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Graz geschrieben. Es gibt nur wenige Dichter seiner Generation, die, aufgrund der Lektüre der Schriften von Karl Kraus, Adolf Loos, Thomas Carlyle und John Ruskin, sich so fundiert mit Bildender Kunst auseinandergesetzt haben. Zudem stand er mit dem Kunsthistoriker Klaus Demus und dem Kunstmorphologen, Kunsthistoriker, Lehrbeauftragten und Herausgeber der Zeitschrift „Kontur“, Heimo Kuchling, in Gedankenaustausch. Guttenbrunners Zugang zur Bildenden Kunst war einerseits von seinen autodidaktischen Studien grundiert, andererseits berührten ihn Kunst- und Bauwerke unmittelbar - kraft ihrer ästhetischen wie geistigen Qualität. Kurzum, er konnte sich für sie begeistern, vorausgesetzt er sah in den Ergebnissen, dass der Schöpfer, weiblich oder männlich, ernsthafte formale Absichten verfolgte; ihn interessierte weder „dekoratives Hundertwasser“ noch die lauen Ergebnisse einer „dreihundertjährigen manieristischen Entwicklung“. Sein kritisch-analytischer Geist vertrug kein Blendwerk, und dass er scharfsinnig argumentieren konnte, wissen die Leser seiner Prosa: Speziell sei hier auf seine Essays zum Werk des Malers Herbert Böckl verwiesen. Guttenbrunner verstand es, seinen Freund — wie er ein Kärntner — zu ermutigen, denn Böckl hatte Ängste, Skrupel und zweifelte immer wieder an seinem Werk und an seinem Leben (nicht zuletzt war er für eine große Familie verantwortlich, immerhin hatte er neun Kinder zu ernähren). Nicht minder treu und geradezu liebevoll begleitete der das lyrische wie malerische Werk seines labilen Freundes Arnold Clementschitsch, der, wie er sich ausdrückte, in seiner sinnlichen Malerei direkt „vom Auge zur Hand“ gearbeitet hat, und den er in der Gedenkrede vornehmlich als Sänger apostrophierte, als einen Rhapsoden auf dem Gebiet der Malerei und der Lyrik. Guttenbrunner zog — das geht klar aus seinen Briefen, Polemiken, Reden, Essays, Würdigungen und Grabreden hervor - klare Grenzen gegen jene Kunst, die nach der klassischen Moderne mit angestrengtem theoretischem Unterfutter auf dem Markt kam. Jenen, „die Kunst nur die Erlaubnis und Gelegenheit“ ist, „ungestraft und mit Beifall öffentlich zu rülpsen, zu furzen, zu kacken, zu brunzen“, erteilte er eine klare Absage und er vergaß auch nicht jene mit Hohn und Spott zu überziehen, die als Kunsthistoriker, Journalisten, Galeristen und Museumsdirektoren sich dieser Äußerungen — „Requisitenpathos“, „Schamlosigkeit“, „Humbug“, „Sumpfwasser“, „Kehricht“ etc. — angenommen haben. Die Qualität des gediegen gestalteten Buches liegt auch in der umsichtigen Zusammenstellung, in den beigefiigten Abbildungen, welche die genauen und unbestechlichen Beobachtungen, die Schrift und das Argument begleiten; des Weiteren in den „verbindenden Worten“, in den kenntnisreichen Überleitungen der Schwungvoll geschrieben ist Simon Loidls Abhandlung über das Wirken österreichischer KommunistInnen im US-amerikanischen Exil. Seine Darstellung stützt er — neben der ansonsten bekannten Fachliteratur — einerseits auf zugänglich gewordene Akten des Office of Strategic Services (OSS), andererseits auf lebensgeschichtliche Interviews, die im Rahmen des DÖW-Projektes „Erzählte Geschichte“ in den 1980er Jahren geführt wurden. (Ein einzigartiger Fundus übrigens, dessen Auswertung m.E. ratsamer wäre als etliche der in den letzten Jahren realisierten Video-Projekte mit meist historisch und biographisch eher undifferenzierten Fragestellungen und entsprechend banalen Antworten.) Leo Katz (bis 1940) und Wilhelm Gründorfer, unter dem Namen William Green Herausgeber der 1943-48 in New York erscheinenden Monatszeitschrift Austro American Tribune (AAT), werden als politische Leiter der Gruppe österreichischer Kommunisten in den USA präsentiert. Man sieht sie aber nur wie durch eine Milchglasscheibe in schattenhaften Umrissen. Daß Katz in seiner New Yorker Zeit vom Journalisten zum dann sehr fruchtbaren Schriftsteller mutierte, überhaupt irgendetwas, das seine Persönlichkeit vergegenwärtigt, vermißt man ebenso wie ein inhaltliches Eingehen auf die zahlreichen Leitartikel, die Gründorfer unter dem Pseudonym Hans Wolfgang für die AAT verfaßte. Auch ihre Kontakte zu anderen Persönlichkeiten des politischen und kulturellen Exils werden, sofern sie nicht organisatorischer Art im engsten Sinne waren, kaum erwähnt. Elisabeth Freundlich, die faktische Redakteurin des vielgepriesenen Feuilletons der AAT, wird trocken als „Schriftstellerin“ vorgestellt, und damit hat es sich auch. Das macht es natürlich schwer, von einer „spürbaren Kraft“ („a perceptible force“, wie es ein einem von Loidl zitierten OSS-Memorandum heißt) zu sprechen: Denn diese müßte sich doch äußern in dem Einfluß auf andere österreichische Exilierte, und nicht nur in den Mutmaßungen der Zuträger bzw. Konfidenten US-amerikanischer Geheimdienste. Bei Curt Ponger bleibt sein Engagement im Zusammenhang mit dem Exil-Verlag Aurora in New York und der Continental Edition A. Sexl in Wien (wo u.a. Ulrich Bechers und Peter Preses' Posse „Der Bockerer“ erstmals erschien) unerwähnt. Unerwähnt bleiben auch jene Exilierte, die wie ein Friedrich Torberg schon in den USA geradezu mit Schaum vor dem Mund überall Kommunisten am Werk sahen und selbst das OSS von ihren Verdächtigungen nicht ausnahmen. Herausgeberin. Durch die kommentierten Beziehungen des Dichters zu den Künstlern — Leidenschaften, die oft nur kurz auflammten — entsteht eine subjektive Kunstgeschichte en miniature; nicht nur der Vollständigkeit halber, sondern auch um zu zeigen, in welch breit gefächertem Beziehungsgeflecht er mit Architekten, Künstlerinnen und Künstlern in Beziehung stand, hier ihre Namen entsprechend der Reihenfolge, wie sie von der Herausgeberin im Buch vorgestellt werden: Friedrich Kurrent, Johannes Avramidis, Wander Bertoni, Fritz Wotruba, Franz Xaver Ölzant, ArnulfRainer, Maria Lassnig, Elisabeth von Guttenberg-Sterneck, Eduard Bäumer, Herbert Böckl und Arnold Clemtschitsch. Der ausführliche Anhang beinhaltet u.a. ein Verzeichnis all jener Personen, auf die sich Guttenbrunner sonst noch bezieht, Anmerkungen der Herausgeberin, ein Abbildungsverzeichnis, sowie eine Biblio- und Biographie; in letzterer wird leider irrtümlich angeführt, Guttenbrunner habe den IheodorKramer-Preis für Schreiben im Widerstand und Exil erst posthum erhalten. Richard Wall Michael Guttenbrunner über Bildende Kunst und Architektur. Im Auftrag des Robert Musil-Instituts der Universität Klagenfurt, hg. und kommentiert von Angelica Bäumer. Klagenfurt, Graz: Ritter 2014, 213 S. Etwas plastischer wird in dem Buch die Figur Otto Langers, der in der Filmindustrie erfolgreich gewerkschaftlich tatig wurde und 1948 nach einer Vorladung vor den Ausschuß für unamerikanische Aküvitäten gezwungen war, die USA in Richtung Österreich zu verlassen. Bei seinem Abschiedsfest sang Harry Belafonte ein eigens für ihn komponiertes Lied. Man kann sich beim Lesen des Buches des Eindrucks nicht erwehren, der Autor habe sich nicht entscheiden können, ob er einen Beitrag zur Überwachung österreichischer Exilierter durch einen US-Geheimdienst, zur Parteigeschichte der KPÖ oder zur Geschichte des österreichischen Fxils verfassen wollte. Letzteres scheint mir mißlungen. Nicht berücksichtigt ist das von Marietta Bearman, Charmian Brinson, Richard Dove und anderen verfaßte Buch über das Austrian Centre in London (Wien 2004), das eine eingehende Darstellung der Wirksamkeit österreichischer KommunistInnen in Großbritannien bietet und damit auch eine Vergleichsstudie für die USA ergäbe. Auch der Frage, wie weit die österreichischen Kommunisten in den USA in die Konstruktion des Free Austrian World Movement einbezogen waren, wird kaum nachgegangen. Vielleicht hätte sich der Autor auch um die FBIFiles der Protagonisten seines Buches bemühen September 2015 89