mit seinem „interregionalen Instrukteur“ der TA, zuweilen auch
mit französischen Resistance-Angehörigen. Ihnen übergibt er die
Ergebnisse seiner Spionage-Arbeit, die den Widerstandsaktivitäten
der TA in vielfacher Weise zugute kommen.
Ludwig Beer muss dabei immer wieder brenzlige Situationen
überstehen. So im Herbst 1942 in Nancy: Obwohl für kurze
Zeit bereits verhaftet, kann er mit großem Glück noch einmal
entkommen.
Ludwig Beer geht im Februar 1943 als „französischer
Fremdarbeiter“ zurück nach Wien’?
Der Sieg der Roten Armee in der Schlacht bei Stalingrad löst auch
bei Ludwig Beer und seinen Genossen Euphorie aus. Die Führung
der österreichischen Kommunisten in Frankreich kommt Ende
1942/Anfang 1943 zur Ansicht, dass nun auch der Zusammen¬
bruch der NS-Herrschaft im Inneren unmittelbar bevorstehe.
Es sei daher hoch an der Zeit, die politischen Aktivitäten ins
eigene Land zu verlagern, den Widerstand vor Ort aufzubauen
und zu stärken. Mehrere Genossen sollen in die „Ostmark“ hin¬
eingeschickt werden und sich dann an die Spitze der Bewegung
setzen, etwaige Streiks, Demonstrationen und Revolten anführen.
Die kommunistischen Führungskader rechnen also für die il¬
legale Tätigkeit mit einer nicht allzu langen Dauer, in der sich
die Aktivisten zudem auf einen anwachsenden Rückhalt in der
einheimischen Bevölkerung würden stützen können. Ludwig Beer
und auch die anderen Genossen teilen diese Gesamteinschätzung.
Diskussionen über die Angemessenheit dieser beabsichtigten Vor¬
gehensweise gibt es nicht.
Die Aktivisten sollen legal, aber mit einer falschen Identität nach
Wien gehen. Dort werden sie dann „normal“ leben — getarnt als
französische „Fremdarbeiter“, die aus dem Elsass stammen — und
parallel dazu politisches Engagement entfalten. Ludwig Beer,
mittlerweile 24 Jahre alt, erklärt sich mit diesem geplanten Einsatz
einverstanden. Freiwillig. Ohne jeden Zwang oder Druck. Der
Entschluss, bereits Anfang 1943 als Widerstandskämpfer nach
Wien zurückzugehen, markiert die dritte wichtige Weichenstellung
im politischen Leben von Ludwig Beer.
Sieht er das Risiko nicht? Eine Kombination aus Tapferkeit,
Selbstaufopferung und Härte schließt zu diesem Zeitpunkt für
junge Kommunisten immer den Einsatz des eigenen Lebens mit
ein. Stellt sich jedoch möglicherweise die Frage nach dem Risiko
für Ludwig Beer ganz anders?
Den unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch des Nati¬
onalsozialismus im Inneren schen Ludwig Beer und seine Ge¬
nossen in einem breiteren Zusammenhang. Für sie wird dies
zugleich der „letzte Kampf“ in einer großen weltgeschichtlichen
Auseinandersetzung sein, einerseits zwischen dem aufstrebenden
Kommunismus — wie es in ihren Augen die Ereignisse in Stalingrad
unterstrichen haben — und andererseits dem seit mehr als fünfzehn
Jahren krisengeschüttelten Kapitalismus, als dessen Teil sie auch
den herrschenden Faschismus begreifen. Und Ludwig Beer ist als
gläubiger Kommunist durch und durch überzeugt: Er und seine
kommunistischen Freunde werden aus diesem „letzten Kampf“
als Sieger hervorgehen. Dann werden sie endlich den neuen so¬
zialistischen Staat nach dem Vorbild Moskaus aufbauen können.
Wenn nun der „letzte Kampf“ gemäß der Einschätzung der
Kommunisten tatsächlich unmittelbar bevorstehen soll, dann
will Ludwig Beer diesen unbedingt in Wien führen. Hier glaubt
er, nach wie vor politisch vertrauten Boden vorfinden zu können.
Aber auch persönlich sieht sich Ludwig Beer nach fünfjähriger,
erzwungener Abwesenheit weiterhin als Wiener schlechthin. In
Wien leben nach wie vor seine Mutter, seine Tante, seine Onkel,
seine Cousins und Cousinen. Im Laufe des Jahres 1942 schreibt
er einem befreundeten Genossen aus Wien in dessen englisches
Exil: „Zur Erinnerung an die gemeinsamen Jahre des Kampfes
und auf ein Wiedersehen beim Freiheitskampf um unsere Heimat.
ROT-FRONT. Louis.“
Ludwig Beer aktiv im Widerstand. Gestapo¬
Haft, Folter und Hinrichtung!®
Mitte Februar 1943 kommen Ludwig Beer und weitere Aktivisten
in einem Sonderzug für französische „Fremdarbeiter“ nach Wien.
Doch schon bald folgt die erste Panne.
Ludwig Beer erkennt aufdem Arbeitsamt in einem Gestapo-Be¬
amten einen früheren Gefängniswärter aus seiner Haft 1937/1938
im Landesgericht und fühlt sich von diesem auffällig beobachtet.
Er entschließt sich zur Flucht und muss ab jetzt illegal weiterle¬
ben. Noch wird er sich mehrere Monate halten können, dank der
Unterstützung seiner Genossen und auch seiner Familie. So findet
er ab Anfang März 1943 bei seiner Tante Anna Ecker Zuflucht.
Die ersten Wochen in Wien bringen weitere Enttäuschungen.
Schon kurze Zeit nach ihrer Rückkehr müssen Ludwig Beer und
seine Genossen zur Kenntnis nehmen: Die Hoffnung aufeinen
baldigen Sturz der NS-Herrschaft hat sich als trügerisch erwie¬
sen. Enttäuscht und überrascht zugleich berichtet eine Kurierin
der Leitung der österreichischen Kommunisten in Paris von der
Stimmung in Wien: „Ich muss euch etwas sagen. Die Österreicher
fühlen sich gar nicht besetzt!“”
Andererseits hat die Gruppe um Ludwig Beer inzwischen im¬
merhin einige der angepeilten Teilziele erreicht. So ist es gelungen,
Kontakte zu Aktivisten in mehreren Wiener Betrieben herzustellen
und diese für eine Mitarbeit zu gewinnen. Ebenso konnte ein
zentraler Apparat für die Verteilung von Flugschriften eingerichtet
werden. Tausende Flugblätter können im Frühsommer 1943 in
Umlauf gebracht werden.
Mitte Mai 1943 muss die Gruppe einen schweren Schlag hin¬
nehmen. Ihr Kopf, Josef Meisel, wird verhaftet; den wochenlangen
Folterungen durch die Gestapo hält er aber stand. Ende August
erfolgt durch internen Verrat auch die Verhaftung von Ludwig
Beer und weiteren Aktivisten. Insgesamt werden mindestens 56
Personen festgenommen. „... nach der Verhaftung wurde mir
auch bewusst, welch großer Fehler es gewesen ist, eine zentral
geführte Organisation aufbauen zu wollen. ... Es rächte sich
die zentralistische Zusammenfassung. Es rächte sich die falsche
Orientierung auf eine kurze Perspektive“, so die Bilanz von Josef
Meisel Jahrzehnte später im Interview.”!
Bereits bei seinen ersten Einvernahmen ist Ludwig Beer „fürch¬
terlichen Folterungen“”* ausgesetzt. Nach mehreren Wochen Haft
und Folter in der Gestapo-Zentrale am Wiener Morzinplatz wird
Ludwig Beer Anfang Oktober 1943 in das Polizei-Gefangenenhaus
an der Roßauer Lände überstellt.
Ludwig Beer ist von der Folter schwer gezeichnet. Sein Körper
und sein Kopf sind übersät von Schlagwunden. Sein Immun¬
system ist extrem geschwächt. Entlang der Hautverletzungen
dringen Bakterien in seine Haut ein. So erkrankt Ludwig Beer an
Furunkeln. Zudem zieht er sich eine weitere Infektionskrankheit,