In Algerien stellte Bruder Emile Pinaud eine Liste der internierten
Freimaurer in Oran, Orleanvielle, Boghar und Boghari auf, um
ihren Transfer nach Cherchell zu ermöglichen.
Die Organisationsstruktur, welche die Verbindung zwischen
dem GOdF oder der GLdF und den Flüchtlingen ermöglichte,
war die „Kommission der Vertretung der spanischen Familien
der Freimaurerei“ mit Sitz in der rue Puteaux. Ihren Vorsitz hat¬
ten die Großmeister der spanischen Dachorganisationen: Lucio
Martinez Gil (GOE) und Jose Fernandez Armengol (GLE).? Die
Kommission hatte die Aufgabe, die Zugehörigkeit der einzelnen zu
überprüfen, die Freimaurer zu lokalisieren, damit man ihnen In¬
formationsmaterial, einen Arbeitsplatz, maurerische Unterstützung
zukommen lassen konnte. Falls sich die Brüder organisieren woll¬
ten, dann sollten sie dies nur, indem sie nicht-maurerische Vereine
gründen, nicht jedoch neue Logen. Man war im regen Kontakt
mit anderen Flüchtlingsorganisationen wie dem „Internationalen
Gesundheitszentrum zur Hilfe der spanischen Republik“ oder der
„fraternelle“!® für Asylrecht, dem internationalen Büro für den
Respekt des Asylrechts und der Hilfe politisch Verfolgter. Sekretär
dieses Büros war Paul Perrin, Mitglied des Verwaltungsrates des
GOdE Im Jänner 1940 bedankte sich die spanische Kommission
beim GOdF und der GLdF für das bedeutende Solidaritätswerk
und wünschte Frankreich, der neuen, zweiten Heimat, den Sieg
gegen Nazideutschland.
Nach dem Ausbruch des Weltkrieges waren die französischen
Logen geschwächt, ein Komitee zur Unterstützung der mobili¬
sierten Brüder wurde einberufen. Der GOdF sah sich gezwun¬
gen, in seinem Rundschreiben Nr. 26 vom 7. September 1939
seinen Logen bekannt zu geben, dass die Verwaltung der eigenen
Hilfsorganisationen den Behörden überlassen werden müsse, falls
sie bisher von Flüchtlingen ausgeübt worden war. Der GOdF
konnte ein Abkommen zwischen der französischen Regierung
und jener der spanischen Republik in die Wege leiten, welches
die Überstellung der Flüchtlinge nach Mexiko, Kuba und Chile
regelte. Auch gab cs Erleichterungen für internierte Freimaurer,
welche spanische Militärs waren und in den schlimmsten Inter¬
nierungslagern festgehalten wurden.
Im von den Freimaurern organisierten Flüchtlingsheim in Aute¬
rive in der Haute-Garonne waren 350 Menschen untergebracht,
in jenem in Saint-Bauzille 200 und in jenem in Marseille 100."!
1.200 weitere Flüchtlinge wurden durch einzelne Logen und
Freimaurer betreut. 300 Flüchtlinge wurden Nordafrika versorgt.
Die französischen Obödienzen haben einerseits Restbestände
der Spendengelder des AMI erhalten, andererseits bedeutende
Summen des Großorients von Belgien und der Großloge von
Chile. Die französische Regierung stellte weitere 100.000 Francs
zur Verfügung. Jean Baylot zufolge, Mitglied des Verwaltungsrates
des GOdE verfügte die Hilfsaktion für die spanischen Brüder
1940 über eine Million Francs.
Es stellt sich die Frage, wie die spanische Freimaurerei in Frank¬
reich vertreten war und wie ihre Exilorganisationen aussahen.
In den 1920er-Jahren hatte z.B. die AMI die Anerkennung des
italienischen Großorients im Exil verweigert. Auch hatte man
sich darüber aufgeregt, dass von Seiten der tschechoslowakischen
oder österreichischen Großlogen keine Vorbereitungen getroffen
worden waren, was die Rechtsnachfolge nach deren Auflösungen
betraf. Zwischen dem GOE und der GLE erfolgte am 28. Jänner
1940 eine erste Vereinbarung, die besagt, dass die spanischen
Freimaurer in Frankreich die Möglichkeit suchen sollten, in einer
französischen Loge affiliiert zu werden. Es wurde beschlossen, dass
man sich als spanischer Freimaurer im Ausland nicht in einem
eigenen maurerischen Kontext zusammenfinden soll. Trotzdem
wollten die beiden Großmeister gleichzeitig die obersten Reprä¬
sentanten der spanischen Freimaurer im Exil bleiben.
Der GOdF überprüfte die Anfrage von drei Brüdern der Loge
„Minerva“ aus Barcelona, eine eigene Loge unter ihrem Schutz
gründen zu dürfen und holte dafür am 19. Mai die Meinung
der „spanischen Familie“ ein. Martinez Gil fragte bei Alfredo
Nistal an, welcher am 3. Juni 1939 eine negative Empfehlung
abgab: die „Familie“ wolle die einzige kontrollierende Instanz über
die spanische Freimaurerei bleiben. Man betonte noch einmal,
dass erwünscht sei, dass die Spanier in den französischen Logen
entweder auf Besuch gehen oder sich als Einzelperson afhliieren
lassen. So würde die Kontrolle einfacher, die französische Maurerei
nicht mit der Gründung kurzlebiger Logen überfordert und die
spanischen Flüchtlinge könnten „besser in ihrer neuen Heimat
aktiv werden, besser die Sprache lernen, so wie es schließlich ihre
Pflicht sei.“
Die AMI hatte im April 1940 immer noch keine Lösung dafür
gefunden, wie sie mit der GOE und der GLE (beide waren in
Spanien verboten) und ihren Delegierten umgehen sollte. Mossaz
schlug vor, dass Exil-Großlogen gegründet werden sollten. Doch
stieß dieses Projekt bei den beiden großen französischen Großlogen
auf Ablehnung. Diese waren gegen die Bildung von maurerischen
Großorganisationen in Frankreich, welche aus Verbannten bestün¬
den. Jean Baylot betonte in seinem Briefan Mossaz vom 10. April
1940, dass der GOE und die GLE in Zusammenarbeit mit der
AMI die Kontrolle über die Organisationen für die Flüchtlings¬
hilfe in Frankreich festgelegt haben. Es sei jedoch nicht möglich,
dass sich mitten im Krieg mit Deutschland in Frankreich eine
spanische Großloge konstituiere. Trotzdem rief der GOE einen
Exil-GOE ins Leben. Mitglieder der neuen Obödienz waren
alle auch schon in Spanien bestehenden Logen. Eine Liste dieser
Logen wurde angelegt. Diese Art der Gründung hatte den Sinn,
dass man am Tage, an dem man wieder zurück kann, nicht ein
kompliziertes Verfahren der Neugründung einleiten müsse. Auch
sollten die Mitglieder ihre maurerischen Grade nicht verlieren oder
als Freimaurer erst neu anerkannt werden müssen. Gleichzeitig
verbat man sich als Großloge „politische oder sonstige Tätigkeiten,
welche der Freimaurerei im Gastland schaden könnten.“
Parallel bildeten sich in Frankreichs Untergrund spanische Lo¬
gen. Mitglieder waren Freimaurer aus dem GOE und der GLE. Die
GLAF ihrerseits setzte unter der Hammerführung von Dumesnil
de Gramont am 7. April 1940 die provisorische Loge „Hispania
678“ ein. Die endgültige Zulassung sollte erst nach der positiven
Abstimmung durch den Bundesrat erfolgen. Stuhlmeister war
Demofilo de Buen, ehemaliger Großmeister des GOE, Redner
der chemalige Minister Manuel Portela Valladares. Der MvSt. der
Loge „Plus Ultra 452“ und Bruder Marban hießen die Loge im
Namen der „spanischen Familie“ herzlich willkommen.