jenen, die keine religiösen Bezüge mehr fordern. Betroffen sind vor
allem die Logen des Großorients von Frankreich und von Belgien.
1933 Leo Müffelmann, Mitglied des A.A.S.R. in Österreich
und Deutschland und aktiver Gegner der Nazis, wird wegen Zu¬
gehorigkeit zur Freimaurerei für drei Monate im KZ Sonnenburg
festgehalten, wo auch Carl von Ossietzky, seit 1919 Freimaurer,
Gefangener ist. Müffelmann stirbt an den Folgen der Haft am 24.
August 1934. Ossietzky wird nach Erhalt des Friedensnobelpreises
aus der KZ-Haft entlassen und stirbt an den Folgen der Haft am
4. Mai 1938.
1934 ist Adolf Eichmann in der Abteilung II 111 des Sicher¬
heitsdienstes des Reichsführers SS (Gegnererforschung) für die
Zusammenstellung einer sogenannten Freimaurerkartei zuständig.
Bis 1935 Auflösung aller Logen in Deutschland.
1936 Verfolgung der FreimaurerInnen in Spanien nach dem
Militärputsch (siehe die Beiträge von Andr€ Combes und Alex¬
ander Emanuely).
1938 Auflösung der Großloge von Wien, Verfolgung fast aller
800 noch eingeschriebenen Mitglieder (siehe Beitrag von Marcus
G. Patka).
1940 Freimaurer gründen die ersten Gruppen der Resistance
in Frankreich (siche Beitrag von André Combes). Griindung 6s¬
terreichischer Exillogen in Paris, London, New York und Buenos
Aires (siche Beitrag von Marcus G. Patka).
1945 Wiederbelebung der Freimaurerei in Österreich. Ein erstes
Zusammentreffen von 48 noch in Wien lebenden Freimaurern
findet am 28. Juli statt. In der Zweiten Republik sind u.a. folgende
Intellektuelle Freimaurer: Milo Dor, Michael Guttenbrunner, Otto
Basil, Hans Sidonius Becker, Paul Blaha, Wolfgang Bauer, Bert
Breit, Axel Corti, Gottfried von Einem, Reinhard Federmann, Paul
Frischauer, Adolf Frohner, Alexander Giese, Rudolf Hausner, Edgar
Jene, Michael Kehlmann, Georg Kreisler, Jorg Mauthe, Friedrich
Torberg, Michael Weinzierl, Hugo Wiener, Edwin Zellweker...
Die erste Ausgabe der Protokolle der Weisen von Zion erschien
bereits vor dem Ersten Weltkrieg in Russland. 1919 erschien die
erste deutsche Ausgabe in einer aufwendigen und für diese Zeit
enorm kostspieligen Prachtausgabe. Im Unterschied zur Urschrift
wurden auf jeder Seite neue Zwischenüberschriften appliziert, die
etwa „Die Unüberwindlichkeit der jüdischen Freimaurerschaft“,
„Das Heer der jüdischen Freimaurerlogen“ oder „Wie die jüdischen
Freimaurerlogen zur Macht gelangten“ lauteten.'
Bereits im 19. Jahrhundert hatten Pamphlete katholischer Pro¬
venienz Antisemitismus und Antimasonismus vereint, argumen¬
tierten dabei aber noch auf theologischer Basis. Klerikale Autoren
warfen der deklariert dogmenlosen Freimaurerei im besten Fall
nur Indifferentismus vor, viel öfter noch die Verbreitung einer
Revolution gegen Thron und Altar. Zudem war die Freimaurerei
in protestantischen Ländern wie England oder Preußen bis ins
Königshaus hinein hochgeachtet. Schlagartig mit Ende des Ersten
Weltkriegs setzte in Deutschland und Österreich eine antisemiti¬
sche Welle ein, die sich in Plakaten und Hetzschriften manifestier¬
te. Die Verantwortlichen für den Weltkrieg und seine desaströse
Niederlage suchten verzweifelt nach Sündenböcken und fanden
diese in Juden, Kommunisten und im geringeren Ausmaß auch
Freimaurern. Die Pamphlete nationalsozialistischer Kreise nach
1919 weisen jedoch einen weit radikaleren Vernichtungswillen
auf. Der Wiener Abgeordnete Friedrich Wichtl beschuldigte die
Freimaurerei der Ermordung des Kronprinzen Rudolf und des
Thronfolgers Franz Ferdinand und damit der wahre Urheber
des Kriegs zu sein. In Deutschland war es General Erich von
Ludendorff, der zusammen mit seiner Frau Mathilde krude Ver¬
schwörungstheorien konstruierte, denen selbst NS-Ideologen
immer weniger Beachtung schenkten. Er verstieg sich etwa zu der
Behauptung, die Freimaurerei sei nur der Erfüllungsgehilfe der von
New York aus zentral gesteuerten B’nai B’rith-Logen. Ebenfalls
1927 erschien im Grazer Stocker-Verlag „Aus der Werkstatt der
Freimaurer und Juden im Österreich der Nachkriegszeit“ von
Friedrich Hergeth, einem Pseudonym für Paul Heigl. Im Gegensatz
zu den zuvor Genannten verfügte er über erstklassige Informanten
und zeichnete das sozialpolitische Engagement der Großloge von
Wien (GLvW) ziemlich genau nach — natürlich nicht ohne es als
„jüdisch-zersetzend“ zu brandmarken.? Möglicherweise waren
diese Bücher eine Reaktion auf das Abkommen von Locarno, das
1925 von Stresemann und Briand ausverhandelt und unterzeich¬
net wurde. Beide waren Freimaurer, auch wenn dies im Umgang
zwischen ihnen vermutlich kaum eine Rolle gespielt haben dürfte.
Antimasonismus und Antisemitismus haben eine gemeinsame
Wurzel, einen zur Ideologie erstarrten „Verschwörungsmythos“, der
von der Existenz einer angeblich konspirativen Subversion ausgeht,
ohne diese empirisch belegen zu können. Negative Mythen dieser
Art stehen somit im Gegensatz zur Aufklärung und fungieren
als identitätsstiftende Abgrenzung gegenüber dem Anderen. In
dieses wird das ultimativ Böse hineinprojiziert, erst durch dessen
Eliminierung erfolgt die „Reinigung“ und damit der Aufstieg der
eigenen Gruppe, des eigenen Volkes.
In ihren besten Zeiten bis 1933 zählte die GLvW 24 Logen mit bis
zu 1.900 Mitgliedern, die mehrheitlich jüdischer Herkunft waren.
Sie hatten sich uneingeschränkt der humanistischen Freimaurerei
verschrieben, auf ihrem Boden wuchsen die Friedensbewegung und
die Liga für Menschenrechte. Vor und nach dem Ersten Weltkrieg
gehörten dazu ebenso Vertreter des bürgerlichen Liberalismus
wie Friedensnobelpreis-Träger Alfred Hermann Fried und der
Wiener Stadtrat Rudolf Schwarz-Hiller oder auch Sozialdemo¬
kraten wie Gewerkschaftsgründer Ferdinand Hanusch, Stadtrat
und Universitätsprofessor Julius Tandler, aber auch der zwischen
Genie und Wahnsinn oszillierende Biologe Paul Kammerer.? Als
eine Art „Außenminister“ fungierte Eugen Lennhoff, der vielfach
zu den Kongressen der Unabhängigen Freimaurer-Liga und der
Asociacion Maconnique Internationale reiste und dabei vom
Mediziner Univ.-Prof. Victor Hammerschlag unterstützt wurde.
Zudem fungierte Lennhoff von 1923 bis 1933 als Schriftleiter
der Wiener Freimaurer-Zeitung; dieses Amt hatte er von Hein¬
rich Glücksmann übernommen. Zudem ging Lennhoff 1925 als
Begründer und bis 1929 als erster Souveräner Großkommandeur
in die Geschichte des Alte und Angenommene Schottische Ritus
(AASR) in Österreich ein. Auch Paneuropa-Begründer Richard