Novellen vor. Hedwig wuchs mit einem Bruder und zwei Schwestern
im 13. Bezirk auf. Ihre Mutter starb an Tuberkulose, als Hedwig
erst elf Jahre alt war.
Nach der Grundschule besuchte Hedwig das Gymnasium der Eu¬
genie Schwarzwald. Anschließend absolvierte sie ein Gesangstudium
an der Musikhochschule. Sie wollte Sängerin werden wie ihre Mutter.
Auf Druck ihres Vaters, der auf Grund des frühen Todes seiner Frau
befürchtete, seiner Tochter könnte das Singen schaden, verzichte¬
te sie auf eine musikalische Karriere und studierte Philosophie bei
Adolf Stöhr an der Universität Wien. Ihre freie Zeit widmete sie
der Errichtung von Kriegskinderhorten. Sie promovierte mit der
Dissertation „Einfluß des Darwinismus auf die Ethik“. Prof. Stöhr,
der von ihrer Dissertation sehr beeindruckt war, hoffte, sie würde
die erste weibliche Philosophieprofessorin werden. Eine angebotene
Assistentenstelle lehnte Hedwig Rossi allerdings ab, weil sie begonnen
hatte, Gedichte und Dramen zu schreiben und Mitarbeiterin der
Abteilung Literatur der RAVAG war.
Unmittelbar nach Abschluss ihres Studiums, noch in der Woche
ihrer Promotion, im Juni 1915 heiratete sie den Psychologen Dr.
Oswald Rossi (1887 — 1978), der protestantischer Konfession war.
1917 kam ihr Sohn Harald zur Welt, der später in den USA Physiker
und Professor für Radiologie wurde.
Hedwig Rossi veröffentlichte Gedichte u.a. in „Der Merker“, „Die
Waage“ und in der „Arbeiter-Zeitung“. Sie verfasste Dramen und
Schauspiele für die Bühne. Ihre Leidenschaft galt dem Theater, ihren
Lebensunterhalt verdiente sie mit Beiträgen, u.a. zwei Hörspiele,
beim Wiener Rundfunk. Daneben schrieb sie Gedichte, Erzählungen,
Feuilletons und Beiträge über Literatur und Theater, mit denen sie
bald öffentliche Beachtung erlangte. In der Arbeiter-Zeitung erschienen
die meisten ihrer autobiographisch geprägten Kindheitserzählungen,
die sie 1949 in dem Band „Das Mädchen Kaja“ zusammenfasste.
Im Dezember 1932 beteiligte sich Hedwig Rossi an einem Preis¬
ausschreiben der Arbeiter-Zeitung für die beste Kurzgeschichte. Der
erste Preis wurde nicht vergeben, weil keine der eingesandten Arbeiten
den Anforderungen vollkommen entsprach. Den zweiten Preis erhielt
Veza Canetti. Weitere drei Preise gingen an Else Feldmann, Rudolf
Felmeyer und an Hedwig Rossi. Sie war Mitglied der sozialdemo¬
kratischen Arbeiterpartei. Als 1933 die „Vereinigung sozialistischer
Schrifisteller“ gegründet wurde, trat sie ihr bei und wurde zur stell¬
vertretenden Schriftführerin gewählt.
Mahatma Gandhi wird an der neuen Konferenz am runden Tisch,
die im September in London zusammentritt, um die neue in¬
dische Verfassung auszuarbeiten, teilnehmen, und man trifft in
London schon Vorbereitungen für seinen Aufenthalt. Ein in¬
discher Kaufmann hat sein Haus in London als Wohnung für
Gandhi zur Verfügung gestellt. Im Garten des Hauses werden
Ställe gebaut, die für die Ziegen bestimmt sind, die für Gandhi
Milch liefern sollen: Ziegenmilch ist ein Hauptbestandteil von
Gandhis Nahrung. Gandhi hat die Absicht, seine eigenen Ziegen
aus Indien mitzubringen, aber es gibt da große Schwierigkei¬
ten. Nach den Vorschriften des englischen Viehseuchengesetzes
müßten die Ziegen mehrere Monate in einer Quarantänestation
verbringen, che man sie nach London bringen darf. Freilich gibt
Im Dezember 1934 erhielt sie für ihr Voltaire-Stück „Der Fall
Calas“ den Julius-Reich-Preis für Literatur. Dieses Drama wurde
im April 1937 am Deutschen Volkstheater in Wien uraufgeführt.
Oswald Rossi verließ Österreich im Dezember 1938 und emigrierte
in die USA. Im März 1939 gelangte Hedwig Rossi mit Hilfe der
Organisation „Gildemeester“, die in Wien eine Auswanderungshilfs¬
aktion für als Juden verfolgte Christen ins Leben gerufen hatte, nach
Großbritannien und fand Unterkunft bei einer Familie in Bristol.
Nachdem ihr Mann eine Stelle als Dozent für moderne Sprachen
am Hobart College, New York bekommen hatte, ließ er seine Frau
und seinen Sohn im Sommer 1939 in die USA nachkommen. An
der Theaterwerkstatt der John Hopkins University fand Hedwig Rossi
Arbeitsmöglichkeiten. 1946 erhielten beide Rossis Lehraufträge am
Ferris State College in Big Rapids, Michigan. Oswald Rossi lehrte
dort Spanisch und Psychologie, Hedwig dramatische Rede, Deutsch
und Literatur. Hedwig Rossi übernahm die Leitung des Ferris Little
Theatre, später Ferris Playhouse, wo sie gemeinsam mit ihrem Mann
mehr als 35 Stücke herausbrachte. Als erstes eigenes Schauspiel von
Hedwig Rossi wurde dort 1946 „Vienna Legend“, eine Übersetzung
von „Legende am Donaukanal“, das bereits 1934 entstanden war,
gespielt. Es wurde eines von Hedwig Rossis am meisten gespielten
Stücken. Daneben veröffentlichte sie zahlreiche Kurzgeschichten u.a.
in: Arbeiter-Zeitung, Oberösterreichische Nachrichten, Mannhei¬
mer Morgen, Die Presse, Berliner Tagblatt und Neue Illustrierte
Wochenschau.
Anlässlich der Aufführung ihres Theaterstücks „Meines Vaters
Mantel“ 1960 in Guildford, Großbritannien erhielt Hedwig Rossi
eine Auszeichnung des „Art Council of Great Britain“. Für ihre
Theaterarbeit mit Studierenden erhielt sie den „First Price of Ameri¬
can Educational Theatre Association“. Nach dem Tod ihres Mannes
1978 begann Hedwig Rossi mit dem Schreiben eines umfangeichen,
autobiographisch geprägten Romans in zwei Teilen, der bisher un¬
veröffentlicht ist. Hedwig Rossi war bis ins Alter von über 90 Jahren
künstlerisch produktiv. Ihr umfangreicher Nachlass befindet sich im
Exilarchiv der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main.
(Brigitte Lehmann. Exenberger-Archiv, theodorkramer.at)
Ein ausführlicher Beitrag über Hedwig Rossi erschien in ZW Nr.
4/2000, S. 14-17: Ingrid Walter: „Mein Kopf muß jetzt auf verschie¬
denen Gleisen laufen“. Die Wiener Schrifistellerin und Dramatikerin
Hedwig Rossi im amerikanischen Exil.
es einen Präzedenzfall, auf den die Schiffahrtsgesellschaft, die
für den Transport von Gandhis Ziegen zu sorgen haben wird,
sich berufen kann: Als im vergangenen Jahr eine amerikanische
Truppe in einem Londoner Theater das Stück „Peggy“ spielte,
in dem auch eine Ziege auf die Bühne kommt, nahm sie ihre
eigene Ziege aus Neuyork mit, und die Behörden erlaubten, daß
die Räume des Theater ausnahmsweise als Quarantänestation der
Ziege angesehen werden sollten. Die Ziege durfte also auftreten,
sie durfte nur keine Spaziergänge außerhalb des Theaters machen.
Man wird also wahrscheinlich für Gandhis Ziegen ähnliche Be¬
stimmungen treffen. Es ist auch schon dafür vorgesorgt, daß in
Gandhis Londoner Haushalt, ebenso wie in seinem indischen
Heim, nur Khaddar, hausgewebte indische Stoffe, verwendet