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Regierungschef L£on Blum und seinen Ministern, unter ihnen gab es einige Freimaurer, aufgegriffen. Dies förderte die „maconnophobie“, die Feindschaft gegen Freimaurer und Freimaurerinnen. Die französische Freimaurerei nahm die Opfer der verschiedenen Diktaturen in ihre Reihen auf. So fanden in ihr nach der Oktoberrevolution russische Brüder ihren Platz, nach 1925 italienische, nach 1935 portugiesische, dann deutsche, schließlich bis 1940 alle aus von den Nazis besetzten Ländern. So kümmerte sich die von Freimaurern organisierte Gruppe „fraternit€ — r&conciliation“ (Brüderlichkeit — Versöhnung) um Flüchtlinge wie Kurt Tucholsky, Mitglied einer Loge des GOdE. Die Gruppe half 1939 den spanischen Exilierten. Eine Kommission des GOdF und der „Großloge von Spanien“ überprüfte die Mitgliedschaften, lokalisierte die Geflüchteten in den Lagern und half bei der Arbeitssuche. Mehr als 1.200 Brüder und ihre Familien fanden in Frankreich und Nordafrika eine Unterkunft in einem der beiden von Freimaurern finanzierten Heimen oder in von einzelnen Logen zur Verfügung gestellten Wohnungen. 1939 und 1940 gründeten österreichische Brüder innerhalb der GLdF die Loge „Mozart“ und polnische Brüder die Loge „Copernic“. Verbot und Verfolgung Im Juni 1940 verlor Frankreich den Krieg gegen Deutschland und in der Regierung des Marschalls Philippe Petain, welche den Waffenstillstand unterzeichnete, war nur noch der Minister Camille Chautemps vom „Parti radical“ Freimaurer. Chautemps war jedoch bald nicht mehr Regierungsmitglied und nicht dabei, als nach dem 10. Juli 1940 das Restparlament Pétain alle Vollmachten gab und dieser den Etat francais, den französischen Staat, ausrief. Die Diktatur von Vichy löste die Republik ab, und die Devise der Republik „Libert£, Egalite, Fraternit€“ wurde durch „Arbeit, Familie, Vaterland“ ersetzt. Petain hatte Chautemps in Kenntnis gesetzt, dass die Freimaurerei verboten werden und dieser austreten solle. Chautemps informierte Arthur Groussier, Sozialist und Vorsitzender des GOdE, welcher gemeinsam mit dem Großsekretär Louis Villard am 7. August 1940 einen Briefan das Staatsoberhaupt verfasste, worin er, um die nationale Einheit zu bewahren, die Auflösung seiner Organisation ankündigte. Er setzte diesen Schritt, um eine Verfolgung der Freimaurer zu verhindern. Die Archive des GOdF konnten gerade noch rechtzeitig vor der Ankunft der Deutschen vernichtet werden. Trotzdem warf man nach der Befreiung 1944 Groussier diesen Schritt vor. Wie angekündigt, wurde das erste Gesetz des Regimes von Vichy am 13. August 1940 verabschiedet. Dieses schränkte die bürgerlichen Freiheiten ein, kam noch vor den antijüdischen Gesetzen zustande und war gegen die so genannten Geheimgesellschaften gerichtet. Betroffen waren die Freimaurer und die Iheosophische Gesellschaft. Petain verachtete die Freimaurerei, machte sie ebenfalls für alle Katastrophen, die Frankreich heimgesucht hatten, verantwortlich und bemerkte nebenbei, dass für ihn ein Freimaurer viel verabscheuungswürdiger als ein Jude sei, da er freiwillig ein solcher wurde, während ein Jude keine Wahl habe und als Jude geboren werde. Die Freimaurerei wurde verboten, ihr Besitz vom Staat konfisziert, verkauft. Der Erlös kam der Wohlfahrt zugute. Die Logenhäuser, meist bald von den Vichy-Behörden oder der Wehrmacht besetzt, wurden vorher noch geplündert, ein Großteil der Beute landete in Aktionshäusern. Frankreich wurde in zwei Zonen aufgeteilt, der Norden von den Nazis kontrolliert, der Süden von Vichy. In beiden Zonen gab es Hausdurchsuchungen, Verhaftungen, wurde eine Mitgliederliste der „Sekte“ angelegt, die Logenprotokolle wurden gesammelt und ausgewertet. Vor allem die deutschen Besatzer erhofften sich, dadurch auf die Spur eines Schatzes der Freimaurer zu kommen, der nur in ihrer Fantasie existierte. Beamte mussten bekannt geben, ob sie Freimaurer sind oder waren. Falls sie es waren, mussten sie unter Androhung schwerer Strafen schwören, keiner neuen Loge anzugehören. Jedem, der diesbezüglich eine falsche Aussage machte, drohte Entlassung, Gefängnis und eine hohe Geldstrafe. Als die Schwierigkeiten im Land immer größer wurden, mussten die Freimaurer als Sindenböcke herhalten, sie wurden öffentlich denunziert. Ein zweites antimaurerisches Gesetz, verabschiedet am 10. August 1941, sah vor, die Namen aller männlichen und weiblichen maurerischen Würdenträger, die politische Funktionen innehatten oder Beamte waren, in den staatlichen Mitteilungsblättern und Medien zu publizieren. Sie sollten so besser von den Franzosen und den Anhängern Vichys identifiziert werden können. In einem bald darauf folgenden Gesetz gab es Ausnahmeregelungen für jene chemaligen Freimaurer, die bei der Umsetzung der „Nationalen Revolution“ Petains behilflich waren bzw. nachweisen konnten, dass sie auf seiner Seite standen. Der Begriff Würdenträger ist irreführend. Denn es genügte, Delegierter bei einem Konvent gewesen zu sein oder eine Vorstandsfunktion innerhalb der Loge ausgeübt, den sogenannten Hochgraden angehört, ein Jubiläum bezüglich der Mitgliedschaft gefeiert zu haben, um als solcher zu gelten. Viele der nun Aufgelisteten verloren ihre Arbeit. Die „Brüder“ versuchten die Reihen dichter zu schließen und Arbeit für die Opfer dieser Unterdrückungsmaßnahmen zu finden. Ursprünglich trieben im besetzten Nordfrankreich die Nazis selbst die Verfolgung der Freimaurerei voran, mit Hilfe der „Abwehr“, der „Feldgendarmerie“, der „Geheimen Feldpolizei“, des Amtes Rosenberg, welches Archive nach Deutschland brachte, der deutschen Botschaft in Paris, welche die antimaurerische Ausstellung im Petit Palais organisierte und vor allem ab 1941 der mit diesem Thema befassten Abteilungen des SD und der Gestapo. Da man in Vichy die Archive nicht ganz den Besatzern überlassen wollte, ernannte Petain den monarchistischen Historiker Bernard Fay zum Generalverwalter der Nationalbibliothek. Dieser sollte alle konfiszierten Dokumente sammeln. Für diesen Zweck richtete Bernard Fay unter der Kontrolle der Gestapo eine überdimensionierte Dienststelle im chemaligen Sitz des GOdF in der rue Cadet in Paris ein. In der von Vichy kontrollierten Zone begann das Service des Societes Secretes (Dienststelle Geheimgesellschaften) im April 1941 seine Tätigkeit. Dieser wurde ab Dezember 1941 durch eine eigene Polizeidienststelle, das Service de Police des Societes Secretes unterstützt. Beide Dienststellen unterstanden zuerst direkt dem zivilen Kabinett des Staatschefs, dann dem Innenministerium. Der Direktor der Stelle war Vize-Admiral Platon, ein Fanatiker, auf den in der Folge die R£sistance einen erfolgreichen Anschlag verübte. Die Stelle arbeitete auch in der Nordzone in Paris, von der 5 rue Greffulhe aus. Leiter war dort Marqués-Riviére, ein chemaliger Freimaurer, der einen Exorzismus über sich ergehen lassen musste, um von seiner ehemaligen Mitgliedschaft gereinigt zu werden. Die Dienststelle war ab 1941 nur eine von vier im besetzten Nordfrankreich, denn weiters gab es jene von Bernard Fay, dann die der Polizeipräfektur unterstehende Spezialeinheit für aufgelöste Vereinigungen, untergebracht am square Rapp, dem chemaligen Oktober 2017 63