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wo französische Brr.: Präfekten, Bürgermeister etc. waren. Dafür
können wir Wiener Brr.: den Franzosen niemals genug dankbar sein.
Darüber hinaus aber luden sie uns ein, eine Wiener L.: zu gründen,
was wir taten. Brandeis war M.:v.:St.:, ich war einige Zeit Sekretär,
nach mir war es Br.: Guido Glaser, der jetzt in Manchester ist. [...]
Wir arbeiteten sehr aktiv, jeden Mittwoch. Nebenbei wurden viele
von uns Mitglieder französischer LL.:, auch ich. Wir fühlten uns
außerordentlich wohl und sind auch heute noch in engem und brdl.:
Kontakt mit den französischen Br.:. Wo immer wir hinkamen wurden
wir bral.: aufgenommen und selbst während der schwersten Wochen
nach der Einnahme von Paris durch die Naziverbrecher trafen wir
auf der Flucht in kleinen südlichen Provinzorten Brr.: und Freunde,
die uns weiter halfen. Nur ihnen verdanken viele von uns Leben und
Freiheit. Dabei haben die Barbaren unter diesen Brr.: furchtbar
gehaust und in der L.:, der ich selbst angehörte, sind nicht weniger
als 15 hingemordet worden, teilweise weil sie Juden waren, teilweise
weil sie die Kühnheit besaßen, gute Franzosen zu sein.“

Soweit ein Brief aus der unmittelbaren Nachkriegszeit, in der
österreichische Freimaurer in aller Welt ihre Erlebnisse während
der Kriegszeit nach Wien berichteten, wodurch sich auch die
Geschichte von Auslandslogen rekonstruieren ließ.’ Maximilian
Brandeis wiederum gehörte zu den wenigen Freimaurern, die
auch in späteren Jahren noch darüber einen Bericht verfassten.
Er schreibt über die kurze Zeit in Paris:

Viele Freimaurer, die auf der Flucht von Österreich in Paris an¬
kamen, mussten vom Bahnhof abgeholt werden, wenige sprachen
Französisch, die meisten waren ohne Mittel, ohne Wohnung, etc. Sie
fanden Freunde in den Mitgliedern der „Mozart“ Loge in Paris. Die
Frauen der Mitglieder kümmerten sich um die Kinder und Frauen
der Ankömmlinge. Mit Hilfe von Freunden in der Prefecture de Po¬
lice konnten Aufenthaltsbewilligungen verschafft werden, die es den
Neuankömmlingen ermöglichte, in Paris und Umgebung, in Nice,
Montauban, Nantes, etc. sich niederzulassen.°

Maximilian Brandeis verfügte über die nötigen Kontakte, um die
Gründung der österreichischen Loge in Paris voranzutreiben. Ein
erstes Schreiben wurde am 5. Jänner 1939 verfasst, der offizielle
Antrag zur Logengründung an die GLdF am 14. Jänner. Bereits
am 22. April 1939 kam es im Großen Tempel der GLdF in der
Rue Puteaux zur Lichteinbringung der Loge „Mozart“ No 675. Sie
umfasste 44 Mitglieder.” Den konstituierenden Beamtenrat um
Stuhlmeister Brandeis formten als 1. Aufseher Hans Heinrich Hoff¬
mann (Wiener Loge „Freundschaft“), als 2. Aufscher Dr. Walter
Loebl (Wiener Loge „Goethe“), als Redner Herbert Schaechter
(Pariser Loge „L’Alliance“), als Sekretär der Journalist und aktive
Sozialdemokrat Robert Wurmfeld (Wiener Loge „Eintracht“),
als Schatzmeister Theodor Beer (Wiener Loge „Zukunft“)®, als
Zeremonienmeister der ehemalige Kunst- und Antiquitätenhändler
Karl Gruenwald (Wiener Loge „Gleichheit“) und als Tempelhüter
der chemalige Hotelier Hans Baruch (Wiener Loge „Humanitas“
und Pariser Loge „La Fidelite“).

Nach Kriegsbeginn im September 1939 setzte in Frankreich
eine Agentenhysterie ein, die zur Folge hatte, das potentielle Nazis
ebenso verhaftet wurden wie österreichische und deutsche Exi¬
lanten und mitunter Bett an Bett schlafend für etliche Monate in
Lagern interniert wurden. Auch in den Akten der Loge „Mozart“
finden sich entsprechenden Korrespondenzen, etliche ihrer Mit¬
glieder dürften in das „Camp Autrichien No. 6“ bei Domfront
(Orne) gekommen sein. Wer konnte, verließ das Land so schnell
wie möglich und flüchtete nach England oder besser gleich nach

Amerika. Es heißt weiter in Brandeis‘ Bericht, dass auch bei der
weiteren Flucht französische und amerikanische Freimaurer hinter
den Kulissen aushalfen:

Mit der Gegenzeichnung des Groß-Meisters der Grande Loge de
France wurde es mir möglich, allen Freimaurern aus Österreich, die
nach Frankreich und Belgien kamen, eine Legitimation auszustellen,
die ihnen in den USA, England, Australien von großem Nutzen war.

[...]?

Humanitas in New York

Maximilian Brandeis gehörte ebenfalls zu den Gründungsmit¬
gliedern der Loge „Humanitas No 1123“ in New York, die am
20. Dezember 1943 mit dem Wohlwollen der Grand Lodge of
New York installiert werden konnte.'” Hier traf er unter anderem
wieder auf Robert Wurmfeld und Hans Baruch. Die Wege über
den Ozean waren jedoch alles andere als einfach gewesen, wie
Brandeis ausführt:

Als ich 1941, und andere österreichische Freimaurer, endlich in
den USA ankamen, viele via Kuba, Santo Domingo, Mexiko und
Nordafrika, schlossen wir uns wieder zusammen. Auch in New York
gab es zahlreiche Freimaurer, die ohne Mittel und ohne Englisch
zu sprechen, Amerika erreicht hatten. Sie hatten weder Unterkunft
noch die Mittel zur Ernährung. Um als Freimaurer weiter bestehen
zu können und einen Sammelpunkt für österreichische Freimaurer
zu schaffen, gründeten wir einen Social Club unter dem Namen
„Humanitas“. Dies geschah in Erinnerung an die Umstände unter
der österreichischen Monarchie, da Freimaurer-Logen verboten waren
und eine Art Geselligkeitsverein „Humanitas“ die geistige Heimstätte
der österreichischen Freimaurer war. [...] Auch in New York, und ich
darf sagen in den USA im Allgemeinen, brauchten österreichische
Freimaurer und ihre Familien Hilfe und Unterstützung. Von einem
Hilfsfonds, der uns zur Verfügung stand, konnten wir materielle
Hilfe leisten, manchen Neuankömmlingen Unterkunft und Arbeit
verschaffen und sogar Affidavits zur Erlangung von Einreise-Visen."'

Ein präziserer Bericht über die Metamorphose des Humanitas
Social Club (HSC) in die Loge „Humanitas“ wurde 1952 in deren
interner Publikation „Humanitalk“ vorgelegt:

When in fall of 1938 the first Freemasons from Vienna arrived and
wished to meet, „King Solomon Lodge‘ offered them friendly hospitality,
There they found among others a true and noble friend in the person
of R. W. George R Frenkel, who later became one of the founders of
HUMANITAS LODGE. When more and more Viennese Brethern
came to New York, Brethern Alfred Flint, W. Michael Munkacsy,
the late W. Ralph Rafford began to collect and register the addresses
of the arriving brethren. Eventually Humanitas Social Club was
organized. [...]

In the spring of 1939 a small group of brethren (among them Paul
Arvay, the late Walter Benedict, Alfred Flint and Paul Rafford) called
upon the Grand Historian of the Grand Lodge, the late Ossian Lang.
They wished to sound out the future possibilities for the Viennese bre¬
thren in New York. In this conference, however, they did not obtain
satisfactory information.

The steadily increasing numbers of brethren who visited the meetings
of Humanitas Social Club and actively participated in its work proved
that the wish to have a Lodge of their own was unanimous. In the
meantime the beloved Brother RW. Abraham Felt, Representative
of the Grand Lodge of New York near the Grand Lodge of Vienna,
made closer contact with the Viennese brethren and their families, and

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