OCR Output

eine späterer Finanzminister, dann Rapid-Präsi¬
dent, der andere dann Generalsekretär der Ge¬
sellschaft für österreichisch-arabische Beziehun¬
gen. Aber auch deklarierte Konservative waren
da, bevor sie Karriere machten, nicht selten mit
der gesamten Familie, wie der steirische Kultur¬
landesrat und Landeshauptmann-Stellvertreter
Kurt Jungwirth.

Die Liste ist bei weitem nicht vollständig.
Aber das Bild wäre jedenfalls nicht annähernd
rund, ohne noch zwei zu nennen, einen davon
mit Namen: den Schriftsteller Franz Innerhofer,
dessen erster Roman „Schöne Tage“ Weltlite¬
ratur ist und dem nicht lange danach — wie es
Karl-Markus Gauß einmal treffend formulierte
— „der literarische Totenschein ausgestellt“ wur¬
de, „als wäre die natürliche Ordnung dadurch
wiederhergestellt, dass der Knecht, den es hoch¬
mütig gereizt hatte, Dichter zu werden, wieder
in sein Elend zurückkehren“ sollte. „Wenns ihm
schlecht gegangen ist“, so erzählte Erich, „ist er
ums Haus getobt und hat Milch verlangt.“ Oder,
so Rosi: „Er hat um zwei Uhr früh angerufen
und Erich elendslang ans Telefon gefesselt.“

Kitzmüller weiß und wusste, dass ein we¬
sentlicher Teil des gesellschaftlichen Denkens

in Literatur und Kunst stattfindet, und nicht
nur wir alle, sondern wohl auch jeder einzelne
von uns wäre ohne Literatur und Kunst verloren.
So war er auch Franz Innerhofer gegenüber ein
fruchtbarer Anreger und guter Freund.

Der andere, der noch erwähnt werden muss,
soll nicht namentlich genannt werden. Ein nicht
gerade niedrigrangiger Katholik, mit dem Erich
mehrere Bücher gemeinsam geschrieben hat.
Der viele Jahre lang jeweils einige Wochen bei
Erich und Rosi sozusagen auf Kur war, geistig
und körperlich, quasi selbstverständlich sein
Zimmer im Untergeschoß hatte, sich von Rosi
bekochen ließ und mit Erich geistig auseinan¬
dersetzte - um dann eines Tages plötzlich von
heute auf morgen kommentarlos zu verschwin¬
den. Ohne ein Wort des Dankes oder Abschieds
zu hinterlassen. Oder der Begründung. Bis heu¬
te. Auch so was gibt's.

Erich wollte sich nie seine Verletzung anmer¬
ken lassen. Mehrere Monate nach dem kom¬
mentarlosen Auszug schrieb Rosi diesem Mann
einen Brief, sie selbst sei auch jemand — „Wenn
du auf Erich böse sein solltest, warum schließt
du mich ein? Was hab ich Dir getan?“ — Keine
Antwort.

Erich Kitzmüller lebt seit gut zwei Jahrzehnten
von einer bescheidenen Pension — mit seiner
Lebenspartnerin Rosi, ohne deren selbständig
erworbene Pension das Leben schwierig wäre.
Leider fiel es beispielsweise den Grünen nie ein,
ihn einzubinden in die umfangreichen Mög¬
lichkeiten parteinaher, finanziell einigermaßen
passabler Aufträge, Arbeiten, Studien, Vorträge
usw. Die Ahnungjlosigkeit gegenüber der eige¬
nen Vergangenheit und deren Geringschätzung
ist eben nicht nur eine Sache der ehemaligen
Großparteien.

Erich Kitzmüller hat nie darüber geklagt.
Er lebt bescheiden und ohne Allüren, immer
wieder sich einmischend nach bestem Wissen
und Gewissen in die Grundfragen des Zusam¬
menlebens. In den letzten Jahren, Jahrzehnten
mit den Schwerpunkten Geld- und Finanzpo¬
litik, bedingungsloses Grundeinkommen und
Europapolitik. Ein unbequemer, unabhängiger
und unbestechlicher Geist. Wir bräuchten mehr

davon.

Foto: Marjo Deutsch — Auf Initiative von
Georg B. Deutsch wurde am 19. April 2016
am Haus Belvederegasse 10, 1040 Wien,
eine Gedenktafel für den Schriftsteller und
Journalisten Soma Morgenstern enthüllt.
Morgenstern lebte von 1912 bis zu seiner
Flucht im März 1938 in Wien an häufig
wechselnden Adressen, am längsten

aber, 1934-38, in der Belvederegasse. Die
Enthüllung nahm Morgensterns Sohn Dan
Morgenstern vor, der als ein führender
amerikanischer Jazzforscher, -historiker,
-musiker und -kritiker in den USA lebt.

Die Gedenktafel wurde durch Spenden
finanziert — u.a. von Oskar Bronner, Barbara
Coudenhove-Kalergi, Georg B. Deutsch,
Karl-Markus Gauß, Andre Heller, Peter Stefan
Jungk, Helene Maimann, Eva und Robert
Menasse, Doron Rabinovici, Robert Schindel.
Bei der folgenden Veranstaltung der
Österreichischen Gesellschaft für Literatur
im Jüdischen Museum der Stadt Wien
erinnerte sich Dan Morgenstern noch sehr
lebendig an die Jahre in der Belvederegasse,
so auch daran, daß er sich erbrechen
mußte, als Alban Berg ihm eine Aufnahme
kakophoner Musik vorspielte - woraus Alban
Berg erfreut den Schluß zog, der Knabe
besitze feines musikalisches Gehör.

Über Soma Morgenstern und Frankreich
sprach Jacques Lajarrigue (Toulouse), über
Morgenstern und Wien G.B. Deutsch. — Auf
den von Deutsch eingerichteten und betreuten
Webseiten (soma-morgenstern.at) kann
man sich umfassend über Leben, Werk
Morgensterns (1890 — 1976) informieren.

Mai 2016 87