weiterhin Bestand und bemühte sich nach Kräften, die Bevölke¬
rung in Österreich zu unterstützen: mit dem bei Veranstaltungen
eingenommenen Geld wurden Care-Pakete nach Wien geschickt.
Das muss man sich erst einmal vor Augen führen: Jene Menschen,
die oft nur das nackte Leben hatten retten können, die mittellos
nach Bolivien gekommen waren, haben nach dem Krieg sofort
Hilfspakete „nach Hause“ geschickt.
Aus Österreich war keine Aufforderung zur Rückkehr zu ver¬
nehmen. Nachdem die Federaciön einen Brief an die österreichi¬
sche Regierung geschrieben hatte, antwortete Bundeskanzler Figl,
bedankte sich für eine Spende und bemerkte weiters:
Bei dieser Gelegenheit darfich Sie wohl ersuchen, an alle Österrei¬
cher die Bitte zu richten, die Heimat nicht zu vergessen und darauf
bedacht zu sein, daß aus dem Verhalten jedes einzelnen Österreichers
die Fremde einen Schluß auf Österreich selbst zieht und daher Gesamt¬
Österreich nach dem Verhalten jedes einzelnen beurteilt wird.”
Fritz Kalmar blieb bis 1948 Präsident der Vereinigung und gab
das Amt danach in jüngere Hände.
Am 4. April 1948 starb Georg Terramare. Er hatte bis zuletzt
auf einen Ruf aus der Heimat gewartet, denn er machte sich
Hoffnungen auf die Direktion des Burgtheaters. Eine Gruppe
rund um den Schauspieler Albin Skoda hatte sich, wenn auch
erfolglos, für ihn eingesetzt.
Heinz Kalmar heiratete im September 1948 Mia Lachs. Sie
wanderten im März 1953 nach Montevideo aus.
1952 wurde Fritz Kalmar österreichischer Vizekonsul. Im April
1953 heiratete er die Witwe Terramares, Erna Terrel. Im April
verließen beide La Paz und übersiedelten nach Montevideo. Mutter
Ottilie folgte ihnen.
Ernst und seine Frau Margot hatten in der Zwischenzeit in La
Paz ein Geschäft für Kinderartikel eröffnet, das Margot führen
sollte. Sie hatte aber von Geschäften keine Ahnung, borgte Geld
zu Wucherzinsen; das Geschäft ging schr schnell zugrunde. Das
erfolgreiche Hotel Austria, das Ernst führte, lag in der Nähe des
Präsidentenpalastes, und die Regierung beschloss eines Tages, sich
das Haus, in dem das Hotel untergebracht war, einzuverleiben.
Und das Hotel City gefiel dem Hauseigentümer so gut, dass er es
selber übernahm. Ernst und Margot, sie hatten zwei Kinder, waren
finanziell ruiniert und folgten 1958 der Familie nach Montevideo.
Die gesamte Exilgeneration der Kalmars ist nicht mehr am
Leben.
6 Bieber, Leén E.: Presencia judia en Bolivia. La ola inmigratoria de 1938¬
1940. Santa Cruz de la Sierra: Lewylibros 2010, 48f. (Ubersetzung des Verf.)
7 Wojak, Irmtrud: a.a.O., S. 177.
8 Kirchner, Irmgard; Pfeisinger, Gerhard (Hg.): Weltreisende. Österreicher¬
Innen in der Fremde. Promedia, Wien 1996, 135.
9 Ein Affidavit ist eine eidesstattliche Erklärung und heißt: „(er) hat zu¬
gesichert“; es ist die 3. Person Perfekt von affidare „versichern“, „Treue
versprechen“, „Schutz versprechen“.
10 Kratz, Käthe; Schön, Karin; Gaisbauer, Hubert; Litsauer, Hans (Hg.):
Verlorene Nachbarschaft. Die Wiener Synagoge in der Neudeggergasse —
Ein Mikrokosmos und seine Geschichte. Mandelbaum Verlag, Wien 1999,
S.123 f.
11 Simko, Paul: Simko, Paul: Escape from Disaster. Eigenverlag, USA 2012,
S. 103
12 Kalmar, Roberto (Hg.): Familienbriefe 1939 — 1949, Brief von Mutter
Ottilie Kalmar aus Wien an Fritz auf dem Schiff Pan Norway, 20.03.1939
13 Kalmar, Roberto (Hg.): a.a.O., Brief von Ernst Kalmar aus La Paz an
Fritz auf See, 05.04.1939
14 Kalmar, Roberto (Hg.): a.a.O., Brief von Heinz Kalmar auf See an Fritz
in La Paz, 11.05.1939
15 Sephardim ist die Bezeichnung für Juden, die auf der Iberischen Halbinsel
gelebt hatten und sich nach ihrer Vertreibung 1492 im Osmanischen Reich
und im Maghreb angesiedelt haben.
16 Chiarelo, Leonir Mario (Hg.): Las politicas püblicas sobre migraciones
y la sociedad civil en América Latina. Los casos de Bolivia, Chile, Paraguay
y Pert; Scalabrini International Migration Network, New York 2013, www.
dedihc. pr.gov.br/arquivos/File/LasPoliticasPublicasSobreMIgraciones.pdf,
23.08.2015, S. 36f
17 Douer, Alisa; Seeber, Ursula (Hg.): Wie weit ist Wien. Lateinamerika
als Exil für österreichische Schriftsteller und Künstler, Picus Verlag, Wien
1995, S. 78
18 Benz, Wolfgang (Hg.): Handbuch des Antisemitismus, Bd. 1 Lander
und Regionen, 2008, S. 54f
19 Bieber, Leön E.: a.a.O., S. 192f, (Übersetzung des Verf.)
20 Rocher, Marie Laure: Fritz Kalmar und die „Federaciön de Austriacos
Libres en Bolivia“ (Verein der freien Österreicher in Bolivien, Seminararbeit
an der Université Paris 3 — Sorbonne Nouvelle, Paris 2006, S. 12
21 Popper, Ludwig: Bolivien für Gringos. Exil-Tagebuch eines Wiener
Arztes. Edition lex liszt 12, Oberwart 2005, S. 61ff
22 Erdinger, Regina; Huber, Klaus (Hg.): Ernst Otto Allerhand. Eigenverlag
Stubenbastei, Wien 2008, S. 14
23 Kratz, Kathe u.a. (Hg.): a.a.O., S. 125
24 Douer, Alisa u.a. (Hg.): a.a.O., S. 79
25 Simko, Paul: a.a.O., S. 134ff
26 Simko, Paul: a.a.O., S. 114
27 Bieber, Leön E.: a.a.O., S. 237
28 Trapp, Frithjof u. a. (Hg.): Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters
1933 — 1945. Band 1: Verfolgung und Exil deutschsprachiger Iheaterkünstler.
K.G. Sauer, München 1999, S.453
29 Trapp, Frithjof u. a. (Hg.): a.a.O., S.455
30 Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes: Jüdische
Schicksale. Berichte von Verfolgten. Österreichischer Bundesverlag, Wien
1992, S. 436
31 Saint Saveur-Henn, Anne: América Latina: una nueva patria para exiliados
de habla alemana? In: Rohland De Langbehn, Regula; Vedda, Miguel (Hg.):
Anuario Argentino de Germanistica (2007) III. Actas de las XTV Jornadas
de la Asociaciön Argentina de Germanistas, Mendoza 2006
32 Popper, Ludwig: a.a.O., S. 253
33 Kratz, Kathe u.a. (Hg.): a.a.O., S. 126
34 Erdinger, Regina u.a. (Hg.): a.a.O., S. 33
35 Douer, Alisa u.a. (Hg.): a.a.O., S. 84
36 Brief von Bundeskanzler Leopold Figl vom 9. März 1946 an die FAL