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daraus ist das Projekt „NS-Euthanasie-Opfer
aus Haslach“ entstanden. Ich habe dieses bei
meiner Lesung in der Langen Nacht der Kirche
in der Pfarrkirche Haslach am 28. Mai 2010
vorgetragen, noch nicht als Projekt, sondern ich
habe darüber als Ergebnis meiner Recherche im
Dokumentationsarchiv des österreichischen Wi¬
derstands und in der wissenschaftliche Abteilung
der Gedenkstätte Hartheim gesprochen. Ich
habe damals die Namen sowie die Geburts- und
Sterbedaten der ersten mir damals bekannten
zehn NS-Euthanasieopfer aus Haslach verle¬
sen und meine Lesung dem Gedenken an sie
gewidmet. Und ich habe angeregt, an einem
geeigneten öffentlichen Ort in Haslach eine Ge¬
denktafel für diese Opfer anzubringen. Sowohl
der Herr Bürgermeister Dominik Reisinger als
auch der Herr Pfarrer Mag. Kobler bekundeten
ihre Bereitschaft zur Realisierung meines Vor¬
schlages. Und noch in der Nacht habe ich den
ersten Entwurf für diese Tafel gemacht. Das
Projekt kam auf Schiene; doch dann schien es
wieder als nicht so dringlich in unbestimmter
Ferne. Bis eines Tages, nach einem Jahr, der
mir bis dahin unbekannte Mag. Engleder mich
kontaktierte und sagte, ihm lasse das, was ich da
bei meiner Lesung angesprochen hatte, seither
keine Ruhe; und was er tun könne, damit eine
solche Gedenktafel in Haslach als ein Andenken
an die verschwiegenen Opfer erinnere. Und er
übernahm engagiert und unermüdlich die auf¬
wendige Arbeit der Recherchen, der Sicherung
der Fakten, vor allem in Niedernhart. Und er
kam zu weiteren Ergebnissen; es gab mehr Opfer
aus Haslach und seiner Umgebung als bisher
bekannt waren.

Sie sind nicht Opfer irgendeiner Zeit, der „Na¬
zizeit“, geworden, sondern Opfer einer auf gren¬
zenloser Verblendung aufgebauten Ideologie, die
zu Grauenhaftem geführt und 55 Millionen Tote

Briefe

„Zwischenwelt“ ist immer eine große Freude
und ein unglaublich gutes Blatt, dafür danke
ich Ihnen und allen Mitarbeitern herzlichst.

Rahel Feilchenfeldt, München, 11. Juni 2018

... grosses Kompliment für die gesamte Zeit¬
schrift. Sie ist, obschon ohne Schnickschnack,
attraktiv aufgemacht und bietet zudem eine
Vielfalt von Beiträgen, die insgesamt gut zu¬
sammengestellt sind und Leselust wecken.
Andreas Pritzker, Küttigen (Aargau), 13. Juni
2018

Zu Ursula Langkau-Lex‘ Nachruf für Hanna
Papanek (1927 — 2017) in ZW Nr. 1-2/2018,
S. 22-24:

Ergänzen möchte ich, dass Hanna Papanek am
8. Mai 2015 im Literaturhaus Wien in Anwesen¬
heit ihres Mannes Gustav Papanek anlässlich der
Präsentation der von ihr mitherausgegebenen

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und Europa als ein Trümmerfeld hinterlassen
hat. Das gilt es zu bedenken!

Es geht darum, über diese Wirklichkeit nicht
länger hinwegzuschen und hinwegzuschweigen,
sondern auszusprechen, was geschehen ist und
ein Zeichen zu setzen: eines des Gedenkens,
aber auch eines der Mahnung an die Gegen¬
wart und an jede kommende Zeit. Inhumane
Ideologie führt zum Massenmord. Das muß aus
der Geschichte gelernt werden. Und in diesen
Lernprozeß muß vor allem die Jugend mitge¬
nommen werden. Sie kennt dieses Grauen nur
Hörensagen; wenn überhaupt. Und die Welt
ist, wie wir täglich erfahren, nicht davor gefeit,
daß sich solch Grauenhaftes wiederholt. Im
Gegenteil: Die Menschheit hat aus den beiden
Weltkriegen, aus der auf Haß und Gewalt aufge¬
bauten Herrschaft von Machtstrukturen nichts
gelernt; aber wenigstens jeder Einzelne sollte hier
seinen eigenen Lernprozeß durchmachen und
sich nicht davon wegschwindeln. Empathie, die
Mitempfindung, das Mitleid und Mitleiden mit
anderen Menschen ist eine Grundvoraussetzung
für ein würdiges und nicht aufreinen Egoismus
aufgebautes und beschränktes Menschsein.

Oft denke ich, wenn ich in Haslach bin und
im Ort (in dem bis 1988 Adolf Hitler noch
Ehrenbürger war!) herumgehe, an „damals“, an
die Nazizeit. Und ich stelle mir die Frage, wo
und wie diese Menschen, die hier in Haslach
gelebt, ihre Kindheit und Jugend und ihr Leben
bis zu ihrem Tod verbracht haben, gewesen sind.
Ich habe sie alle nicht gekannt, wahrscheinlich
niemanden von ihnen; ich war janoch zu klein.
Aber wir haben eines gemeinsam: Wir waren
zur selben Zeit am Leben, hier in Haslach. Sie
haben das Gleiche gesehen und hatten vielleicht
die gleichen oder ähnliche Erinnerungen an
Haslach, so wie ich sie bis heute habe. Sie kann¬
ten vielleicht dieselben Menschen, die auch ich

Auswahl der pädagogischen Schriften ihres
Schwiegervaters Ernst Papanek die Ehrenmit¬
gliedschaft der Internationalen Gesellschaft für
Exilforschung verliehen wurde.

Elisabeth Fritsch, Wien, 1. Juli 2018

Der Versuch über „Politisches und metaphy¬
sisches Fxil: Nelli Sachs“ (Martin A. Heinz,
ZW Nr. 1-2/2018, S. 56-61) spricht von der
„Verkehrung von allem Bedarf einer tordiert¬
gewundenen Sprache ... Was ist Wohnstätte,
was sind Schornsteine?“, in dem Gedicht:
O die Schornsteine
Auf den sinnreich erdachten Wohnungen des Todes
[..]
Als Israels Leib zog aufgelöst in Rauch
Durch die Luft —
[..]

Ich möchte hinzufügen dass man noch einer
anderen Art der Verkehrung hier nachspüren

später dann kannte. An andere Menschen erin¬
nern wir uns, jedenfalls noch eine ganze Weile.
Wir sehen ihre Namenstafeln auf dem Friedhof
und erinnern uns an jene Menschen von damals.
‚Aber niemals habe ich auf unserem Friedhof, den
ich bei jedem meiner vielen Haslach-Heimkeh¬
rungen besuche, eine Tafel mit der Aufschrift
„als NS-Euthanasieopfer ermordet in Hartheim“
gesehen. Wieso steht deren Name nirgendwo,
wieso wurde nicht nur ihr Leben gewaltsam
ausgelöscht, sondern auch die Erinnerung an
sie verschwiegen, verleugnet, vergessen?

Hier liegt ein jahrzehntelanges Versäumnis
vor, das wir versuchen, wieder gutzumachen.
Aber eine Gedenktafel allein ist zu wenig, wird
dieser erforderlichen Wiedergutmachung nicht
gerecht; auch nicht dem Schicksal, dem Ausge¬
liefertsein, der Todesangst, dem gewaltsamen
Tod der Opfer. Nein, hier bedarf es mehr und
das ist notwendig: Das ist das Herausheben der
Opfer aus ihrer Anonymität in unser Wissen und
in unser Gedenken. Und wie schmerzhaft ihr
Lebensschicksal und wie grauenhaft ihr Tod war,
so sehr haben wir den Auftrag, nicht nur ein Zei¬
chen unserer Erinnerung, unseres Gedenkens an
sie zu setzen, sondern diese Gedenktafelsetzung
als Zeichen der Mahnung und des Wachsam¬
seins für die Gegenwart und für die Zukunft zu
begreifen und anzunehmen.

Von der Redaktion ZW gekürzt.

Peter Paul Wiplinger, Schriftsteller und kiinstle¬
rischer Fotograf, geb. 1939 in Haslach, Oberöster¬
reich, seit 1960 in Wien. Studium der Theaterwis¬
senschaft, Germanistik, Philosophie. Vorwiegend
Lyriker; in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Bisher
47 Buchpublikationen, zuletzt: Tagtraumnotizen
(2016); Schachteltexte (2017).

könnte. Eine Art Verkehrung, die man oft in
der modernen jüdischen Dichtung findet,
unabhängig davon ob auf Hebräisch, Jiddisch
oder sonst einer anderen Sprache. Ich meine die
Verkehrung von Texten der Tradition.

„Als Israel zog aus Ägypten“ — lautet der erste
Vers, Psalm 114, in der Übersetzung von Buber
und Rosenzweig (eben nicht in der Luthers!).
Weder Ironie, Vorwurf oder Blasphemie — das
steht offen. Aber man wird der Tradition nicht
los.

Wenn man Else Lasker-Schiiler fragte, ob sie
sich eine übersetzung ins Hebräische wünsche,
pflegte sie zu antworten: „Ich dichte doch auf
Hebräisch.“

Daniel Bernstein, Paris, 9. Juli 2018