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Der Kurzbiographie zu ihrem Lyrikband „Rauchblumen blühen
nicht“ ist zu entnehmen, dass sie von 1953 bis 1978 als „Volksbi¬
bliothekarin“ angestellt war. Ein vertrautes Nest, das sie gar nicht
verlassen wollte, nannte es ihr Vorgesetzter Stephan Horvath.

Musik hat sie sehr geliebt. In seiner [Stephan Horvaths] Familie
wurde viel Hausmusik gemacht, an den Konzerten nahm sie gerne
teil. Um seine drei Kinder hat sie sich sofort gekümmert, sie hat ihre
Geburtstage gewusst und immer gab es kleine, liebe Geschenke.

Sehr befreundet war sie mit seinen verstorbenen Schwiegerel¬
tern, der Familie Wadsack, in Herbert Wadsack, der auch Gedichte
schrieb, und seiner Frau, die malte, hatte sie Gesprächspartner, mit
denen sie sich austauschen konnte.

Es bleiben nur Flecken, an die man sich erinnert, meinte er.
Sie war eine sehr Stille. Sich selbst hat sie nichts gegönnt, aber sie
hat andere unterstützt. Angst hat sie immer gehabt, Angst vor der
Dunkelheit, Angst vor Grobheiten. Auch von Angstträumen hat sie
erzählt, die sie begleiten.

Ihren Vater hat sie sehr gern gehabt,, über ihr Exil in England hat
sie nie gesprochen. Ihr Wissen war enorm, sie war sehr belesen. Ru¬
dolf Fellmayer vom Bergland Verlag, für den sie ja auch geschrieben
hat, war sehr gut mit ihr.

Urlaub hat sie am Anfang mit ihnen gemacht, später war sie dann
regelmäßig in der Steiermark und im Burgenland. In der „Buckligen
Welt“ hat sie sich besonders wohl gefühlt. Bei Bauern hat sie da ge¬
wohnt, sie war eine tolle Beobachterin. Wenn sie über ein Verhalten,
eine Ungerechtigkeit empört war, haben ihre Augen geblitzt.

Sie hatte einen ganz eigenen Humor, man konnte ihn oft schwer
ausfindig machen. Wenn er sie nach dem Urlaub fragte, wie es
war, bekam er immer die Antwort, „lauter alte Leute“, das war ihr
Spruch. In der Hauptbücherei, in der sie immer gearbeitet hat, hat
sie auch ein paar gute Freundinnen gehabt.

Christine Kadlicsck gehörte zu diesem Freundeskreis in der Bü¬
cherei. Wir haben wenig von ihr gewusst, erzählte sie, sie war eine
Generation älter als ich. Sie hat sich nie in den Vordergrund ge¬
drängt, scheu und ruhig, war sie sehr empfindsam und leicht verletz¬
bar. Ihre Kleidung war fast schäbig, sie hat nichts aus sich gemacht.

Ich hab sie sehr mögen, wir waren befreundet. Sie hat alle Ange¬
hörigen verloren, im 38-iger Jahr musste sie gehen, wäre freiwillig
nie gegangen. Ich glaube, sie war politisch tätig und musste auch
deshalb gehen. In England war sie zu Beginn kurzzeitig interniert,
das war sehr traumatisch für sie. Sie litt an schweren Depressionen.

Vom intellektuellen Standpunkt aus war ihr die Meinung der
Männer wichtiger als die von Frauen, den Eindruck hatte ich je¬
denfalls. Manchmal sind wir miteinander essen gegangen, das war
schwierig, weil sie beim Essen so bescheiden, fast minimalistisch war
und auferdem vegetarisch.

Über ihre Gedichte habe ich nie mit ihr gesprochen, die Lyrik ist
nicht meins, vielleicht deshalb.

Auf Flohmärkten war sie öfter. Zufallsgeschenke hat sie gern ge¬
macht, ich hab ihn noch, den Übertopf von der Eva und einen Ei¬
wärmer. Und Eulen haben sie fasziniert, die hat sie auch gesammelt.

Marianne Valipour hat sie erst in der Pension kennengelernt
und hat sie öfter besucht. Auch sie hat in der Hauptbücherei
gearbeitet. Ich kenne sie am besten durch ihre Texte, sagte sie. Sie
war still und beharrlich, ich glaub schon, dass sie mich mochte.
Ich habe sie nicht lange gekannt, aber sie gehört zu den Menschen,
die in meinem Leben verblieben sind. An einem Wochenende im
März 2004 haben sie und acht ihrer Freundinnen Texte von Eva

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Loewenthal handgesetzt. Jede der Frauen suchte „ihr“ Gedicht

aus und fügte als Erinnerung ein Bild hinzu. Der Band trägt den
Titel „MondSchneeSteine“.

Im Sommer stand er steinern

mit ausdruckslosen Augen

im Winter schneeverhüllt

und weiter Stein.

So warteten wir auf eine Botschaft des Frühlings
der Löwe und ich.

Von 1987 an war Eva Loewenthal auch Mitglied des österreichi¬
schen SchriftstellerInnenverbands.

Angelica Schütz, Schauspielerin, hat Gedichte von Eva Loe¬
wenthal oft in das Programm ihrer Lesungen über Exilliteratur
und Frauenliteratur aufgenommen. Einsam war sie immer. Stille
Orte hat sie gesucht, wo sie die Natur beobachten konnte. Sie hat
leise gesprochen, immer gut überlegt, bevor sie etwas sagte, jedem
Satz hat sie nach-gedacht.

Ende der 60iger-Jahre ist das Maimonides-Zentrum dort einge¬
zogen, wo vorher die Internationale Schule war. Susanne Rem¬
mel wohnte Tür an Tür. Zine Bekannte von ihr, Hansi Matiasek,
war eine Freundin von Eva Loewenthal. Auf deren Bemühung hin
ist sie in den 90iger-Jahren ins Maimonides- Zentrum gekommen.
Sie hat sie ihr dann auch vorgestellt, erzählte Susanne Remmel.

Es entstand eine große Nähe. Sie stammte aus einem gutbürgerli¬
chen Haus, prägend war die starke Zuneigung zu ihrem Vater, den
sie als sehr streng erlebt hatte. Auch sie konnte anderen gegenüber
unerwartet streng sein.

Mit Trude Hirschmann, einer Jugendfreundin, die in die USA
ausgewandert war, hatte sie Verbindung, brieflich und telefonisch,
sie war sehr wichtig für sie. Eva war auch graphisch begabt, sie
konnte sehr gut zeichnen, ein Talent. Susanne Remmel blieb an
ihrer Seite und kümmerte sich um all die kleinen und großen
Dinge des Alltags.

In ihrer letzten produktiven Phase begleitete sie der Kunstthera¬
peut Ernst Wittkowski.

Nach aufsen hatte sie mit dem Leben abgeschlossen, eine Strategie,
sich vor Enttäuschungen zu schützen, umso reicher entfaltete sich
ihr inneres Leben. Ihre Gedichte, in denen er auch eine Fortsetzung
ihrer musikalischen Begabung sieht, dokumentieren das. Wie es ihr
schlechter ging, war er eine Mauer, ein Haltegriff, wo sie sich stützen
konnte.

WÄHREND DAS JAHR ZU ENDE BRENNT:

So wenig konnte ich tun,
gegen den Hunger und die tausend Schmerzen
so wenig,

konnte ein Schiff nur falten

und es hinausschicken
auf die Flüsse der Einsamkeiten.

Papieren auch
war die Schwalbe, die ihm voranflog,
an Hoffnung leicht.