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schau dieses Land ist freundlich

ein Land mit kindischen Erwachsenen
mein Leben, mein Leiden

es ist zum Lachen,

alles nicht ernst

alles kann ich weglachen...

auch das tote Baby in der zerstörten Stadt

kommt, kommt zu den Kindern! rufen sie

die Kinder, die leben, sie brauchen euch, sie brauchen das Lachen
das Singen, das Spielen, ja das ahnen alle

Heide Hammer, Kurto Wendt

ohne geht es nicht!
Es gibt viel zu weinen

Maren Rahmann, geb. 1964 in Hamburg. Seit 1994 in Wien
lebend. Performt, singt, musiziert, komponiert, clownt, dichtet seit
vielen Jahren. Vertonte Gedichte von Jura Soyfer und Theodor Kramer
und trat auch schon bei Verleihungen des Theodor Kramer Preises auf.

„Unser Abteil ist voller Emigranten. Der Zug hält, wir sind an der
Grenze, wir sind nun wirklich in Portugal. Vertreter des jüdischen
Flüchtlingskomitees HICEM stehen am Bahnsteig und warten

auf uns. Jemand wartet auf uns! Jemand kümmert sich um uns.“

Es ist immer Zeit, sich um jemanden zu kümmern, und gerade
ist es auch wieder dringend nötig. Der Weg von Geflüchteten
und MigrantInnen ist umso beschwerlicher, je weniger Mittel
ihnen zur Verfügung stehen, die sicheren, die bequemeren Routen
kosten schlicht mehr. Die Refugees sind es aber, die ihr Recht
auf Bewegungsfreiheit und Schutz vor Krieg und Verfolgung
durchsetzen, ihre Anzahl und ihre Entschlossenheit bewirken,
dass Grenzkontrollen und Dublin-Regelungen außer Kraft gesetzt
sind. Wir alle können zu AkteurInnen werden und dem Ringen
um eine Reorganisierung des EU-Grenzregimes entgegentreten.
Denn sehr anschaulich, sehr nah, eben an den Grenzen Öster¬
reichs nun unzweifelhaft zu sehen, wie der Schutz des nackten
Lebens kommerziell und gewaltförmig organisiert wird und wie
doch die UnterstiitzerInnen wieder kriminalisiert werden. Alte
Worter werden wieder benutzt: Balkanroute. Und gegen Ende
dieser Balkanroute, gen Norden also, nehme die Anzahl der we¬
gen Schlepperei in U-Haft befindlichen Personen auch deutlich
ab.? Immerhin sollen bis November 2015 rund 1000 Personen
in Bayern wegen „Schleuserkriminalität“ in Polizeigewahrsam
genommen worden sein, die Anzahl der Verurteilungen ist dagegen
marginal.” Während also mal Sonderzüge und Busse fahren, dann
wieder gegenseitige Vorwürfe von politischen Repräsentantlnnen
innerhalb der nationalen Grenzen oder in Richtung der Nachbar¬
Innen erhoben werden, die Polizeigewerkschaft über mangelnde
Supervision und überhaupt das Elend der Welt klagt und andere
wieder Zäune bauen, machen AktivistInnen und HelferInnen das,
was zu tun ist. Am 31. August demonstrierten in Wien 20.000
ihre Solidarität mit Geflüchteten, und zugleich wurden am West¬
bahnhof erstmals hunderte Refugees willkommen geheißen und
verpflegt. Schon damit zeigt sich, dass zur selben Zeit viele Leute
nicht nur dieselbe — zugegeben naheliegende — Idee haben, son¬
dern diese auch sofort umsetzen. Essen und Getränke einkaufen
und an die Reisenden verteilen, Informationen weitergeben oder
einen Teil der Reise erleichtern, weil die Anstrengungen dieses
zynischen Agierens der EU und einzelner europäischer Regie¬
rungen mit ein wenig Vernunft und respektvoller Zuwendung
immer wieder durchbrochen werden können. Erinnern wir uns

54 ZWISCHENWELT

Am 17. Oktober 2015 wurde im Schauspielhaus der Münch¬
ner Kammerspiele die GOLDENE LISA an innovative und be¬
deutende Schlepper- und Schleuser Initiativen in verschie¬
denen Kategorien verliehen. Preisträgerlnnen waren Frau
Maria Eitz und die Initiativen „Refugee Air“ und „Erszebeth
Szabo“. Die Preisverleihung fand im Rahmen der 2. Interna¬
tionalen Schlepper- und Schleuserkonferenz statt.

an das erbärmliche Schauspiel, das den ganzen Sommer über in
Traiskirchen geboten wurde und zur eher ungewöhnlichen Ma߬
nahme eines Amnesty International Berichts führte, seltsam auch,
an welchen Orten nun auf die tätige Hilfe von Ärzte ohne Grenzen
zurückgegriffen und JournalistInnen der Zugang verwehrt wird.

Viele Leute hatten also auch die Idee, ihr Auto sinnvoll zu nutzen,
nach Budapest, Györ oder Röszke an der serbisch-ungarischen
Grenze zu fahren und Refugees an einen Wiener Bahnhof zu brin¬
gen, von wo aus die OBB in durchaus vorbildhafter Freundlichkeit
die Weiterreise organisiert. Ein situationsadäquates Agieren einer
sonst so vielfach beschworenen Zivilgesellschaft, die dort kocht,
wo die zuständigen Behörden offenbar bewusst versagen, wie
im Oktober und November in Spielfeld, oder einfach alltägliche
Unterstützungsaufgaben entlang der Reiserouten der Geflüchteten
übernimmt — worunter durchaus auch ein WLAN-Zugang zu
verstehen ist. Neben jenen, die Zeit und Ressourcen aufbringen
können, um diese Unterstützung zu ermöglichen, gibt es selbst¬
verständlich auch eine breite Palette kommerzieller Angebote,
Etappen der unnötig mühsamen und gefährlichen Fluchtrouten.

Bei der 2. Internationalen Schlepper- und Schleuserkonferenz
(ISS)* im Oktober 2015 in München referierte auch Sammy
Kharmis über die „smarten“ Seiten der Flucht, also „Fluchthilfe
über Apps, Schleuserangebote auf Facebook und die ‚demokrati¬
sierte‘ Flucht nur mit Hilfe des Smartphones“, Erlebnisberichte,
Checklisten und weitere nützliche Hinweise für den Weg ohne
Schlepper. Einerseits der gut informierte, mutige und kundige,
zumindest Arabisch und Englisch sprechende, unabhängige, fitte
junge Mann und andererseits der ebenso smarte Schlepper, ein
Geschäftsmann, der das Risiko kennt und die Preisentwicklung
auf diesem hochsensiblen Markt beobachtet. Das Schleppen und
Schleusen scheint als kommerzielles Modell eine Männerdomäne