Militarismus, und weil sie ein proletarisches Werk war, deshalb
ist es für das Proletariat doppelt nötig, bei der Feier dieser ge¬
schichtlichen Tat stets eingedenk zu sein, daß sie noch nicht die
wirkliche Befreiung gebracht und noch nicht das eigentliche Werk
des Proletariats vollendet hat. Im Gegenteil: durch die Errichtung
der Republik in Mitteleuropa ist das staatliche Leben hier erst
auf jene Höhe bürgerlicher Demokratie gebracht worden, welche
die alten Demokratien von England, Amerika und Frankreich
schon seit Jahrhunderten oder Jahrzehnten innehaben. Wenn das
Proletariat am Zehnjahrestag der Republikerrichtung sich stolz zu
ihr bekennt, wenn cs sie stets mit starker Hand verteidigen wird,
so müssen wir doch zugleich das klare Bewußtsein haben, daß
unser eigenes Werk noch zu schaffen ist und wir diese Republik
nur als Mittel zu ihm verteidigen. Unser eigentliches Werk — das
ist die soziale Republik, die erst wirklich der Idee der Republik
entsprechen kann. Denn sie schafft auch noch die ökonomischen
Genosse Dr. Max Adler gestorben
Arbeiter-Zeitung (Journal des ouvriers), 21. Juli 1937, S. 8.
Am 28. Juni ist Genosse Professor Dr. Max Adler gestorben. Max
Adler war einer der bedeutendsten Theoretiker des Sozialismus. Er
nahm aber auch an den politischen Kämpfen der österreichischen
Sozialdemokratie — insbesondere in der Kriegszeit als einer der
Führer der Linken und in der Revolutionszeit im Arbeiterrat —
regen Anteil; in allen inneren Auseinandersetzungen innerhalb
der Partei vertrat er immer die Auffassungen des revolutionären
marxistischen Sozialismus. Vor allem aber hat Max Adler, wie er
selbst es einmal als seinen Lebensberuf bezeichnet hat, als „Lehrer
des Proletariats“ gewirkt. Als Lehrer an der Arbeiterhochschule
und der an Wiener Parteischule, als Vortragender in unseren
Organisationen, als Mitarbeiter der „Arbeiter-Zeitung“ und des
„Kampf“, als Verfasser vieler wertvoller Bücher und Broschüren hat
er das Denken zehntausender Arbeiter entwickelt und beeinflusst.
Der Faschismus hat seinem fruchtbaren Wirken ein Ende gesetzt.
Max Adler selbst wurde im Februar 1934 verhaftet, die Fortsetzung
seiner Tätigkeit in den Volkshochschulen wurde verboten, seine
Bücher wurden aus den Arbeiterbibliotheken hinausgeworfen.
Aber die Gewalt kann die Idee nicht töten. Max Adler fand auch
unter der Herrschaft des Faschismus noch die Kraft, seine philo¬
sophischen Anschauungen noch einmal in seinem letzten Buche
„Das Rätsel der Gesellschaft“ zusammenzufassen. Und was er in
seiner Jahrzehnte langen Lehrtätigkeit an sozialistischer Weltan¬
schauung, an Bewusstsein der Kulturmission des Sozialismus, an
revolutionärem Willen in die Seelen der vielen Tausende seiner
Schüler versenkt hat, wirkt lebendig weiter in den Herzen vieler
seiner Schüler, die heute in den ersten Reihen der RS wirken und
kämpfen. Bei der Beerdigung Max Adlers fanden sich viele seiner
ehemaligen Schüler ein; obwohl die Trauerfeier an einem Vormittag
stattfand, war die Beteiligung groß. Es sprachen Professor Emil
Reich, Bürgermeister Seitz und im Namen der Sudetendeutschen
Sozialdemokratie Dr. Wiener. Seitz sagte: „Das Werk Max Adlers,
heute in Österreich und Deutschland nicht anerkannt, wird in
der Welt, weit über Europa hinaus gewürdigt. Dieses Werk wird
weiterleben. Adler gehört der Geschichte der Idee an, der er gedient
hat.“ In das offene Grab wurden viele rote Nelken geworfen. Viel
beachtet wurde ein Kranz, den die Internationale geschickt hatte.
Unterschiede, die Klassengegensätze, beiseite und bewirkt dadurch
erst die wirkliche Gleichheit und Freiheit der Menschen, nämlich
Gleichheit und Freiheit der Lebensbedingungen für alle. Aber das
wird nur möglich durch eine neue Umwälzung: die Beseitigung
der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Es wird nur möglich
durch den unaufhörlichen, begeisterten und dieses Ziel nie außer
acht lassenden Klassenkampf des Proletariats. Jetzt verstehen wir,
wieso die Idee der Republik mit der des Sozialismus zusammen¬
fließen konnte: Die Idee der Republik kann erst verwirklicht
werden durch den Sozialismus, der Sozialismus wird lebendig
Erschienen 1928 in der Festbroschüre zum 10-jährigen Bestehen der
Republik Österreich, herausgegeben von der Sozialdemokratischen
Arbeiterpartei Deutschösterreichs, S. 16-18.
Nachdem die tschechoslowakische Regierung die in Brünn erscheinende
wöchentliche Ausgabe der „Arbeiter-Zeitung“ untersagt hatte und
das Erscheinen einer vierzehntätigen Ausgabe nur bis Februar 1937
erlaubte, wurde der Verlagsort im März 1937 nach Paris verlegt. Die
Zeitung wurde in der Druckerei „Union“ vervielfältigt. Die von zwei
russischen Flüchtlingen aus dem Umfeld Lenins um 1909 gegrün¬
dete Druckerei wurde im Laufe der Zeit vor allem dafür berühmt,
dass sie die Zeitschriften der literarischen Avantgarde druckte, so die
„Revolution surrealiste“ oder „Minotaure“.
Walter (12 Jahre): Paris (Farbzeichnung). In: Anna Nussbaum, Else Feldmann:
Das Reisebuch des Wiener Kindes. Eine Sammlung von Briefen, Aufsatzen
und Zeichnungen der Wiener Schulkinder im Ausland. Wien 1921, S. 63