und Freunde wendeten sich ab. Auch die Pfadfindergruppen be¬
endeten im Frühjahr 1938 ihre Aktivitäten. Die Gemeinschaft, in
der man sich geborgen gefühlt hatte, gab es plötzlich nicht mehr.
Pfadfinderführer wurden verhaftet und Eigentum beschlagnahmt.
Die Pfadfindergruppen wurden aufgelöst. Bruder Florian, Pfadfin¬
derführer einer katholischen Gruppe in Wien, schrieb am 8. April
1938 den Eltern: „[...] Der Pfadfinder Anton Strobl hat sich mit
der HJ in Verbindung gesetzt. Die HJ wird die Pfadfindergruppe
nicht bestehen lassen und wünscht, daß die Jungen einzeln über¬
treten.“ Vereinzelt konnten ältere Gruppen ihren Zusammenhalt
durch einen Eintritt in das Rote Kreuz, den Bergrettungsdienst
oder den Alpenverein bewahren.
Jüdische Gruppen konnten eine Zeitlang ihren Fortbestand und
ihre Gemeinschaft durch den Übertritt in zionistische Organisa¬
tionen aufrecht erhalten. Harry Dayans Gruppe schloss sich mit
fast dem gesamten Bezirksverband dem zionistischen „Makkabi
Hazair“ an, weil dieser der Pfadfinderei nach Einschätzung des
Gruppenführers am nächsten stand. Im Rahmen dieser zionisti¬
schen Jugendorganisationen bereiteten sie sich auf die Alija nach
Erez Israel vor, die Dayan im November 1938 gelang.’ Mit Adolf
(Daniel) Brunner gehörte dem „Makkabi Hazair“ bereits ein frü¬
heres ÖPB-Mitglied in leitender Funktion an. Brunner war einer
der prägenden zionistischen Jugendführer im Wien der 1930er
und 1940er. 1931 war er, nachdem er „Mein Kampf“ gelesen
hatte, vom ÖPB zum Pfadfinderbund „Zirenu“ übergetreten und
war ab dem Frühjahr 1938 bei „Makkabi Hazair“ tätig. Bereits
1931 war Brunner überzeugt, Hitler werde seinen Worten Taten
folgen lassen.*
Mit Martin Vogel stammte ein weiterer zionistischer Jugend¬
führer der Jahre 1938-1945 aus dem ÖPB. Vogel war vor 1938
im ÖPB und im zionistisch-sozialistisch, aber auch pfadfinderisch
geprägten „Hashomer Hatzair“ aktiv gewesen. Vogel war nach 1945
als Sportler und Funktionär beim wiederaufgebauten Hakoah
in Wien tätig. 1950 nahm er an der Makabiade in Tel Aviv teil.
In einem Artikel über ihn ist über seine Pfadfinderzeit zu lesen:
Währenddieser Zeit trat er dem interkonfessionellen Österreichischen
Pfadfinderbund bei. Dieser Verband erwies sich als sehr nützlich für
ihn. Denn sein Vater wurde arbeitslos und Martin konnte wiederholt
umsonst in Ferienlager fahren; soziale Gerechtigkeit war bei diesen
Pfadfindern ein wichtiges Ziel.
Dayan blieb aber auch mit Freunden aus dem ÖPB und der
Pfadfinderbewegung in Kontakt:
Harry Dayan, Tel Aviv: Herzlichen Dank für dein langes Schreiben.
Ich bekam eine Pfadfinderzeitung aus Israel, über die ich mich recht
gefreut habe und auch viele Adressen ehemaliger Ö.BB.-Ier, die in
Israel beheimatet sind. Ich habe Deinen Briefin unserem Führerkreis
vorgetragen und man war recht beeindruckt. Leider hat sich dein
Besuch in Wien anscheinend verschoben, was mir persönlich leid tut,
da ich Dich gerne kennengelernt hätte."
Diese Worte richtet der Herausgeber des „Kreises - Rundbrief
analte Pfadfinderfreunde“ 1976 an den Pfadfinderbruder in Israel
und die Leser in aller Welt.
Wer konnte, verließ Österreich. Doch viele versuchten, auch
über Kontinente hinweg in Kontakt zu bleiben.
Einsam arbeiteter zwischen den Orangenbäumen eines Bauernhofes.
Die heifse Sommersonne brennt vom klaren, palästinensischen Himmel.
[...] In der Ferne ganz leise stimmt jemand ein Lied an, alte, vertraute
Worte. [...] Langsam zieht die alte Zeit vor seinen Augen vorüber. Die
vielen Ausflüge, der Kolonnenappell, dann erlebt er noch einmal das
Pfingstbiwak in Sulzund nachher den großen Patrouillenwettbewerb
[...] Acht Tage Winterlager, ein unvergessliches Erlebnis. Ski, Rodel,
Schneeballschlachten in echter Kameradschaft, all dies zieht vorbei.
Noch einige Heimabende im fröhlichen Zusammensein, Singen, Ler¬
nen, Unterhaltung und dann, dann zieht eine schwere, dunkle Wolke
über den klaren Himmel eines Jugendtraums und diese Wolke nimmt
gefahrvolle Formen an [...]. Und dann sieht er die letzte Zusammen¬
kunft. Die letzten Symbole ihres Zusammenlebens teilen sie unter sich
auf, er bekommt das grüne Siegerband. Dann gehen sie auseinander,
jeder in eine andere Weltrichtung ... Und jeder schreibt dem andern
über sein neues Schicksal, nichts konnte die Kameradschaft zerstoren."
Diese Zeilen finden sich in einer Ausgabe von „Der neue Weg.
Blätter ehemaliger österreichischer Pfadfinder im Ausland“. Diese
Zeitschrift wurde von der Vereinigung „Austrian Scouts in Great
Britain“ herausgegeben und hatte Redaktionsadressen in England
und New York. Die Zeitschrift war ein wichtiges Verbindungsglied
zwischen den in aller Welt Zerstreuten. Eine unvollständige, in
Großbritannien zusammengestellte Statistik aus dem Jahr 1940
erfasste in Großbritannien 377, in Frankreich 52, in der Schweiz
35, in den Niederlanden 33, in Belgien 29, in Schweden 12, in
Ungarn 5, in den USA 134,in Kanada 3, in Lateinamerika 58,
in Afrika 13, in Palästina 64, in China 31, in den Ländern des
Nahen Ostens 15 emigrierte österreichische Pfadfinderinnen und
Pfadfinder. '?
Doch nicht nur die Zeitschrift und der Austausch von Briefen
stiftete Gemeinschaft, regelmäßig wurden in London Treffen
organisiert. In einer Einladung heißt es zum Beispiel:
Alle in London wohnhaften Kameraden werden hiermit herzlichst
zu der am 25. Februar 1940 im Restaurant von I.H.Q. [Internati¬
onal Headquarter, der Verf), 25, Buckingham Palace Road, S.W1.
stattfindenden 3. Londoner Zusammenkunft eigeladen. Beginn 4
Uhr. Einlass ab 3 Uhr. Wir freuen uns, diese Zusammenkunft in
dem Hause abhalten zu können, das von Millionen von Pfadfindern
in aller Welt als die Zentrale ihrer Bewegung betrachtet wird. Der
Abend soll diesmal den Charakter eines fröhlichen Sing-Songs tragen.
Wir hoffen, dass möglichst viele Freunde zum Gelingen in aktiver
Weise beitragen."
Auf eine von diesem Treffen an den Chief Scout gerichtete
Nachricht antwortete Baden-Powell:
Ich habe die lieben Grüsse [sic!] erhalten, die mir 48 ehem. Österr.
Pfadfinder sandten. Ich bin tief gerührt und sehr erfreut gewesen,
Sox Your Kina Greatings
on Our Rirthday
~~
Auf die vom dritten Lön¬
doner Treffen an Lord
und Lady Baden Powell
gesandte Glückwunschbot=¬
Schaft erhielten wir vom
Chisf Scout aus Kenya
die folgende Antwort:
a habe die lieben
| Grüsse erhalte
48 ehem.österr Pfadfinder sandten. Ich bin ee
und sehr erfreut gewesen, erstens weil es schön ist,zu
wissen, dass die "Chief Guide" und ich an unserem Geburis¬
tage in Euren Gedanken waren; und zweitens, weil wir fPoh
sind,dass Ihr alle sicher in England seid, Wir hoffen ur
das Innigste, dass Ihr dor. unter Euren britischen Pfad-=
findsrbrädern eine warme Aufnahme R
Or
finden werdet,und eine neue Heimat EN
6,Snaresbrook Drive,Stanmore ‚Middx. ‚England 2;,JAHR
und
600 West 115th Street,New York, U.S.A, 2889