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Konstantin Kaiser
Nathan Fischmann

Wo ist er im Verzeichnis

der österreichischen Opfer?

Nicht angeführt auf einer der Listen

ob vom Aspangbahnhof

ob nach Theresienstadt

sondern er ging nach Ungarn

ließ sein Geschäft zurück

kleiner Makler an der Getreidebörse

in der Taborstraße

Angeblich reiste er nach Csorna in Ungarn
wo er geboren

In Wien bereits wohnhaft gewesen

in einem Sammelquartier

zuvor gemeldet Heinetraße 1

(benannt nach Heinrich, 1938 bis 1945 jedoch
nach Georg von Schönerer)

direkt am Praterstern, ich muß

mir das Haus anschauen

Zuletzt aber war er

Fischman oder Fischmann

gemeldet in Budapest

Laudongasse 1, ich muß

mir das Haus anschauen

Verschiedene Arbeitslager

Deportiert nach Dachau

im November 1944

Daselbst verstorben an „Herzschwäche“
Kommando Mühldorf

im März 1945

mit 42 Jahren

Ich muß mir nicht Dachau, nicht Mühldorf anschauen
Ich muß in sein Gesicht schauen

Darf Werbung alles?

„1938 habe ich geweint, weil ich wusste, dass ich nicht wie mein
Bruder in die Tanzschule Elmayer gehen kann.“ Mit diesem Zitat
wirbt die Nobel-Tanzschule Elmayer in ihrem neuesten Folder für
die Jugendtanzkurse 2015/16. Es stammt vom 1938 aus Wien
geflohenen Zeitzeugen des NS-Ierrors und späteren Chefredakteur
der „Jerusalem Post“ Ari Rath.

Das Hintergrundbild zu Ari Raths Zitat bilden junge Frauen
in weißen Kleidern, offenbar bei einer Balleröffnungspolonaise.
Noch vor fünf Jahren wäre solch ein Zitat wohl nicht so leicht
möglich gewesen, denn bis zu diesem Zeitpunkt hat die Tanz¬
schule Schäfer-Elmayer die Eröffnungspolonaise des Balles des
Wiener Korporationsringes (WKR) organisiert. Das ist der Ball,
der auch als „Burschenschafterball“ bekannt ist und an dem regel¬
mäßig Vertreter der rechtsextremen Szene teilnehmen. So gehörte
jahrelang der NDP-Chef Norbert Burger dem Ehrenkomitee
des Korporationsballs an. Jean-Marie Le Pen, Marine Le Pen,

Nathan Fischmanns Tochter Greta Elbogen (New York) war im April
2015 auf Einladung des Jewish Welcome Service in Österreich und
stellte in Wien und Innsbruck ihren Geichtband „God Plays Hide
And Seek/Gott spielt Verstecken“ vor (deutsche Übersetzung von K.
Kaiser in Zusammenarbeit mit H. Kuhner und D. Müller). Im
Anhang ist u.a. das Verlobungsbild Fischmanns zu finden.

bulgarische und russische Rechtsextremisten, Hämische und deut¬
sche Rechtspolitiker, NPD-Funktionäre, spanische Neofaschisten
und schwedische Rechtspopulisten waren und sind zu Gast.
Warum macht eine Tanzschule, die sich bis vor kurzem nicht
scheute, Kontakt zu einem Ball der rechtsextremen Szene zu ha¬
ben, nun Werbung mit einem Juden? Wäre solch ein Werbezitat
noch vor wenigen Jahren denkbar gewesen? Welcher Wandel ist
eingetreten, dass nun mit Juden, die 1938 vertrieben wurden,
Werbung gemacht wird? Soll man es als positiv ansehen, dass das
nun möglich ist? Kann man es akzeptieren, dass nun — über 75
Jahre nach der Vertreibung und Ermordung der Wiener jüdischen
Bevölkerung — damit Werbung gemacht wird? Oder verschlägt
es einem ob der Geschmacklosigkeit der Tanzschule Elmayer
schlicht die Sprache?
Martin Krist

September 2015 7