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Andreas Peham Befreiung vom Nationalsozialismus In der Bezeichnung des 8. Mai als Tag der „totalen Niederlage“ (Wiener Burschenschaft Olympia) drückt sich die anhaltende Identifizierung des freiheitlichen und völkisch-korporierten „Dritten Lagers“ mit dem „Dritten Reich“ aus. Es sind — außerhalb der offen neonazistischen Milieus — aber weniger der Nationalsozialismus als dessen Kriegsziele und militärische Formationen, welchen man sich bis heute verpflichtet fühlt. Mit dieser Pflichtversessenheit stand das „Dritte Lager“ bis in die 1980er-Jahre nicht am Rand, sondern im Zentrum österreichischer Vergangenheitspolitik, zumindest dort, wo sich diese nicht in der Opferlegende erschöpfte. Erst in den frühen 1990er-Jahren geriet mit der herrschenden Vergangenheitspolitik auch die offenste Apologetik des „Dritten Reiches“ und der „Pflichterfüllung“ in Wehrmacht und WaffenSS verstärkt in die Kritik. Auch wenn das „Dritte Lager“ seit damals ein Rückzugsgefecht führt, ist es bis heute nicht bereit, die Befreiung als solche zu sehen. Stattdessen versucht man seitens Freiheitlicher mittels Hinweise auf angebliche und tatsächliche Kriegsverbrechen alliierter Soldaten und deren „deutsche Opfer“ den Charakter des 8. Mai als Tag der Befreiung zu relativieren. Daneben dient ihr nicht gänzlich unberechtigter Hinweis auf die massenhafte Unterstützung des „Dritten Reiches“ bis zu dessen „Zusammenbruch“ der nachträglichen Legitimation — als Argument für den Nationalsozialismus und nicht gegen die ihm bis zum Schluss anhängenden Massen. Vom „Zusammenbruch“ zur „Umerziehung“ Zwischen 1997 und 2012 begingen Wiener deutsch-völkische Korporationen den 8. Mai als Trauertag zu Ehren ihrer „toten Helden“ am Heldenplatz, in der Folge mussten sie dem ofliziösen „Fest der Freude“ weichen. 2004 ließ es sich der damalige Wiener FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache nicht nehmen, eine — wie es deutsche Neonazis formulierten — „Gedenkrede für die deutschen Gefallenen des Krieges“ zu halten. Sieben Jahre später hätte der mittlerweile zum Bundesparteiobmann aufgestiegene Strache die korporierte Trauerfeier neuerlich als Redner beehren sollen - er zog es angesichts des politisch-medialen Gegenwinds jedoch vor, nicht zu erscheinen. Wie groß angesichts dieses opportunistischen Einknickens die Empörung im völkisch-korporierten Milieu war, lässt sich etwa an einem Abwiegelungsversuch von Andreas Mölzer erahnen: Er betonte, dass Strache „zu den Traditionen seiner Gesinnungsgemeinschaft und zu deren weltanschaulichen Grundpositionen [steht]. Das hat er — gerade im Hinblick auf die national-freiheitlichen studentischen Korporationen — nicht nur immer wieder klar und deutlich gesagt, sondern auch persönlich gelebt. An den eingeforderten Distanzierungsritualen, mit denen man Jörg Haider in den 90er-Jahren getrieben hatte, hat sich HC Strache niemals beteiligt.“ Was man in Straches pennaler Burschenschaft Vandalia über den 8. Mai 1945 denkt, wird in einem Vorstellungstext dieser Verbindung deutlich: „Zwei Weltkriege [...] innerhalb von rund dreißig Jahren zu verlieren, hätten weniger widerstandsfähige Völker nicht überdauert. Die katastrophale militärische Niederlage sowie der Verlust von mehreren Millionen Menschen und etwa der Hälfte des deutschen Siedlungsgebietes haben tiefe Wunden hinterlassen. [...] Die Siegermachte haben durch die so genannte Umerziehung erheblich dazu beigetragen, daß die guten alten Werte von Ehre, Anstand, Tapferkeit und Treue verdächtig und verächtlich gemacht wurden.“ Ähnlich gelagert ist eine Äußerung des Wiener Klubobmannes und weiteren Vandalen Johann Gudenus: Bei einer Gedenkfeier am Wiener Zentralfriedhof sprach er im März 2013 von der „Katastrophe des Zusammenbruchs von 1945“, nach welcher sich „in Österreich eine Gesellschaft der Bünde und Gewerkschaften entwickelt“ habe. So stark die Identifikation mit dem „Dritten Reich“, so heftig die Ablehnung der nachnationalsozialistischen Umwälzungen. Oder, in den Worten der Wiener Burschenschaft Olympia: „Gleich nach Kriegsende setzte die von den Siegern betriebene systematische Umerziehung (reeducation) ein, die einen intensiven Wandel des Denkens, der Empfindungen und Verhaltensweisen erreichen wollte und auch erreichte. Alle Ideen und Überzeugungen, die nach Meinung der Sieger zu der politischen, moralischen und charakterlichen Korrumpierung der Deutschen geführt hatten, sollten ein für allemal ausgerottet werden. [...] Die entstandene geistig-kulturelle Bewußtsseinslücke wurde durch die Etablierung der westlich-pluralistischen Gesellschaftsform ‚ausgefüllt‘.“ Weil für das Gros der Burschenschafter die ideologische Gleichsetzung von deutsch und nationalsozialistisch offenbar nach wie vor Gültigkeit hat, werden die Versuche einer inhaltlichen Entnazifizierung als Angriffe auf das Deutsche selbst geschen. Der alte völkisch-antiliberale Antiamerikanismus erneuerte sich so als revanchistisches Ressentiment gegen die (westlichen) Siegermächte, allen voran die USA. Die Wiener Alemannia beklagte 1962, dass 1945 der „Schwung“ der Jugend dadurch gebrochen worden sei, dass „nun alles Verbrechen gewesen sei, der Kampf dafür, unserem Volk eine Stellung zu geben, die seiner Leistung und Fähigkeit entspricht. [...] Nun wurde alles unterdrückt, die Geschichte gefälscht, das deutsche Volk als alleiniger Schuldiger hingestellt.“ Die Innsbrucker Suevia sah 1958 die „Deutschen“ den „diabolischen Rachegelüsten erbarmungsloser Feinde“ ausgeliefert, nach 1945 schienen ihr alle „Werte und Ideale [...] vernichtet“ und „erstorben im düsteren Grau einer trost- und hoffnungslosen Zukunft.“ Und noch 1968 hieß es in der Festschrift der Wiener Teutonia: „Der physische und seelische Zusammenbruch des Jahres 1945 traf uns schwerer als jegliche Not vergangener Zeiten.“ Zurück blieb „ein zerrissenes, gedrücktes und gedemütigtes Vaterland, eingekeilt zwischen brutaler Diktatur des Ostens und westlicher Kulturverseuchung durch fremdartig beherrschten Amerikanismus.“ Täter-Opfer-Umkehr Burschenschafter, die gemäß eines Grazer Arminen (1987) „das Unglück des Jahres 1945, das ihnen die erreicht geglaubte Erfüllung ihrer Ideale raubte“, ertragen mussten, begriffen sich als Besiegte, welche laut der Wiener Alemannia (1962) „die Rache September 2015 63