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Geboren in Polen, zu spät, um die „Goldenen Zwan¬
ziger Jahre“ zu genießen, zu früh, um dem Krieg
und der Naziverfolgung zu entgehen. Nachdem ich
mein größtes Erfolgserlebnis — das Überleben - er¬
reicht hatte, versuchte ich, meinen überschüssigen
Idealismus mit der politischen Arbeit zu verbinden.
Wie die meisten Versuche dieser Art schlug auch
dieser fehl. Jetzt lebe ich in Wien als Hausfrau
und Mutter und versuche, mir den Psychiater zu
ersparen, indem ich meine Ängste in Gedichten
niederschreibe. - T.R.

Zwei Stimmen sprechen aus Tamar Radzyners Ver¬
sen und Chansons: die selbst im Ghetto Lodz und
in den den Konzentrationslagern Auschwitz und
Stutthof bewahrte Hoffnung auf eine gerechtere
Welt, und die Verzweiflung der Shoa-Überlebenden
über Stalinismus und Antisemitismus in ihrer pol¬
nischen Heimat. Geboren 1927, flüchtet sie 1959
mit ihrem Mann und den Kindern Joanna und Olga
nach Wien, eignet sich die deutsche Sprache an,
wird von Georg Kreisler als Chanson-Schreiberin
entdeckt, von ihm und Topsy Küppers gesungen.
Die eindringlichen Gedichte und Lieder dieser
politisch engagierten Jüdin liegen nun erstmals in
gesammelter Form vor.

Tamar Radzyner: Nichts will ich dir sagen. Gedichte und
Chansons. Wien: Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft 2017.
182 S. ISBN 978-3-901602-59-7 Euro 21,00

Mitten im Ersten Weltkrieg sammeln der Arbeiter¬
dichter Alfons Petzold und der zionistische Publizist
und Lyriker Marek Scherlag jiddische Dichter aus
Russland, Polen, Österreich-Ungarn und den USA
für eine deutschsprachige Anthologie. Das lange
verschollene Manuskript bleibt unveröffentlicht
und kehrt erst Jahrzehnte später aus Israel nach
Wien zurück. „Moderne jiddische Lyrik“ stellt eine
noch sehr junge Literatur vor, voller Verzweiflung
über das jüdische Massenelend und voller Sehn¬
sucht nach Liebe, Wärme und Licht.

Mit Gedichten von Chaim Nachmann Bialik, Gerson
Braudo, Meier Chartiner, Dawid Einhorn, Simon
Frug, Schmuel Jakob Imber, Jehoasch, Michael
Kaplan, Berl Lapin, Lijesin, Nistor, Hirsch David
Nomberg, Jizchok Leib Perez, Abraham Reisen,
Morris Rosenfeld, S. Schni, M. Wintschewski, M.
Wirth

Alfons Petzold, Marek Scherlag: Vieler Sterne Geist - Moderne
jiddische Lyrik. Eine Auswahl in Nachdichtungen von Marek
und Lorenz Scherlag und Alfons Petzold. Mit einem Vorwort
von Samuel Meisels. Hg.von Evelyn Adunka, Judith Aistleitner,
Alexander Emanuely. Wien: Verlag der Theodor Kramer
Gesellschaft 2017. 136 S. ISBN 978-3-901602-72-6 Euro 15,00

Tamar Radzyner

THEODOR KRAMER
GESELLSCHAFT

Alfons Petzold, Marek Scherlag

THEODOR KRAMER
GESELLSCHAFT