Wie menschlich wir geworden sind zeigt die Mode der kahl¬
gescherten Köpfe bei Frauen: so wie bei den Insassinnen der
Vernichtungslager.
Nachdem die letzte Schranke gebrochen wird, strömt das Ent¬
setzliche frei und kann immer leichter wiederholt werden. Die
Hetzhunde knurren.
Ein Goethesches Ereignis (Das Unzulängliche/ Hier wird's Er¬
eignis) ist heute unvorstellbar.
Wie viel wusste (oder ahnte) Goethe wenn er die Musik der Schlu߬
verse im „Faust“ Bewegung sein lässt. Ob wir „hinan“ gezogen
werden, ist fraglich, aber die Erkenntnis, daß die Welt nicht ist,
sondern wird, kommt zum Ausdruck. Und im Realen läßt er ja
Mephisto den Sieg, um den dieser bloß im Irrealen geprellt wird.
Wer kann heute noch mit gutem Gewissen einen Aussagesatz
zustande bringen? Ich, mit schlechtem Gewissen.
Mit zunehmendem Alter lässt sich nichts Gewisses mehr aussagen
als eben der Satz, dass sich nichts Gewisses mehr aussagen lässt.
Der Teufel sitzt unter der Haut.
Die Liebe hat viele Gesichter. Eines davon ist dem Tod zugewendert.
Bestimmte Moral menschliches Vorgehen, könnten wir nach
Hitler nicht weiterleben.
Begangenes Unrecht, selbst das entsetzlichste, wird leicht oder
nicht allzuschwer verdaut.
Hoffnung - ein euphemistisches Wort.
Gerechtigkeit ein zweites.
Friede ein drittes.
Was wir nicht wissen, weiß die Sprache.
Was wir zu wissen vermeinen, weiß die Sprache besser.
Das Farbige der Träume verblaßt in der Schrift.
Die Vollkommenbheit ist zu vollkommen.
Das Vollkommene ist undialektisch, dialoglos.
Die Vollkommenheit gehört in den neunten Kreis des Inferno
zu den Verrätern, in den Cocytus.
Und doch muss es ein Aufhören geben. So höre ich jetzt auf.
wie man existieren könnte anderswo
mit hab und gut sah man auf den
bildschirmen plötzliche optionen
ins blaue wie schön würde ein tag
könnte tag für tag sein wer wusste
was weiß man vom gehen vom
atmen unter anderen bedingungen
fern zu vieler zertrümmerter kindheiten
zeltstädte sind kein guter ort fürs
ankommen für das windige jedes
glücks denn hier passiert nichts
am vormittag nichts nachmittags
nichts an den gleichförmigen
abenden und nachts ohne ausblick
ohne hoffnungen nur das zerkauen
der überbordenden schlaflosigkeit
womit wird man ein neues haus bauen
mit den kieseln vom wegrand
die taschen voller staub ohne
tröstungen unterwegs liegt kein anfang
in der hinterlassenschaft der vielen
verlorenen bleibt nichts zum festhalten
die alten schatten taugen nicht mehr
sie stapfen mit jedem schritt mit
es sind keine steine die globusaufwärts
ins rollen kamen vorbei an eilig sich
schließenden fenstern und türen wo lichter
angehen leuchten die farben anders
durch die vorhänge eine behagliche
katze liegt auf der fensterbank ihre
pfote an der scheibe wie zum gruß
sonst keinerlei regungen sichtbar nichts
was ablenkt während hier draußen die
nebel klirren ein unbestimmtes weinen
zwischen dem krächzen der krähen dein
handy ein paar worte reisen von dort zu dir
dein blick strahlt augenblicklich himmelwärts
vom grauen erzählst du wenig
vom unermesslichen nichts unter dem
trug der erschöpfung jetzt nur mehr
mit einem halben mantel im gepäck