im Pariser Exil als Musikkritiker lebende Paul Walter Jacob im
‘Theatersaal des Hauses am 2. November 1933 ein „Konzert der
Vertriebenen“ organisiert. Sieben Jahre später wird Jacob in Buenos
Aires die „Freie deutsche Bühne“ gründen. Pierre Hebert, der
Neffe der Baronne Brault, war jahrelang Sekretär der „Universite
du Parthenon“. 1937, ein Jahr nach dem Tod der Tante, wurde
er auch Herausgeber der Zeitschrift. Ansonsten ist wenig über
ihn zu erfahren, nur, dass zwei Gedichtbände von ihm erschie¬
nen sind, 1935 „Symphonie breve sur un vieux th&me“ (Kurze
Symphonie über ein altes Thema) und 1955 „La cathedrale“. Er
wird die Zeitschrift bis 1939 herausgeben und 1947 noch einen
Anlauf wagen, der jedoch schnell scheitert.'” Zu Lebzeiten hatte
die Baronne auch Literaturpreise und einen Friedenspreis gestiftet.
Wie sich die Baronne Brault all das leisten konnte, konnte ich
noch nicht herausfinden. Es muss jedenfalls mehr an Vermögen
vorhanden gewesen sein, als eine Witwen-Pension.
L’Action Populaire des Ecrivains et Artistes
Doch nicht nur über die Zeitschrift und ihre Gründerin ist wenig
zu erfahren. Die Gedichte in „Le Parthenon“ wurden in Ko¬
operation mit der „Action Populaire des Ecrivains et Artistes“
(Volks-Aktion der Schriftsteller und Kiinstler), kurz A.PE.A.,
publiziert. Die A.PE.A. war eine Vereinigung, die auf den ersten
Blick in Frankreich vor allem DichterInnen und KiinstlerInnen
aus der Provinz gefordert hat. In ,,Le Parthénon“ steht, dass die
A.PE.A. in mehreren Landern Sektionen hatte, darunter eben
auch in Wien. Doch über eine solche Organisation hörte ich
zum ersten Mal erst in „Le Parthenon“. Ob diese „Action“ mit
der „Action Populaire“ zu tun hatte, die von den Jesuiten 1903
als wissenschaftlicher Verein gegründet worden war, der die ka¬
tholische Kirche mit den modernen Wissenschaften, wie z.B. der
Soziologie, und mit der Arbeiterbewegung versöhnen wollte, kann
ich auch nicht beantworten. Dass es da eine Verbindung gegeben
haben kann, ist nicht auszuschließen und widerspricht auch nicht
meiner Vermutung, dass die „Action“ ebenfalls im Umfeld der
Paneuropa-Bewegung anzusiedeln ist. Vielleicht war sie als ein
Gegengewicht zur 1932 von der KPF gegründeten „Association
des Ecrivains et Artistes Revolutionnaires“ (A.E.A.R.) gegründet
worden. Doch gleich welche Gedanken oder Hintergedanken
es gab, berühmte SchriftstellerInnen und KünstlerInnen hat die
A.PE.A., im Gegensatz zur A.E.A.R., nicht angezogen. Aber
vielleicht kennt ein Leser, eine Leserin der ZW einen Phileas Le¬
besque (wohl noch am ehesten), einen Pierre Georges, Michel de la
Messuziére, eine Louise Bordas oder einen Bernard Roy? Baronne
Braults Zeitschrift scheint jedenfalls eines der Sprachrohre dieser
A.PE.A. gewesen zu sein. Da, wie es in „Le Parthenon“ heißt, der
„groupe Franco-Viennois“ die größte ausländische Sektion war,
schien es nur logisch, dass deren dortige Mitglieder auch einmal
in Frankreich vorgestellt werden mussten. Vielleicht war es so zur
Publikation von „Le dernier noir“ gekommen...
Doch war Theodor Kramer Mitglied einer A.PE.A.? Wohl kaum,
zu bürgerlich wäre ihm diese wohl gewesen. Jedoch hatte er ein
Jahr zuvor seinen Gedichtband „Mit der Ziehharmonika“ in Ernst
Karl Winters Gsur-Verlag herausgebracht, also jenen Band, in dem
ebenfalls „Der Letzte Schwarze“ abgedruckt worden war. Dass es
vielleicht ein Naheverhältnis des „groupe Franco-Viennois“ der
A.BE.A. und der „Aktion Winter“ gegeben hat, ist nicht auszu¬
schließen. Doch zur „Aktion Winter“ etwas später.
Le groupe Franco-Viennois
Zuständig für diesen „groupe Franco-Viennois“ waren der we¬
nig bekannte Pierre Georges und die berühmte Chanteuse und
Diseuse Marya Delvard. Über Pierre Georges konnte ich fast
nichts herausfinden, außer, dass er viel schrieb. Ich habe nach
dem Vergleichen seiner Texte vorläufig einmal die Theorie auf¬
gestellt, dass es sich bei ihm um den Geographen Pierre George
handeln könnte. Das politische Engagement würde jedenfalls Sinn
machen. Dieser Geograph wird in den 1950er-Jahren für seine
Sachbücher über die Sowjetunion bekannt werden. 1937 war
er gerade frisch gebackener Lehrender und Mitglied der linken,
überparteilichen und antifaschistischen Organisation „Comite de
vigilance des intellectuels antifascistes“ (Wachsamkeitskomitee
antifaschistischer Intellektueller), in der auch Alain oder Paul Nizan
waren. Pierres Georges (oder George) wird den ganzen Beitrag
in „Le Parthenon“ über die österreichischen Dichter redigieren
und zu jedem Gedicht eine kurze Einleitung schreiben, so z.B.
zu Iheodor Kramer:
‚Le Dernier Noir’, poeme realiste de THEODORE KRAMER nous
plonge a nouveau dans le géhenne ot nous nous débattons. („Der
letzte Schwarze“, das Gedicht von Theodor Kramer stößt uns mit
seinem Realismus erneut in jenen Abgrund, mit dem wir ringen...)
Pierres Georges schrieb sehr begeistert über Wien und Österreich.
Wien wird als internationale, polyglotte Stadt beschrieben, die
bald das Zentrum der hoffentlich schnell noch entstehenden
„Vereinigten Staaten von Europa“ sein könnte. Österreich befindet
sich in einer bedrohlichen Situation, da Stalin, Hitler, Mussolini
jeweils danach greifen. Somit gilt es, das Land und seine Bewohner¬
Innen im Kampf um ihre Unabhängigkeit zu unterstützen. Dass
in „Le Parthenon“ die Gedichte von Kramer, List etc abgedruckt
wurden, sollte jedenfalls helfen, das Land in Frankreich bekannter
zu machen. Lyrik als Akt der Völkerverständigung. Gleichzeitig
wird anhand der Gedichte auch auf die düstere soziale Realität
in Österreich hingewiesen. Wir dürfen nicht vergessen, dass ge¬
rade die dem „Le Parthenon“ nahe stehenden Politiker Joseph
Paul-Boncour und Edouard Herriot sich wahrend ihren Regie¬
rungszeiten um giinstige Anleihen fiir die Alpenrepublik, also
für die wirtschaftliche Stabilität Österreichs eingesetzt haben.
Österreichwerbung und Unterstützung im Sinne dieser beiden
Politiker, dies dürfte meines Erachtens der Grund für den Beitrag
„Quelques poetes Viennois contemporains“ (Einige zeitgenössische
Dichter aus Wien) in „Le Parthenon“ gewesen sein.
Mit dem Hinweis aufdie „Vereinigten Staaten von Europa“ wird
auch die Nähe zur oder zumindest die Sympathien des Autors für
die Politik der Paneuropa-Union Richard Coudenhove-Kalergis
zum Ausdruck gebracht. Und wenn man die seit 1927 existierende
französische Sektion der Union betrachtet, so wird man sehen,
dass deren wichtigsten Aushängeschilder aus der Politik Joseph
Paul-Boncour und Edouard Herriot waren. 1927 betätigte sich
der langjährige Finanzminister und linksliberale Politiker Etienne
Clementel als ein weiterer wichtiger Repräsentant der Politik im
Vorstand der Union. Dieser wird wegen seiner Reformen der
Bürokratie heute noch in Frankreich als „Vater der Technokratie“