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Ansonsten findet man in allen Widerstandsgruppen Freimaurer,
nicht selten in großer Zahl — so im Norden und der Region Pas¬
de-Calais, in der Organisation Civile et Militaire (OCM), in der
Picardie, in der Gruppe Libération-Nord, wo das Mitglied des
Verwaltungsrates, des Leitungsgremiums des GOdF, Léon Gontier
aktiv war. Gontier war auch der örtliche Leiter der Sozialistischen
Partei und der Liga fiir Menschenrechte. Er wurde verhaftet, de¬
portiert und ermordet. Im Siidosten fand man Freimaurer unter
der Leitung von Combat, wie Roger Nathan-Murat, Anführer der
Freischärler von Marseille, oder in Montpellier Maurice Jattefaux,
in Draguignan Alfred Perrin. Alphonse Laurion war Leiter der
Armee secrete (AS — Geheime Armee) in Nizza. In Toulon war
Charles Sandro von Lib&-Sud aktiv, sowie Paul Custaud, der
illegale mauererische Kleingruppen, „Dreiecke“, in der Stadtver¬
waltung und im Militärhafen gründete. In Algerien und Marokko
unterstützten Brüder der Gruppe Combat aktiv die Landung der
englischen und amerikanischen Truppen.

Auch im Südwesten, in Toulouse, findet man, unter der Leitung
chemaliger Spanienkämpfer, etwa des Obersten Pierre Cahuzac,
Widerstandszellen aus Freimaurern. Um Jean Cassou sammelten
sich italienische Antifaschisten wie Silvio Trentin und Francesco
Nitti, Unternehmer wie Francois Verdier, Regionalsekretar der
Liga fiir Menschenrechte, Sylvain Dauriac, Sozialist, Leiter der
Gruppe France au Combat (Frankreich im Kampf), Henri Lion,
Anarchist, Inhaber einer Untergrund-Druckerei. Dieser kam wie
Cahuzac in der Deportation um, wahrend Verdier in Frankreich
ermordet wurde.

Es sollen überdies die Freimaurer unter den Spanischen Re¬
publikanern erwähnt werden: Zuerst einmal Jose Roig, der mit
den Brüdern Max Hymans und Jean Pierre-Bloch (sozialistischer
Abgeordneter) eine der ersten Widerstandszellen überhaupt in
Frankreich gründete, noch dazu mit dem Namen „Resistance“.
José Roig wurde am 1. August 1941 wegen Rekrutierungsarbeit
für die Armee de Gaulles vor ein Erschießungskommando gestellt.
Der Frisör Richard Andres wurde bei einem Hinterhalt erschossen.
Cristino Garcia organisierte die 9. Brigade der Guerrilleros und
sollte nach der Befreiung nach Spanien zurückkehren, um den
Kampf gegen den Faschismus fortzuführen. Er wurde 1946 in
seiner Heimat hingerichtet.

Im Zentralmassiv gab es einen bedeutenden maurerischen
Widerstand: im Departement Lot, organisiert vom entlassenen
Professor Jean-Jacques Chapou, gefallen bei einem Hinterhalt
am 16. Juli 1944, und vom Lehrer Martial Brigouleix, Stellver¬
treter von Edmond Michelet, dann Leiter der AS in Correze,
hingerichtet in Romainville am 2. Oktober 1943. In Limoges
stammten die drei Kommandanten der Resistance und der AS
aus derselben Loge „Les artistes Reunis“ (Die vereinten Künstler).
Die Loge sollte insgesamt sechs ihrer Mitglieder verlieren. Unter
den neun Mitgliedern der Loge „Les Enfants de Gergovie“ in
Clermont befand sich der wegen der Vichy-Gesetze entlassene
Lehrer Alphonse Matinier. Er war verantwortlich für das Auffin¬
den von Milizionären und Kollaborateuren, für die Fluchtrouten
nach Spanien, die Widerstandszellen unter den Lehrenden, das
Organisieren von Papieren, das Untertauchen von Deserteuren im
Maquis. Er wurde denunziert, verhaftet und starb an den Folgen
der Folter. Er gehörte zu jenen vielen Freimaurern, für die ein
Baum der Gerechten in Yad Vashem gepflanzt wurde.

In der Pariser Region, in Saint-Germain-en-Laye, gründeten die
Mitglieder der Loge „La Bonne Foi“ (Der gute Glaube) Maurice
Ripoche, Hubert Canale und Maurice Vannier die Gruppe „Ceux

de la Liberation“ (Die
von der Befreiung). In
Paris spielten Mitglieder
der Loge „La Clemen¬
te Amitie“ (Die milde
Freundschaft), unter
ihnen Pierre Favreau,
Leiter der Bewegung
der Kämpfer der R£¬
sistance (MCR), und
Roger Priou-Valjean,
Leiter der Gewerkschaft
CGT, eine zentrale Rol¬
le bei der Befreiung der
Hauptstadt.

Man fand Freimaurer
im Maquis in den Ge¬
birgsregionen, so in den
Vogesen, im Jura, in den
Pyrenäen. Man fand sie
bei den Fluchtrouten inert Hall, London, bei seiner Rede zu Ehren der
in den Alpen, bei der für das freie Frankreich Gefallenen. Bild: Wikipedia
Gründung des Maquis
von Vercors. Im Isere formierte sich der Widerstand rund um
Doktor Valois, den linksliberal-sozialistischen Bürgermeister von
Tullins. Er war Leiter der örtlichen Resistance und beging nach
einer ersten Folterung Selbstmord, um nichts zu verraten. Im
Südosten kamen sieben Brüder der kleinen Loge von Montendre
„Les Pionniers du Progres“ (Die Pioniere des Fortschritts) als
Mitglieder der Résistance ums Leben. In Poitiers waren die beiden
örtlichen Logen des GOdF und der GLdF an der Organisation
einer Fluchtroute über die Demarkationslinie beteiligt und ver¬
loren dabei acht ihrer Brüder. Weiters waren Logen im Val de
Loire aktiv, im Tal der Rhodane, in der Champagne oder in der
Vendée, wo Armand Giraud einen Nachrichtendienst aufbaute,
um den Bau des Atlantikwalls zu beobachten.

Viele nationale und regionale Leiter der Résistance arbeiteten
ansonsten an ihrem ,,Rauhen Stein“°, so Marc Rucart, der ei¬
nerseits den Parti radical und andererseits die Freimaurerei im
Nationalen Rat der Résistance (CNR)’ vertrat, Yves Deschamps,
Anführer der Franc-Tireurs in Lyon, Marcel Girard, Anführer des
Netzwerks Centurie, der in Caen die OCM leitete und schlie߬
lich das Kommando der AS in den vierzehn Departements des
Ostens des Landes inne hatte. In den Kolonien organisierten die
Freimaurer den Widerstand in Indochina, Bruder Félix Eboué
schaffte es, dass sich der Tschad, wo er Gouverneur war, de Gaul¬
le anschloss. General de Gaulle betonte nach einem Gespräch
mit dem Großmeister der GLdF Dumesnil de Gramont vor der
Nationalversammlung in Algier, dass „wir nie die Ausnahmege¬
setze von Vichy anerkannt haben“, dass somit die Freimaurerei
in Frankreich nie aufgehört habe zu existieren. Die Verordnung
vom 22. Dezember 1943 annullierte die Vichy-Gesetze gegen
Geheimgesellschaften.

Die Ermordeten

Die Nazis und die Miliz ermordeten die Mitglieder des Verwal¬
tungsrates des GOdF Georges Veronoff und Andre Haarbleicher,
beide waren Juden. Weitere Todesopfer sind Pierre Brossolette,

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