfred Kantorowicz, Deutsche Schicksale. Intellektuelle unter Hitler und
Stalin. Wien/Köln/Stuttgart/Zürich 1964, S. 128

3 Alfred Kantorowicz, Deutsches Tagebuch. Bd. 1. München 1959, S. 608
4 Jörg K. Hoensch, Geschichte der Tschechoslowakischen Republik 1918¬
1965. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1966

5 Fragebogen der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung (Deutsche
Exilbibliothek Frankfurt/M. 75/177); Friedrich Bruegel an Wanda Lanzer,
London, 13.12.1951 (Wienbibliothek, Tagblattarchiv)

6 Jörg K. Hoensch, Geschichte der Tschechoslowakischen Republik, a.a.O.,
S.129 ff.

7 1952 wurde Rudolf Slänsky in einem Schauprozeß gemeinsam mit 14
weiteren in Ungnade Gefallenen angeklagt und schließlich hingerichtet.
Vel. ebd., S. 166 f.

8 Ebd., S. 146 ff.

9 Ebd., S. 164 f.

10 Friedrich Bruegel an Wanda Lanzer, London, 13.12.1951, a.a.O.

11 Alfred Kantorowicz, Deutsche Schicksale, a.a.O., S. 129

Miriam Aistleitner

12 Bed?ich Bruegel an Robert Neumann, Locarno-Monti, 8.10.1949 (Do¬
kumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes 11548/11)

13 Ebd.

14 Ebd.

15 Friedrich Bruegel an Wanda Lanzer, London, 13.12.1951, a.a.O.

16 Kurzbiographie zu Fritz Brügel im Nachlaß Wilhelm Sternfeld (Deutsche
Exilbibliothek Frankfurt/M. 75/177)

17 Alfred Kantorowicz, Deutsches Tagebuch, Bd. 1, a.a.O., S. 608 f.

18 Bed?ich Bruegel an Robert Neumann, a.a.O.

19 Ebd.

20 Fragebogen der Deutschen Akademie, a.a.O.

21 Bed?ich Bruegel an Robert Neumann, a.a.O.

22 Friedrich Bruegel, Verschwörer. Roman. Zürich/Konstanz 1951. Für
diesen Artikel wurde die Wiederauflage des Romans aus dem Jahr 1988,
erschienen im Zsolnay-Verlag, zitiert mit dem Kürzel V, herangezogen.
23 Friedrich Bruegel an Wanda Lanzer, London, 16.1.1952 (Wienbiblio¬
thek, Tagblattarchiv)

24 Arthur Koestler, Sonnenfinsternis. Roman. Mit einem Nachwort des
Autors. Wien/Zürich 1991

25 Hartmut Binder, Ein eindrucksvoller Polit-Krimi. Friedrich Bruegels
Roman „Verschwörer“. In: Neue Zürcher Zeitung, 14./15.8.1988, S. 30
26 E. H., Die vergessenen „Böhmischen Dörfer“. In: Die Presse,
11./12.6.1988, Spectrum, S. IX

27 Hartmut Binder, Ein eindrucksvoller Polit-Krimi, a.a.O., S. 30

28 Friedrich Bruegel an Wanda Lanzer, London, 16.1.1952, a.a.O.

29 Friedrich Bruegel an Wanda Lanzer, London, 12.5.1952 (Wienbiblio¬
thek, Tagblattarchiv)

30 Wieder einer. Fritz Brügel flüchtet aus dem tschechischen Dienst nach
dem Westen. In: Arbeiter-Zeitung, 5.6.1949, S. 2

31 Michael Rohrwasser, Der Stalinismus und die Renegaten. Die Literatur
der Exkommunisten. Stuttgart 1991, S. 270

32 Friedrich Bruegel an Wanda Lanzer, London, 16.1.1952, a.a.O.

33 Friedrich Bruegel an Ernst Waldinger, London, 3.9.1952 (Dokumenta¬
tionsstelle für neuere österreichische Literatur)

34 David Pike, Deutsche Schriftsteller im sowjetischen Exil 1933-1945.
Frankfurt/M. 1981, S. 234

Perspektive einer Zeitzeugin: Eva Morton-Wolf

Eva Morton-Wolf, geboren am 30.6.1928 als Eva Maria Julia Wolf
in Wien (das Jüngste von drei Kindern), hat gelernt, in sieben
Sprachen zu kommunizieren: Deutsch, Französisch, Tschechisch,
Englisch, Russisch, Ungarisch und Italienisch. Im Tschechischen
gibt es für dieses polyglotte Biographie ein passendes Sprichwort:
„Kolik jazykü umis, tolikrät jsi Clovekem“, ins Deutsche in etwa
so zu übersetzen: „So viele Sprachen du kannst, so viele Male
bist du Mensch.“ Zu jeder neuen (Zwischen-)Station in ihrem
Leben kam eine neue Sprache dazu: Deutsch war die Sprache
ihrer Kindheit in Wien, gefolgt von Französisch, das sie von einer
„strengen französischen Mademoiselle“, einer Hauslehrerin, lernte.
In Brünn, wo Eva Wolf ab 1937 lebte, eignete sie sich binnen
eines halben Jahres die tschechische Sprache an. Englisch wurde
schließlich zur Sprache ihres Exils in Sydney, wohin sie 1950
auswanderte. Dort lernte sie noch zusätzlich Russisch, da die
Familie eine russischsprachige Haushälterin aus der Mandschrei
anstellte. Ungarisch und Italienisch vervollständigten im Laufe
ihrer Tätigkeiten als Reiseleiterin und Schauspielerin im Little
Viennese Theatre ihr Sprachrepertoire.

Eine Kindheit in Wien-Döbling und Neu-Titschein

Die ersten neun Jahre ihres Lebens verbrachte Eva Wolf in Wien¬
Döbling. Ihr Vater, Sigmund Wolf, war formal jüdischen Glau¬
bens, aber nicht praktizierend, Sozialdemokrat und Inhaber einer
Textilfabrik im ostmährischen Leipnik an der Betschwa (heute
Lipnik nad Be£vou). Ihre Mutter, Frida Wolf, geborene Luchesi
war nicht-praktizierende Katholikin. Die Eltern ließen ihre jüngste
Tochter kurz nach der Geburt im Rudolfinerhaus taufen. Eva
Mortons Skepsis gegenüber Religionen, die sie bereits als Volks¬
schülerin entwickelte („ich habe die Behauptung, Jesus sei von
einer Jungfrau auf die Welt gebracht worden, damals schon als
einen Affront gegen meine Intelligenz aufgefasst“), hat sich bis
heute gehalten, sodass sie sich am ehesten noch als Agnostikerin
bezeichnen würde.

Frida und Sigmund Wolf stammten beide aus Neu-Titschein
(heute Novy Jicin) in Ostmähren, dessen Bevölkerung bis 1945
größtenteils deutschsprachig war. Sigmund Wolf war beruflich
auch immer wieder in Brünn, wo er ein freundschaftliches Ver¬
hältnis mit Oberlandesgerichtsrat Dr. Theodor Schuster, dem
Vorsitzenden der Europäischen Liga für Menschenrechte und Vater

August 2014 69