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man Österreicher war, obwohl der Staat seit 1938 ja de facto
nicht existiert hat.
Der 1. Artikel der Statuten der Federaciön lautete:

Es wird in der Stadt La Paz die „Vereinigung der freien Österrei¬
cher in Bolivien“ gegründet, eine gesellschaftliche Institution, deren
Aufgabe es ist, alle sich in der Republik Bolivien befindlichen Ös¬
terreicher zwecks Zusammenarbeit und gegenseitiger Unterstützung
zu vereinigen.

Fritz Kalmar hatte auch ein weiteres, vielleicht nicht so nahe¬
liegendes Ziel:

Ich möchte sagen: Einer der wichtigsten Erfolge, die wir mit unse¬
rer Arbeit in Bolivien erzielt haben, war, die ursprünglich negative
Haltung vieler Emigranten gegenüber Österreich in Sehnsucht nach
der Heimat zu verwandeln.

Damit setzte er um, was er selber fühlte: Er hatte weiterhin
eine traditionelle Meinung, was die Bedeutung einer Heimat für
einen Menschen ausmachte. Und in seiner Heimat war er hun¬
dertprozentig integriert gewesen und hatte auch nie vorgehabt,
sie zu verlassen: ‚extra Austriam non est vita. °'

Das Leben der Exilanten nach 1945

Nach dem Ende des Krieges empfanden die Österreicher, dass
sich in ihren Leben wieder mehr Möglichkeiten auftaten. Waren
bis dahin die Geflüchteten in Bolivien geblieben und hatten ihren
Standort höchstens innerhalb des Landes verändert, konnten sie
sich jetzt Gedanken über eine Veränderung machen. Und diese
führten oft dazu, das Land, das ihnen einen sicheren Hafen ge¬
boten hatte, früher oder später wieder zu verlassen.

Ludwig Popper trat mit seiner Familie im September 1947 die
Heimreise an — sie führte über Buenos Aires, Montevideo, Rio
de Janeiro, Dakar, Le Havre, Paris, Zürich — und sie endete erst
am 29. Oktober am Wiener Westbahnhof.

Eine Rückkehr nach Europa war mir zunächst ganz unmöglich
erschienen und ich war aufrichtig gewillt, mich hier einzuleben.
Ich habe aber nach diesen acht Jahren die Überzeugung gewonnen,
dass es fast nicht möglich ist, wenn man nicht für immer auf Dinge
verzichten will, die man aus seiner Erziehung, Veranlagung und
Weltsicht als wertvoll empfindet. Wie etwa den Beruf’ nach ethisch¬
moralischen Grundsätzen auszuüben, seine Kinder qualitativ und
humanitär zu erziehen, menschlichen Kontakt zu ähnlich denkenden
Freunden, zu verlässlichen Menschen zu finden...

Meinen Kindern möchte ich vor allem eine angemessene Erziehung
geben in einem Land, wo es auch etwas anderes gibt als Korruption
und Unzuverlässigkeit.?”

Ludwig Popper verstarb im August 1984 in Oberwart.

Rique Salzmann übersiedelte mit seiner Mutter auf Einladung
eines Cousins der Mutter schon 1946 nach Rio de Janeiro. Rique
arbeitete ein Jahr als Angestellter einer Installationsfirma und
machte sich danach selbständig. Erst mit 88 Jahren hörte er zu
arbeiten auf. Er lebt, heute 92-jährig, weiterhin in Rio.

Die Familie von Ernesto Allerhand überlegte eine Rückkehr
nach Wien. Als alles schon fix zu sein schien, beschloss man, doch
in Bolivien zu bleiben. In den 50er-Jahren ging es den Allerhands
schon recht gut und eine Rückkehr war kein Thema mehr. 1971
übersiedelte die Familie dann nach Buenos Aires.

Aber ich finde es als absolute Tragik für jeden Menschen, nicht
dazuzugehören. Nicht mehr sich freuen zu können, daf das Wun¬
derteam gewinnt. Oder wie mir einst die Hymne etwas bedeutet hat:

34 ZWISCHENWELT

FEDERACION AUSTRIACA EN BOLIVIA

Mittwoch, 4. September 1946, 20,30 Uhr
TEATRO MUNICIPAL

Zur Eroeffnung der oesterreichischen Woche

Festauffuehrung

von

THERESE KRONES

Schauspiel in 4 Bildern von Georg Terramare

Regie: Dr. Georg Terramare Dekorationen: Prof. Walter Sanden

PERSONEN
(in der Reihenfolge ihres Auftretens)

Ferdinand Raimund .. Josef Pasternak
Wenzel Scholz _.... Emst Kalmar
. Ema Terrel
Fred Maletzky
_ Walter Neumann

Therese Krones
Severin Jaroszinsky
Ein Nachtwaechter __.
Heinrich Koenig
Fritz Kalmar

Ein Polizeiagent _ ER
Dr. v. Lichtenfels

Zwischen dem 3. und 4. Bild liegt ein Zeitraum von drei Jahren.

Loengere Pausen nach dem zweiten und dritten Bild,

Salon ADA, Plaza Murillo

Salon Lizzy Weiss, Plaza Murillo 457,
Salon Jenny, Avenida 16 de Julio

R. Calvimontes, Calle Colön,

Salon Marya, Calle Colön

Fäbrica Nacional de Alfombras

Frisuren der Frau Terrel:
Kostueme der Frau Terrel:
Huete der Frau Terrel:
Kostueme der Herren:
Huete der Herren:
Teppiche:

Die Oesterreichische Vereinigung dankt allen Firmen und Personen, die im freundlicher
Weise Moebel und Requisiten zur Verfuegung gestellt haben, sowie allen technischen Helfern.

Naechste Veranstaltungen

UTAMA— ABEND.
Kartenverkauf: Westminster Co, und

Relojeria Juanita, Calle Colön.

Freitag, 13. September 1946, 21 Uhr: 3.

Dienstag, 17. September 1946, 21 Uhr; Vortragsabend
ERNA TERREL—FRITZ KALMAR

Rezitationen, Szenen, Chansons. .
Kartenverkauf; Relojeria Juanita, Plaza Murillo

Sammlung: Roberto Kalmar

„Sei gesegnet ohne Ende ... “ Ich gehöre nicht mehr dazu, und das
ist nicht mehr gutzumachen.?

Ich bin Emigrant geblieben. Ich gehöre nicht nach Wien, ich gehöre
nicht nach Bolivien, ich gehöre nicht nach Argentinien. Zum Glück
kann ich überall leben und atmen und arbeiten und sein.

Ernesto Allerhand lebt in Buenos Aires und wurde im Oktober
2015 91 Jahre alt.

Egon Schwarz gelangte über Chile nach Ecuador, wo es ihm
1948 gelang, die höhere Schule abzuschließen. 1949 ging er an
die Ohio State University. Er arbeitete als Sprachlehrer und stu¬
dierte Deutsche und Romanische Philologie, promovierte 1954
und wurde 1963 Professor an der Washington University in St.
Louis, Missouri. Er gilt in der Germanistik als einer der wich¬
tigsten Vermittler deutschsprachiger Literatur und Kultur in den
Vereinigten Staaten.” Schwarz emeritierte im Jahr 1993. Er wurde
am 8. August 2015 93 Jahre alt.

Die Simkos wollten nach dem Ende des Krieges nach Argen¬
tinien emigrieren. Das war weiterhin schwierig, denn in Argen¬
tinien galt seit 1938 die ,,Circular N° 11“, die unerwünschten
und vertriebenen Menschen (= Juden) die Einreise verwehrte.
Am 20. April konnte Mutter Simko mit Paul in den Zug nach
Buenos Aires steigen, der Vater musste über die grüne Grenze
gehen, weil er kein gültiges Dokument besaß.

Paul Simko lebt heute in Fort Myers, FL/USA. Er ist 88 Jahre alt.

Die Kalmars nach 1945

Für die Familie Kalmar haben sich mit dem Ende des Krieges
keine wesentlichen Änderungen ergeben. Die Federaciön hatte