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„Igel“, nicht nur Kräfte der Wehrmacht gebun¬
den, sondern sie waren auch sofort zur Stelle, als
es galt, das Machtvakuum nach der Zerstörung
und Auflösung der nationalsozialistischen Ge¬
waltherrschaft zu füllen (Plieseis wurde kurz¬
zeitig Sicherheitsberater der Amerikaner). Da
ihre aufopfernde, schwierige Tätigkeit, sommers
wie winters (ihr Versteck lag tatsächlich hoch in
den Bergen, nämlich oberhalb der Blaa-Alm in
der Nähe der Ischler Hütte), nach 1945 vom
offiziellen Österreich nicht gewürdigt wurde,
kann es schon sein, dass der eine oder andere
dem Versuch nicht widerstehen konnte, sich
als „Retter“ oder als an der Rettung Beteiligter
auszugeben, um ein wenig Anerkennung zu
bekommen. Die genannte Gruppe hatte zwar
Verbindung zu Albrecht Gaiswinkler, jedoch
andere Ziele.

Jedenfalls war — und dies ist Konsens in der
Forschung — die Ausseer Widerstandsgruppe, die
ab 1943 auch zahlreichen Deserteuren Unter¬
schlupf und Verpflegung bot, eine bedeutende
politische Kraft, die im inneren Salzkammergut
mit ihrem solidarischen Auftreten gegen jede
anmafßend sich gebärdende Obrigkeit nicht von
ungefähr kam und auch noch nach 1945 lange
Zeit fortwirkte. Sehr wahrscheinlich ist auch,
dass die Salinenarbeiter, praktisch denkend und
weitblickend agierend, selber daran interessiert
waren, dass die Stollen nicht gesprengt wurden,
hing doch ihre Existenz von dieser Arbeitsstelle
ab. Dazu einige konkrete Anmerkungen zu den
Fragen auf S. 26 im Artikel Monuments Men:
Letztlich hat sich Kaltenbrunner gegen Eigru¬
ber durchgesetzt und die Sprengung insofern
verhindert, indem er eine Situation zuließ, die
es der Widerstandsbewegung möglich machte,
die Bomben aus den Stollen zu entfernen. Die
Folgen einer Sprengung für die Existenzen der
Familien, von denen er viele kannte, bedenkend,
ging er auf den Vorschlag des Bergarbeiters Alois
Raudaschl ein, die Bomben von Bergarbeitern
(!), die mit der Widerstandsgruppe in Verbin¬
dung standen, aus dem Bergwerk bringen zu
lassen. Einen Tag nach der Auslagerung, am

Offener Brief

Offener Brief von Andrei Corbea-Hoisie zu dem
Kapitel Israel Friedman (Israel der Ruzhiner)
aus dem Band Religiöse Erinnerungsorte in Ost¬
mitteleuropa, /g. von Joachim Bahlke, Stefan
Rohdewald, Thomas Wünsch

Die Geschichte der Entstehung meiner Ab¬
handlung zum Ruzhiner Zaddik Israel Fried¬
man beginnt am 22.11.2008, als ich von Prof.
Dr. Thomas Wünsch von der Universität
Passau die Einladung erhielt, mich an einem
wissenschaftlichen Projekt zu beteiligen, das
vorhatte, ein „Handbuch“ zum Thema „Re¬
ligiöse Erinnerungsorte im östlichen Europa“
zu entwerfen. Der Titel des Artikels, der mir
damals als Grund der Zusammenarbeit ange¬
boten wurde, sollte heifgen: „Wunderrabbi Israel

96 _ ZWISCHENWELT

5. Mai, wurden vorsichtshalber die Zugänge
zu den Stollen gesprengt, um eine neuerliche
Einlagerung der Bomben zu verhindern.

Übrigens hat der aus Bad Goisern stammen¬
de Schriftsteller Franz Kain als erster in seiner
Erzählung Der Weg zum Ödensee den Disput
Kaltenbrunner — Eigruber sowie die Flucht
Kaltenbrunners hinauf zur Wildensee-Alm
thematisiert. In einem inneren Monolog lässt
er Kaltenbrunner auch über die Naturfreunde¬
Bergsteiger räsonieren, die Proleten unter den
Bergsteigern, was mich

zu Paul Preuß führt. Carole Angier schreibt,
er sei „Wiener — und ‚Halbjude‘“ gewesen,
und meint (nachdem ihm im Jahre 2013 zwei
Ausstellungen gewidmet worden sind und eine
Denkmal ihm zu Ehren am Seeufer errichtet
worden ist): „Hundert Jahre hat es gedauert,
bis die Tatsache, dass Altaussees berühmtester
Bergsteiger Jude war, buchstäblich ans Tageslicht
gekommen ist.“ — Kurz dazu: Preuß ist in Alt¬
aussee geboren und hat in Wien (aber auch in
München!) studiert. War er deswegen Wiener?
Oder als „Halbjude“ Jude? — Ich vermute nicht
unbegründet, dass ihm andere Kategorien als
die Herkunft wichtig waren. Dem promovierten
Biologen Paul Preuß, der im Schnitt drei Gipfel
pro Woche bestieg (insgesamt, bis zu seinem Tod
mit 27 Jahren, rund 1200), war beim Klettern
seine Herkunft schnurzpiepegal. Allerdings
nicht den Funktionären des Alpenvereins, die
damals schon antisemitisch eingestellt waren
(der Österreichische Gebirgsverein hatte seit
August 1920 einen Arierparagraphen in den Sat¬
zungen; Näheres dazu in: Franz Kain. Der Weg
zum Ödensee oder Wem gehör(t)en die Berge, in:
Richard Wall, Kleines Gepäck. Unterwegs in einem
anderen Europa). Tatsache ist, dass Paul Preuß
unter den Bergsteigern mit seinem hohen Ethos
nie vergessen war. Zwischen meinem 15. und 25.
Lebensjahr (also ab Ende der 60er Jahre) viel
in den Bergen unterwegs, sowohl im Gesäuse
als auch im Gosaukamm, wo sich auch Preuß
mit seinen eleganten Erstbegehungsrouten ver¬
ewigte, muss ich sagen, dass in den damaligen

Friedmann (Sadagora, Bukowina)“. Ich habe
nicht gezögert, zuzusagen. Die erste Fassung
meines Beitrags habe ich am 1. Februar 2010
abgeliefert. Ein Jahr später, am 28. Januar 2011
habe ich von Prof. Wünsch und von den an¬
deren Herausgebern des geplanten Bandes die
erste von ihnen lektorierte Variante des Textes
erhalten, auf deren Basis die Diskussion über
die besten Lösungen sowohl im informativen
als auch im diskursiven Sinne weiter und im
besten Einvernehmen verlief. Am 16. Februar
2011 habe ich meine letzten Ergänzungen zum
Text abgesendet; ein Tag danach hat mir Prof.
Wünsch den Empfang auch bestätigt. Es folgte
noch ein Nachrichtenaustausch in Bezug auf die
eventuellen Illustrationen zum Artikel.

Von der Erscheinung des Buches unter dem

Kletterführern (Bergverlag Rother München) all
die Erstbegehungen von Preuß angeführt waren,
und jeder ernsthafte Kletterer seine Kühnheit,
seine Intelligenz und sein ästhetisches Empfin¬
den für elegante Grate und Kanten schätzte, ja
bewunderte. Die Ortsgruppe Bad Goisern des
Touristenvereins „Naturfreunde Österreichs“
benannte sofort, nachdem Preuß am 3. Okt.
1913 an der Nordkante des Mandlkogels zu
Tode gestürzt war, ihre Schutzhütte nach ihm,
nämlich auf der Hohen Schartenalm am Fuße
des Hoch-Kalmbergs bei Bad Goisern. In mei¬
nem Text „Im Ausseerland. Abseits der „Via Artis“
(Kleines Gepäck. Unterwegs in einem anderen
Europa) habe ich sowohl den Widerstand im
Ausseerland (vor allem die grausame Ermordung
des Widerstandskampfers Karl Feldhammer),
als auch die Bedeutung von Paul Preuf sowie
die Situation seines Grabes am Friedhof (er liegt
unweit des in Fürth bei Nürnberg geborenen
Schriftstellers Jakob Wassermann begraben)
reflektiert. Übrigens hätte ein Eispickel Paul
Preuß bei seinen Touren behindert, ein derarti¬
ger Ausrüstungsgegenstand ist beim Felsklettern
unnütz und hinderlich.

Abschließend: Entscheidend ist, dass die
Kunstschätze gerettet und die Stollen nicht
gesprengt wurden, wohl ein Zusammenspiel
mehrerer engagierter Kräfte. Jene im Salzkam¬
mergut wurden oft gerade deswegen von den
US-Amerikanern nicht entsprechend gewür¬
digt oder angehört, da sie Kommunisten waren
oder zumindest, sozialdemokratisch sozialisiert,
politisch links standen. Nicht wenige promi¬
nente Nazis der Gegend wie Wilhelm Höttl,
SS-Offizier und Mitarbeiter des Reichssicher¬
heitshauptamtes, blieben hingegen unbehelligt.
Höttl konnte nach Kriegsende für den US-Ge¬
heimdienst tätig werden und ein Privatgymna¬
sium in Bad Aussee gründen und leiten. Doch
das ist schon wieder eine andere Geschichte.
Mag. Richard Wall, Engerwitzdorf, 24. Juli
2014

Titel „Religiöse Erinnerungsorte in Ostmit¬
teleuropa. Konstitution und Konkurrenz im
nationen- und epochenübergreifenden Zugriff“
im Berliner Akademie Verlag wurde ich am 6.
November 2013 von Prof. Stefan Rohdewald
benachrichtigt. Erst am 31. Januar 2014 konnte
ich den Band mit meinem Beitrag anschen.
Bei der ersten Lektüre dachte ich, dass ich
nicht richtig begreife, worum es geht - denn in
dem gedruckten Text ist nicht mehr von dem
Ort die Rede, der in der historischen Tradi¬
tion mit der Erinnerung an Israel Friedman
und an seine Rabbiner-Dynastie verbunden
ist. „Gartenberg“ und nicht Sadagora soll laut
dem immerhin von mir gezeichneten Artikel der
Ort geheißen haben, wo sich „alles“ — von der
dokumentierten Ansiedlung des aus Russland