OCR
Konstantin Kaiser Lobau Verwandie Siglindes betrieben eine Gärtnerei in der Lobau. Sie war in den Sommermonaten oft bei ihnen. Sich ganz langsam mit dem Finger ans Aug fahren an dem Finger ein weißer Tropfen in dem weißen Tropfen ein Leben Schwarzes Fahrrad, übergroß an den Zaun gelehnt, jetzt erreicht sie schon die Pedale, hängt auf der Sattelstange rumpelt über den sandigen Landweg zum Greißler oder zum toten Donauarm. Ein Vierteljahrhundert später werfen zwei Buben aus Langenzersdorf an dieser Stelle einen mit Wasser gefüllten Plastiksack nach ihr weil sie schwanger und nackt ist Sie hingegen tragen Badehöschen Konstantin-Bulldog stößt vor auf die erschreckten Buben Sie rennen, holen sich blutige Striemen im Gehölz Buben-Mutter kommt, Akademikerin, Siedlingshaus, sich beschweren Siglindes Fahrrad über den Dünen ihr Tigerhaar noch kinderhell hinterher in lockerem Trab der Hund Eines Nachts im Auwald wird ihn der Jäger erschießen Siglinde, kann sie sich selber entdecken unter den allzu offenen Augen ihrer Verwandten in der Nacht etwa in der die Kohlköpfe barsten ein naß gewordenes Feuerwerk? 46 ZWISCHENWELT „Eiserne Zeit“ — das Gasthaus am Naschmarkt Siglinde war als Tochter einer Wirtin „mitarbeitende Familienangehörige“. Wenn die Bauarbeiter aus der Steiermark mit denen aus Kärnten zusammentrafen beim Warten auf ihre Busse am Freitag galt es, das Mobilar zu schützen, die alten "Thonet-Stühle hätten das nicht überlebt Manchmal wurde mit Messern gefuchtelt, mit abgebrochenen Flaschen. Siglinde verhinderte, daß ich eingriff. Ich sollte gehörigst die Sache ihr überlassen. So blieben mir einige Dinge erspart. Manchmal jedoch stand sie einfach nur mit strahlenden Augen hinter der Theke. Eingebrochen wurde öfters. Das Schlimmste war die Verwüstung. Der sanfte Riese Leo brach einem Angeber beim Tischplattendrücken zwei Finger, während die kleine blonde Prostituierte sich friedlich in ihrer Pause die Melange und das Kipferl gönnte. Fern von der Budel, ganz hinten im Halbunkel saß gern der literarische Kiebitz und schrieb das Leben mit oder was er dafür hielt Am mühsamsten war das Abschließen, das Wegund Einräumen, das Zählen des Geldes, das Bodenaufwischen Einkühlen des Biers für den nächsten Morgen, Verstecken des Wechselgeldes, Nachfüllen des Ofens. Um danach nicht in bleiernen Schlaf zu fallen mußte man noch irgendwo hingehen Wie gern hätte sie weiter getanzt Wie gern hätte sie weiter getanzt mit federndem Schritt auf den Zehen Wie gern hätte sie weiter getanzt als am Ende der Ballettschule die Wahl offen stand als Elevin in die Aufzüge der Staatsoper zu gehen Wie gern hätte sie weiter getanzt als statt des Unterrichts verkleidet der Tanzschulleiter kam mit weißem Bart und jedem Kind ein Päckchen reichte das die Eltern abgegeben hatten Nur ihre Mutter hatte vergessen Wie gern hätte sie weiter getanzt als die Tanzschulleiterin erklärte großgewachsene flachsblonde Dame sie müsse schlimm gewesen sein weil der Nikolo ihr nichts brachte