Avete Auf die Plätze: Esst
meinen Papier-Leib
Brot und Wein
Er vollführt
Akrobatik
ganz ohne Netz
hoch überm Abgrund
schreibt er
eingespannt wie der Arbeiter
der den Sims
mit Kelle und Putzbrett
ins Gleichmaß bringt
Schlaf - Findelhaus der Träume
Wie wenn du im Schlaf ein Mädchen triffst
das dich bittet, es auf deinen Armen ans jenseitige Ufer zu tragen
und du wachst auf
mit dem Glücksgefühl:
Gott hat dich noch nicht vergessen.
Er hängte sein Leben an den Torpfosten
Was hat Lakis Sofianos
wohl gedacht am letzten Abend
in seiner Zelle
als sein Leben
auf der glanzlosen Leinwand
seiner Erinnerung
vorüberglitt?
Den Spielplatz auf der Gstettn hat das Kind ohne Vater
zum prächtigen Stadion erweitert
ein gehetzter Stürmer, der bald zu stehlen lernte
um durchzukommen
Bei einem der Spiele
ließ er auch die Börse
des Schiedsrichters verschwinden
Dem Stopper warf er eine Handvoll Erde
in die Augen und machte das Tor
An jenem legendären Nachmittag
holten ihn die Gendarmen in Handschellen aus seiner Zelle
damit er im Schlagerspiel zwischen AEK und PAO dabei sei
AEK siegte mit zwei Toren Unterschied
dank seines Könnens!
Doch gleich danach führte man ihn wieder ab
brachte ihn zurück in das schwarze Loch
(Die Siegesfeier gebührte den anderen)
Später fanden sie ihn
in seiner Zelle, den Verbitterten
erhängt an den Schnürsenkeln
die er mitgehen hatte lassen
Wir aber haben noch keinen Psalm gesungen für ihn
noch keine Messe gehalten für seine ewige Ruhe
für den Meteor seiner Seele
Jannis Kouvards, geb. 1950 in Astros am Peloponnes (Arkadien¬
Kynouria), war dreieinhalb Jahrzehnte Lateinprofessor am Lyzeum
in Athen und führt gegenwärtig das familieneigene „Sun-Hotel“ in
Kineta, einem Badeort zwischen Megara und Korinth. Er publizierte
mehrere Gedichtbände in der Nachfolge von Jannis Ritsos, u.a. „Doritis
Somatos“ (Organspender), „Tou Erota ... kai tou Erota“ (Eros ...
und wiederum Eros); „Messa thalassa“ (Das Meer in mir), „Oneirou
odysseia (Geträumter Odysseus). In seinen Essays und Features be¬
schiftigt er sich mit Philosophie, Literatur und Geschichte. Er schrieb
über die griechisch-jüdischen Widerstandskämpfer Marcel Natzari
(Chronik 1941-45) und Markos Nachön. Yannis Kouvaras‘ Ehefrau
verfasste eine Geschichte der jüdischen Gemeinde in Thessaloniki in
den Jahren der Nazidiktatur 1941-44. Mit Österreich verbindet
Yannis Kouvards neben mehreren Aufenthalten eine intime Kenntnis
der österreichischen Kultur und Gesellschaft. Sein Gedicht „Er hängte
sein Leben an den Torpfosten“ ist auch eine indirekte Anspielung an
österreichische Fußballerlegenden.
Die Gedichte Poesie, Homo Faber, Tränen des Herbstes, Der
Dichter, Schlaf—Findelhaus der Träume wurden dem Band „Doritis
Somatos“, Ekdoseis Plethron, entnommen. Die Gedichte Die Zeiten
der Mörder — die Zeiten der Unschuld, Die Frau im Spiegel der
Erinnerung, Die heilige Eucharistie stammen aus dem Band „Tou
Erota ... kai tou Erota“; Ex hängte sein Leben an den Torpfosten
ist aus „Messa thalassa“, Ekdozeis Gabrielides.