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Autobiographie die Gestalt eines Romans angenommen hatte.
Sie begann bereits in den siebziger Jahren in Montreal an dem
Buch zu arbeiten, legte es jedoch weg, da ihr die Arbeit daran zu
viel Schmerz bereitete. Fast 20 Jahre später schrieb sie an dem
Prosawerk weiter.

Das Buch wurde 1997 in Deutschland vom Fischer Verlag
unter dem Titel Die verlorene Sprache veröffentlicht und im Jahr
2016 neu aufgelegt. Das Werk bezog sich in vielfacher Weise auf
Liselotte Marshalls eigenen Erfahrungen. Sie beschrieb darin ihre
Erlebnisse in der Tuberkuloscklinik, die Entfremdung von den
Eltern und ihr wachsendes Bewusstsein über den Antisemitismus.
Auch brachte sie darin ihren festen Glauben zum Ausdruck, dass
der Nationalismus niemals positive Auswirkungen haben könne.
Liselotte Marshall verfasste dieses Buch auf Englisch, nachdem

Philipp Lehar

ihre Bemühungen, es auf Deutsch oder Französisch zu schreiben,
daran scheiterten, dass ihr ihre Prosa zu holprig erschien. Das
Buch wurde zuerst in deutscher und französischer Übersetzung
und schließlich in der englischen Originalfassung veröffentlicht.
Die verlorene Sprache wurde im deutschsprachigen Raum schr
gut aufgenommen, und die Schriftstellerin wurde zu mehreren
literarischen Festivals und Konferenzen eingeladen. Diese Auf¬
merksamkeit überraschte und erfreute sie. Wenn sie auf den Erfolg
der deutschen Ausgabe angesprochen wurde, zeigte sich Liselotte
immer überrascht und gab sich schr bescheiden. Sie führte diesen
Erfolg — zu Unrecht - immer darauf zurück, dass die deutsche
Übersetzung von Ingrid Lebe und mit Nachwort von Ruth Klüger
eine Verbesserung des englischen Originals darstellte.

Österreichische PfadfinderInnen im Exil

Wanderungen, Lagerfeuer, Singen, Zeltlager und die Gute Tat
verbinden die meisten mit der Pfadfinderei. Halstuch, Uniformen
und Überlebenstraining sind weitere Assoziationen. Oft werden
Mitglieder auf die Hitler-Jugend angesprochen. Passanten und
Lehrpersonen verbinden Äußerlichkeiten und Aktivitäten mit
der Staatsjugend des NS-Staates. Für viele Jugendliche und Eh¬
renamtliche ist das irritierend, erleben sie sich doch als Teil einer
weltumspannenden, demokratischen und auf Friedenserziehung
ausgerichteten Jugendorganisation.

Pfadfindergruppen werden oft als Teil der (katholischen) Kir¬
che geschen. Was verbirgt sich unter Halstuch und dem breiten
Hut? Dieser Beitrag geht kurz auf die Geschichte der Pfadfinder¬
bewegung in Osterreich ein und beleuchtet dann das Schicksal
von emigrierten bzw. geflohenen österreichischen Pfadfindern
nach 1938. Auch die Beziehungen zwischen der österreichischen
Pfadfinderbewegung und den in aller Welt Verstreuten werden in
den Blick genommen.

Drei PfadfinderInnenverbände gehören aktuell der Bundesjugend¬
vertretungin Österreich an: die „Pfadfinder und Pfadfinderinnen
Österreichs“ (PPÖ), der „Österreichische Pfadfinderbund“ (ÖPB)
unddie „Muslimischen Pfadfinder und Pfadfinderinnen Österreichs“.
Woche für Woche nehmen tausende Kinder und Jugendliche an
Gruppenstunden und Aktionen teil. Die Sommerlager, die oft im
Ausland stattfinden oder mit internationalen Begegnungen ver¬
bunden sind, erleben sie als einen Höhepunkt der Sommerferien.

Pfadfinder — worum geht es? Leopold Zimmermann, eine prä¬
gende Person der österreichischen Pfadfinderbewegung, versuchte
dies 1956 folgendermaßen zu fassen:

Sie ist eine nationale und doch weltweite Bewegung und Bildungs¬
möglichkeit, die physisch und psychologisch junge Menschen im Rahmen
des Pfadfindergesetzes und des Pfadfindersystems bei weitgehender
Toleranz und harmonischer Lebensführung in eine Gemeinschaft
zusammenfassen will, die edlen Idealen zustrebt und deren Betätigung
hauptsächlich in körperlicher und geistiger Ertüchtigung besteht, um

für sich und die Mitmenschen neue Pfade einer besseren Lebenskultur
zu finden.

Die PPÖ und der ÖPB sind
stolz auf die lange Geschichte
der Pfadfinderbewegung in der
Alpenrepublik. Diese beiden Ver¬
bände stehen Angehörigen aller
Religionsbekenntnisse, Ethnien
und sozialen Schichten offen. Die
lange Geschichte ist neben aktu¬
ellen Aktivitäten und Projekten
ein Teil der Identitäten dieser
beiden Verbände. Der Hinweis
auf das Verbot 1938 ist eine der
gern gegebenen Antworten auf
Verbindungen mit der Hitler¬
Jugend. In Aufzeichnungen zur
Geschichte der lange bestehenden
Gruppen finden sichauch Eintrage
zu den Jahren 1937 und 1938:

Selbst bei dieser Weihnachtsfeier,
die deutlich zeigte, wie sehr die
sechs Gruppen unserer Kolonne,
nicht zuletzt durch das Erlebnis
dieses Sommerlagers am Fernpaß,
in bestem pfadfinderischen Geist
zusammengewachsen waren, hätte
noch niemand gedacht, daß uns
nur noch ein paar Monate von der
Ausloschung Osterreichs und damit
seiner Pfadfinderei durch gewalt¬
same Besetzung trennen sollten.
So sollte erst nachträglich dieses
Lager „im letzten freien Sommer
Österreichs“ einen ganz besonderen Rang in der Erinnerung eines
jeden einzelnen unserer Pfadfinder gewinnen, sei es als Abschluß des
Lebens im schönen und sozial wohlgelenkten Österreich, sei es im
Vergleich späterer „Lagerszenen“ im Soldatenleben oder gar in einem
Lager, das in den meisten Fällen den Abschied vom Leben überhaupt

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Dezember 2017 9