der auch Ernst Waldinger, Heimito von Doderer, Hermynia Zur
Mühlen oder Stefan Pollatschek publizierte’.
Des weiteren war in „Le Parthenon“ das übersetzte Gedicht
»9.O.S.“ von Konrad Paulis abgedruckt worden. Der Dichter
hieß mit bürgerlichem Namen Paul J. Schiitz und war von Beruf
Direktor der Ersten Österreichischen Spar-Casse.® Von Rudolf
List wurden die zwei übersetzte Gedichte: „Les chömeurs“ und
„Lheure des lampes“ abgedruckt. 1937 lief Rudolf List offiziell
noch irgendwie als sozial engagierter katholischer Dichter. Doch
einige Monate später gehörte er zu den deklarierten Nazis. Wohl
bekam er desshalb 1957, wie vielen gleichgesinnten österreichi¬
schen AutorInnen bis 1971, so auch Paula Grogger, den Peter¬
Rosegger-Preis des Landes Steiermark einbringen sollte. Ebenfalls
wurde „Chanter celle par qui nous sommes des Hommes“ von
Alfred Grünewald abgedruckt. Über diesen ehemaligen Architek¬
ten und Loos-Mitarbeiter ist 2013 ein ausführlicher Aufsatz von
Volker Bühn in ZW erschienen.’ Gedichte Alfred Grünewald sind
übrigens auch 1934 im Saturn Verlag veröffentlicht worden und
zwar in der Lyrik-Anthologie „Österreichische Lyrik der Gegen¬
wart“, herausgegeben von den beiden Mitgliedern des „Bundes
junger Autoren Österreichs“ Robert Barsch und Rosa Schafer.
In der Anthologie waren neben 51 weiteren LyrikerInnen auch
Theodor Kramer und Rudolf List vertreten.
Alfred Grünewald erhielt nach der Befreiung 1945 keinen Li¬
teraturpreis. Rudolf Lists und Paula Groggers politische Freunde
ließen ihn, nachdem ihn die französische Polizei in Nizza verhaftet
hatte, am 9. September 1942 in Auschwitz ermorden. Von Drancy
war eram 7. September mit 1.000 weiteren Juden und Jüdinnen,
darunter ca. 100 Kindern, deportiert worden. Nur 34 Männer
überlebten den Transport Nr. 29 nach Auschwitz.'°
Ich hatte zuvor noch nie etwas über die Zeitschrift „Le Parthe¬
non“ gehört oder gelesen, und wäre in dieser nicht ein Gedicht
von Iheodor Kramer veröffentlicht worden, hätte ich wohl nie
erfahren, dass es diese Zeitschrift gegeben hat. Auf den ersten
Blick ist nicht wirklich ersichtlich, wie es Theodor Kramers Ge¬
dicht in „Le Parthenon“ geschafft hat, einer Zeitschrift, die wohl
auch damals kaum jemand in Wien gekannt haben dürfte. Wenn
man die kopierten und im Archiv der TKG aufgehobenen Seiten
betrachtet, so liest man zuerst einmal die einleitenden Worte
von zwei mir ebenfalls Unbekannten: Pierre Hebert und Pierres
Georges.!! Dann versucht man einen Zusammenhang herzu¬
stellen und kommt darauf, dass „Le Parthenon“ mehr wollte, als
nur LyrikerInnen vorstellen, dass die Publikation eine durchaus
politische Dimension hatte.
Man erfährt in dieser Ausgabe von „Le Parthenon“ wenigstens
einiges über die Literaturzeitschrift selbst, die am 20. Oktober
1911 zum ersten Mal erschienen und von einer gewissen Baronne
Helene Brault gegründet worden war. Diese war die Witwe eines
1904 verstorbenen französischen Marineofhziers und Diplomaten,
der zuletzt als Konsul in Mannheim fungierte. Schon das Ehepaar
Brault hatte im großen Stil, groß genug, damit in den Zeitungen
darüber berichtet wurde, Persönlichkeiten aus der Politik- und
Kulturszene, aber auch Admiräle und Kardinäle zu empfangen
gewusst. Die Witwe setzte die Tradition dieser Empfänge fort.
Zudem organisierte sie über Jahre hinweg literarische Soirees
in ihrer Pariser Wohnung in der Av. Mercedes (heute Av. du
Colonel-Bonnet) im noblen 16. Arrondissement, zu denen sie
neben den Diplomatenkollegen ihres Mannes, Abgeordneten,
Minister und berühmten SchauspielerInnen, wie Eugene und
Louise Silvain von der Comedie francaise, auch alle möglichen
zeitgenössischen AutorInnen einlud. Darunter waren prominente
und unbekannte, junge und alte SchriftstellerInnen. Es kamen
in den Salon, wie man „Le Parthenon“ entnehmen kann, der
Anarchist, Freimaurer und Antifaschist Han Ryner genauso wie
das Mitglied der Académie Francaise Emile Faguet oder die re¬
aktionaren, bzw. ultrarechten Autoren Alfred de Tarde und René
Gillouin. Letzterer gehört um 1916 auch zum Redaktionskomitee
der Zeitschrift und zwar neben bald nicht ganz unbekannten
Schriftstellern wie Guillaume Apollinaire, Georges Duhamel,
Jean Giraudoux, Jules Romains, Valery Larbaud.'? Valery Larbaud
wird übrigens auch zum französischen Beirat von „Le journal des
po£tes“ gehören.
Es heißt, die Baronne sei eines Tages von ihren Gästen überredet
worden, eine Literaturzeitschrift zu gründen. Diese sollte wohl ein
Tempel für die große Förderin, für die moderne Minerva werden,
so lässt sich jedenfalls die Namensgebung erklären. Außerdem
finanzierte jeder, jede prominente und wohlhabende PariserIn zur
Jahrhundertwende eine Kulturzeitschrift, ganz nach dem Vorbild
der bis 1904 existierenden, berühmtesten aller Zeitschriften, der
„Revue blanche“, mit Thaddäus Natanson als Mäzen und Her¬
ausgeber. Zu den „Le Parthenon“-AutorInnen zählten auch schon
recht bald nach der Gründung zwei linke französische Politiker,
die wohl auch Gäste bei der Baronne gewesen waren und die in
Bezug auf Österreich von 1918 bis 1945 eine wichtige Rolle spielen
sollten: Joseph Paul-Boncour und Edouard Herriot.'3 Letzterer
war bei der Gründung der Zeitschrift 1911 neben Pierre Loti,
Maurice Barrés, Romain Rolland auch im Ehrenkomitee der
Zeitschrift gewesen, übrigens neben dem Germanistikprofessor
Charles Andler, bei dem Robert Pitrou an der Sorbonne studiert
hat. Redaktionskomitee, Ehrenkomitee mit linken PolitikerInnen
und AutorInnen und rechten PolitikerInnen und AutorInnen —
scheinbar wollte man das „revue ind&pendante“ (unabhängige
Zeitschrift) im Untertitel besonders betonen, über allen politischen
Lagern stehen, aber auch irgendwie von allen unterstützt werden.
Die Baronne hatte neben ihrer Zeitschrift und ihren Empfängen
auch eine Art Volkshochschule gesüftet, und zwar die „Universite
du Parthenon“, mit vollem Namen „Le Parthenon. Universite
Mondaine Internationale“. Dort fanden meist montags neben
Lesungen und Konzerten Diskussionsveranstaltungen statt. Es
trafen sich FeministInnen und PazifistInnen, letztere sogar mitten
im Ersten Weltkrieg, doch auch Konzerte für Kriegsinvalide wur¬
den organisiert. Man konnte sogar Yogis und sonstige eigenartige
Gestalten Vorträge halten hören. Der Eintritt war immer und für
alle frei. Die erste Adresse der Universität war in der 11bis, Av.
du Suffren, gleich neben dem Eiffelturm. Nach 1918 sollte die
„universit&“ in das große Gebäude des bald aufgelösten „Ih£ätre
Tristan-Bernard“ in der 64, rue du Rocher im 8. Arrondissement
übersiedeln, wo dann schon einmal ein „club franco-americain“
gegründet wurde, dessen Aufgabe es war, Tango-Abende mit viel
Champagner zu organisieren. Ab 1933 wurde die „universite“
aber auch das Zuhause des Deutschen Klubs, der neben dem
Café Mathieu und dem Café Mephisto bald einer der wichtigsten
Treffpunkte für deutschsprachige ExilautorInnen in Paris werden
sollte. Bertold Brecht, Joseph Roth, Walter Mehring, Klaus Mann
trafen sich dort und organisierten Lesungen.'* Auch hatte der