Sitz der Theosophischen Gesellschaft, schließlich die Zentrale für
Aktion und Dokumentation, geleitet von Henri Coston, einem
gemeingefährlichen Antisemiten, der seine Organisation in der
rue Putcaux, am ehemaligen Sitz der GLdE, unterbrachte. Jede
dieser Organisationen hatte ihre Mitarbeiter und Informanten im
ganzen Land. Es waren vor allem Mitglieder der rechtsextremen
monarchistischen Action Frangaise, ab 1943 Mitglieder der Miliz.
Sie verfolgten nicht nur die Freimaurer, sondern auch Schwarz¬
markthändler, Juden, Gaullisten, Kommunisten. Sie haben etliche
Denunziationen und Verhaftungen zu verantworten.
Die antimaurerische Aktion stützte sich auf die schriftliche Pres¬
se, auf das Radio, wo täglich die von den Freimaurern ausgehende
Gefahr erläutert und von neu gegründeten Logen berichtet wurde.
Sie arbeitete zudem mit Vorträgen, Ausstellungen im ganzen Land
und der Zeitschrift „Documents maconniques“. Ab 1943 stützte
sich die antimaurerische Propagandaarbeit auch auf den Film Forces
occultes Dunkle Mächte). In diesem wird erzählt, wie ein junger
ehrlicher, aber leichtgläubiger Parlamentsabgeordneter in die Irre
geführt, Mitglied einer Loge wird, ohne sogleich die wahren Ziele
der Freimaurerei zu erkennen. Nach einigen kompromittieren¬
den Ereignissen erkennt er, dass diese Institution im Dienste der
Juden steht und für den Krieg in Europa verantwortlich ist. Er
will austreten, mit seinen Erkenntnissen an die Öffentlichkeit
gehen, ein Mordanschlag wird auf ihn verübt.
In der rue Cadet wurde ein Studienzentrum für die jüdisch¬
freimaurerische Verschwörung eröffnet, dessen Arbeit nachweisen
sollte, dass die Juden die Drahtzieher der Freimaurerei seien. Die
Kollaboration und ihre Organisationen, so der Ordnungsdienst der
„Legionäre“, die Miliz, Doriots Volkspartei Frankreichs (Doriot
war ein chemaliger hoher kommunistischer Funktionär) hetzten
massiv gegen die „Sekte“.
Da die antihumanistische Ideologie des Vichy-Regimes genau
das Gegenteil all dessen beinhaltete, was die Freimaurerei vertritt,
fanden sich nur wenige Freimaurer und Freimaurerinnen unter
den Kollaborateuren. Es waren ihrer meist nur bedeutungslose
Opportunisten von geringem Format; nicht selten Sozialisten, die
schon vor 1940 offene Antisemiten gewesen waren und sich der
Nationalen Volksbewegung Marcel Déats (chemaliges leitendes
Mitglied der Sozialisten) angeschlossen hatten in der Hoffnung,
gemeinsam mit Deutschland ein neues Europa gestalten zu kén¬
nen, nachdem das von Aristide Briand getragene Friedensprojekt
Europa gescheitert war. Andere Freimaurer, verängstigt, einge¬
schüchtert, hielten sich bis zur Befreiung bedeckt.
Zugleich aber organisierten sich Freimaurer im Widerstand.
Viele schlossen sich, je nach politischer Einstellung oder wie es
der Zufall der Begegnungen wollte, der einen oder anderen Resis¬
tance-Gruppe an. Meist fanden sie über Brüder oder Schwestern
Zugang. Man arbeitete mit rechten Militärs der Organisation
de résistance de ’Armde zusammen, mit den Kommunisten des
Front National’, mit den Christdemokraten der Gruppe „Com¬
bat“. Wenn der Widerstand sich in einer Loge organisiert hatte
oder von FreimaurerInnen initiiert wurde, was vor allem in der
Provinz vorkam, so kann man, auch wenn dann die Gruppe nicht
nur aus Freimaurern und Freimaurerinnen bestand, von einem
Widerstand der Freimaurer sprechen.
Die Sozialistische Partei wurde hauptsächlich von Freimaurern
neu gegründet, der Nationale Lehrerbund, ebenfalls eine Organi¬
sation der Resistance, wurde bis zur Befreiung von Freimaurern
geleitet. Viele der Freimaurer, welche nicht aus dem öffentlichen
Dienst entlassen wurden und in den Ministerien, den Rathäusern
arbeiteten, unterstützten die Organisation der Resistance innerhalb
der Institutionen (NAP, noyautage des administrations publiques,
Säuberung des öffentlichen Dienstes). Man war vor allem bemüht,
amtlich gefälschte Dokumente für den Widerstand zu organisieren.
Dank der „Fraternelles“ (Mitglieder einer Berufsgruppe, die sich
treffen, weil sie Freimaurer und Freimaurerinnen sind), konnten
innerhalb der Polizei, der Eisenbahnbetriebe (Widerstandsgruppe
Maximilien-Fer), unter Lehrern und Lehrerinnen, in der Post
Netzwerke des Widerstandes gegründet werden.
Der GOdF und die GLdF organisierten sich im Untergrund
neu, ohne Unterstützung der chemaligen Vorsitzenden, die alle
überwacht wurden. Dieses Wiedererwecken der Großlogen ist
vor allem einer Gruppe von Pariser Freimaurern zu verdanken,
welche das Maurerische Aktionskommitee (CAM) gründeten. Es
wurden den Untergrundlogen Matrikelnummern zugeteilt. Viele
dieser Logen wurden gemeinsam von Brüdern beider Großlogen
gegründet.
Parallel dazu gründete das CAM Le Cercle (Der Kreis), wo
auch Profane, also Nicht-Maurer mitmachen konnten. Le Cercle
bemühte sich, den Kontakt zwischen Freimaurern in den verschie¬
denen Widerstandsgruppen und jenen in London herzustellen.
Verantwortlich für diese Arbeit war Henri Manhes, ein enger
Mitarbeiter von Jean Moulin, dessen Vater Freimaurer war. Aus
Le Cercle wurde La Ligue. Und diese beteiligte sich stark am
Zusammenschluss aller Widerstandsgruppen unter dem Befehl
De Gaulles. La Ligue brachte auch eine eigene Zeitung mit dem
Titel La Nouvelle République heraus. Doch bald musste die Or¬
ganisation ihre Tatigkeit stark reduzieren, da die meisten ihrer
Mitglieder verhaftet wurden. Im Mai 1943 hatte sich La Ligue
aber so weit wieder reorganisiert, um die Widerstandsgruppe
Patriam Recuperare zu gründen. Anführer dieser bedeutenden
Gruppe war Oberst Eychéne, der nach der Befreiung Doyen der
konsultativen Nationalversammlung werden sollte.
Die zweite grofe Gruppe der Résistance, welcher hauptsachlich
Freimaurer angehörten, war Le Coq Enchaind (Der angekettete
Hahn) in Lyon. Diese Gruppe im Südosten des Landes arbeitete
mit dem britischen Geheimdienst, dem Intelligence Service, zu¬
sammen und setzte sich für ein Bündnis mit den Kommunisten
ein. Bald aber waren fast alle Mitglieder verhaftet oder wurden
ermordet.
ROBERT MUZARD prösene une re PRODUCTION