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besorgniserregend anhören würde, jedoch während des Austro¬
faschismus sicherlich eine mutige Position darstellte. Ernst Karl
Winter ging es in erster Linie darum, die Nazis zu bekämpfen,
ein Kampf, der zumindest noch anfangs von den Austrofaschis¬
ten toleriert wurde. Auch in seiner Verlagsarbeit als Inhaber des
Gsur-Verlages, der eine Zeit lang übrigens im Vorwärts-Gebäude
an der Rechten Wienzeile seinen Sitz hatte, kam seine politische
Einstellung voll zum Ausdruck. So publizierte er 1935 gleich mit
den ersten beiden Büchern seines Verlags die deutschen Exilautor¬
Innen Walter Mehring (Müller. Chronik einer deutschen Sippe.
Roman) und Hermynia Zur Mühlen (Unsere Töchter, die Nazi¬
nen). Drei Bücher später erschien schließlich Theodor Kramers
Gedichtband „Mit der Ziehharmonika“.

Einer, der Ernst Karl Winters Aktivitäten schr gut beschrieben
hat, war G.E.R. Gedye in „Als die Bastionen fielen“:

Winter war ein merkwürdiger Charakter, ein religiöser, nichtmar¬
xistischer Sozialist, monarchistisch und liberal zugleich, ein Mann, der
es mit den Arbeitern wirklich gut meinte. Er erreichte natürlich nichts
[...] Tatsächlich besaß aber Winter kaum mehr politische Urteilskraft
als Schuschnigg. Er war besessen von dem Gedanken, die sozialistischen
Arbeiter zur Unterstützung einer Habsburgerrestauration bewegen zu
können, und unternahm eine Reihe von Reisen nach London, Paris
und anderen Städten, um Liberale und Sozialisten im Ausland für
seinen Plan zu gewinnen.“

Ernst Karl Winters Einsatz für ein demokratisches Österreich
führte dazu, dass er trotz bester Beziehungen, u.a. zu Diktator
Schuschnigg, gleich nach dem Juli-Abkommen 1936 seinen Posten
als Vizebürgermeister von Wien verlor. Im März 1938 musste Ernst
Karl Winter schließlich so schnell wie möglich das Land verlassen.
Er brach, getarnt als Pilger, von Graz aus auf und überquerte die
Schweizer Grenze am 18. März. Aus der Schweiz wurde er bald
in Richtung Frankreich abgeschoben.” Behilflich auf der Flucht,
die weiter in die USA ging, war ihm Joseph Paul-Boncour, der
ausgerechnet am 13. März 1938 französischer Außenminister
geworden war, dies leider zu spät, um sich für Österreich noch
einsetzen zu können. Er blieb auch nur recht kurz im Amt, da
seine Regierung am 10. April 1938 wieder zurücktrat... Joseph
Paul-Boncour gehört übrigens zu jenen wenigen sozialistischen
Parlamentariern, die sich 1940 von Anfang an gegen die Kollabo¬
rationsregierung Pétains stellten. Von der Gestapo gejagt, wird er
von den WiderstandskämpferInnen im Lot gerettet werden. 1948
gehörte er in Genf schließlich zu den Autoren der „Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte“. Auch Edouard Herriot, 1937
Bürgermeister von Lyon und in den Jahrzehnten zuvor mehrfach
Regierungschef, wird sich ab März 1938 für die ÖsterreicherInnen
im französischen Exil einsetzen: Er wird im Dezember 1938 die
Patronanz über die „Liga für das Geistige Österreich“ (Ligue
pour l’Autriche Vivante) übernehmen und im Dezember 1945
Präsident der Gesellschaft der Freunde Österreichs (Union des
amis de l’Autriche) werden.

Le dernier noir

Was Theodor Kramers ,,Der letzte Schwarze“ in einer 1937 er¬
scheinenden französischen Kulturzeitschrift knapp 80 Jahre spä¬
ter noch alles an Schlüssen und Querverbindungen ermöglicht!
Man kann wahrscheinlich noch viel mehr bezüglich Theodor
Kramers Überleben als Dichter nach 1934, der internationalen

LE DERNIER NOIR

ou pour traduction parfaite: La derniére tasse de cafe
de Th. Kramer.

Quand mes souliers seront completement éculés

et que mon pantalon aura des franges,

Apres mon dernier repas, jentrerai dans un cafe.
Jy entrerai sans affection,

comme si je navais pas erré

longtemps et désceuvré a travers la ville.

Je massoierai dans mon coin, selon le rite ancien,
Je massoierai naturellement, exactement comme si
je ne percevais pas le sursaut étonné du garcon

Naturellement, sans apparente émotion

jhumecterai mon gosier de la noire liqueur riche et parfumée.

J humecterai mon gosier, qui depuis longtemps manquait dune
chaude gorgee.

Je prendrai mon journal habituel.

Je le parcourrai, ligne a ligne, page a page, sans voir les regards
qui me détailleront de la téte aux pieds, curieux et peut-étre

réprobatifs...

Longtemps, longtemps je gotiterai la chaleur bienfaisante,
mincrustant dans la banquette qui sappuie au mur et qui
sent le vieux varech...

Une fois encore ma main saisira la tasse blanche.

Encore une fois, — moi a qui plus rien ne réussit — je me sentirai
quiet jusque en mes derniers replis... exactement comme un
homme qui va au café... Et puis, avec ma derniére piece je
paierai et donnerai en plus, un pourboire, comme tout le monde.

Devant la porte du petit café,
le crépuscule colorera de bleu les paves...
les pavés qui conduisent au fleuve.

‘Theodor Kramer: Le dernier noir. In: Le Parthénon. Revue
indépendante. Jg 25. Nr. 4. 20. Marz 1937, 94.

Rezeption seiner Arbeit erfahren, sowie vor allem über die poli¬
tischen Zusammenschlüsse rund um die Bemühungen, den Fall
der „Bastionen“ gegen Hitlers Deutschland, wie G.E.R. Gedye
die Schweiz, Österreich und die Tschechoslowakei nannte, auf¬
zuhalten. Es zeigt sich, dass man sich in Paris nicht nur um die
österreichische Literatur bemüht, sondern auch auf der Ebene
der Literatur Politik für Österreich betrieben hat, eine Politik, die
zumindest bis 1939 auch den vielen tausenden österreichischen
Flüchtlingen zugute kommen sollte.

Nach der Befreiung wird einer der engsten politischen Mitar¬
beiter und Freunde Edouard Herriots seit den 1920er-Jahren,
der Germanist, Essayist und Diplomat Marcel Ray, die „graue
Eminenz“ der französischen Verwaltung in Wien werden. 1946
wird er offiziell den Posten des Direktors der französischen Di¬
vision de I’Information antreten und somit zuständig für den
kulturellen und wissenschaftlichen Austausch zwischen Österreich
und Frankreich und gleichzeitig für die ganze österreichische
Medienlandschaft sein. Als ehemaliger Journalist kannte er sich

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