Carry Hauser: Schauender, 1922 . Holzschnitt/Papier, 18,8 x 23,6 cm
ehemaligen Galerie Miethke statt. Neben seiner eigenen kiinstleri¬
schen Tätigkeit beginnt Hauser auch vermehrt das kulturelle Leben
in Wien mitzugestalten. Er ist Gründungs- und Leitungsmitglied
(bis 1922) der Künstlervereinigung Die Freie Bewegung, die Aus¬
stellungen internationaler zeitgenössischer Kunst organisiert. Er
reist nach München, um dort eine George Grosz-Ausstellung zu
sehen und besucht in Berlin den deutschen Expressionisten Ludwig
Meidner. Von 1919 bis 1922 lebt Hauser abwechselnd in Wien
und in Hals bei Passau, wo er in einem Atelier im Nebengebäude
eines Nonnenklosters arbeitet. Seit 1921 ist Hauser Mitglied
der Kiinstlervereinigung Der Fels, zusammen mit Georg Philipp
Worlen, Fritz Fuhrken, Franz Bronstert und Reinhard Hilker. Die
Gruppe existiert von 1920/21 bis 1927 und konzentriert sich vor
allem auf die Herausgabe von Mappenwerken und Druckgrafiken.
Beeinflusst von der Psychoanalyse und Traumdeutung Sigmund
Freuds, wird das Thema des Traumes ab 1920 zu einem Leitthema
in seinem Schaffen. Neben George Grosz sind in den 1920er Jahren
auch die Werke von Otto Dix prägend für Hauser. Als einer der
Carry Hauser: Emigration, um 1946. Bleistift/Papier, 27,5 x 32,5 cm
wenigen Künstler in Österreich widmet er sich in seinen Bildern
auf sozialkritische Weise dem Phänomen der Nachkriegsgesell¬
schaft. Auch in Briefen äußert er sich zur gesellschaftspolitischen
Situation und warnt bereits Anfang der 1920er Jahre vor dem
Nationalsozialismus:
Die Arbeitslosigkeit ist im Wachsen. Die Hakenkreuzler machen sich
sehr unlieb bemerkbar. Er wird noch zu manchen Dingen kommen ...
1923 stellt Carry Hauser im Rahmen einer Gastausstellung der
Freien Bewegungzum ersten Mal im Hagenbund aus. Im Jahr darauf
übernimmt er eine Funktion in der Bundesleitung des Hagenbun¬
des und wird 1925 zum Vizepräsidenten ernannt. Von 1925 bis
1938 wird er als Mitglied des Hagenbundes geführt und zeigt seine
Arbeiten regelmäßig in Ausstellungen. 1927 wird er Präsident des
Hagenbundes und beginnt sich verstärkt für die Künstlervereinigung
zu engagieren. Er erreicht bei der Gemeinde Wien eine Subvention
für ein Bauvorhaben in den Ausstellungsräumen der Zedlitzhalle.
Anlässlich der 54. Ausstellung des Hagenbundes im Jahr 1927 hält
er eine Rede zu Inhalt und Form eines Kunstwerks. Nach dem
Zweiten Weltkrieg wird der Neue Hagenbund als eine Form der
Wiedererweckung des Hagenbundes gegründet. Für kurze Zeit
ist Carry Hauser als einziges Mitglied aus der Zwischenkriegszeit
beim Neuen Hagenbund beteiligt. In den 1920er und 1930er
Jahren arbeitet er auch als Buchkünstler für den Verlag der Wiener
Graphischen Werkstätte, der vor allem moderne österreichische
Literatur publiziert. Von Beginn an widmet er sich neben der
bildenden Kunst auch intensiv dem Theater und der Literatur.
Am 11. Oktober 1922 heiraten Carry Hauser und Gertrude Herzog
(1894 — 1953) in der Votivkirche in Wien. Sie ist Altphilologin,
Padagogin und als Lehrerin und Direktorin im Gymnasium in
der Rahlgasse tätig. 1932 habilitiert sie als erste Frau in Klassischer
Philologie an der Universität Wien und setztsich für die Gleichbe¬
rechtigungvon Mädchen und Frauen im Schul- und Bildungswesen
ein. Gertrude Herzog-Hauser ist eine assimilierte Wiener Jüdin,
die einen stark katholisch geprägten Glauben lebt. Auch Carry
Hauser ist von einer links-katholischen Überzeugung motiviert
und engagiert sich ab 1934 für die Vaterländische Front. Um den
Vormarsch der Nationalsozialisten zu verhindern, arbeitet er als
Bundestreuhänder für bildende Kunst in einem österreichisch¬
patriotisch motivierten Programm. Das erscheint Hauser als ein¬
zige Möglichkeit, die nationalsozialistische Unterwanderung der
österreichischen Künstlerschaft aufzuhalten. Jahre später äußert
sich Hauser zu seiner politischen Einstellung, in dem er betont nie
einer Partei angehört zu haben und er beschreibt die Vaterländische
Front als „Anti-Nazi-Sache mit einigen Nazis drinnen“.
Im Februar 1934 wird sein Sohn Heinz Theodor Friedrich geboren.
Vom Künstler gestaltete Fotoalben dokumentieren die Freude
und den Stolz des frisch gebackenen Vaters, der seinen Sohn
auch in vielen Zeichnungen und Skizzen festhält. Doch das junge
Familienglück erfährt mit der Machtübernahme der Nationalso¬
zialisten ein jähes Ende. Aufgrund seiner politischen Einstellung
wird über Hauser ein Berufs- und Ausstellungsverbot verhängt.
Gertrude Herzog-Hauser flüchtet bereits im August 1938 in die
Niederlande, der Sohn Heinz gelangt mit einem Kindertransport
zunächst nach England und wird von dort zur Mutter in die Nie¬
derlande gebracht. Die beiden können sich in Holland nur durch
den Aufenthalt in einem Kloster vor der drohenden Deportation
schützen. Carry Hauser reist in die Schweiz mit dem Ziel im
Dezember 1939 eine Schiffsreise nach Melbourne anzutreten, wo