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freien Markt anboten. Die ersten Aussiedler fanden noch in der
Umgebung neue Höfe, insgesamt blieben 67% der Aussiedler
im Waldviertel. Spätere mussten auf ganz Niederdonau (heu¬
te größtenteils Niederösterreich), aber auch Oberdonau (heute
größtenteils Oberösterreich) oder die Steiermark ausweichen.

Auch Franzen lag im Aussiedlungsgebiet am Rand des Trup¬
peniibungsplatzes — in der letzten vorgesehenen Entsiedlungszo¬
ne. Auch dieser Ort sollte geräumt werden, doch manche seiner
BewohnerInnen leisteten hartnäckigen Widerstand und weigerten
sich, ihre Häuser zu verlassen. Denn 1941 war es auch kaum
mehr möglich, mit der gebotenen Entschädigungszahlung ei¬
nen neuen Hof zu finden. Deshalb drohten die NS-Behörden
mit der zwangsweisen Umsiedlung ins besetzte Polen. Auch die
Stromleitungen wurden abmontiert und die Menschen im Ort
mussten wieder zu Petroleumlampen greifen. Doch nur ein Teil
der Bewohner ließ sich aussiedeln. Erst 1953 wurde Franzen
wieder ans Stromnetz angebunden, und am 24. April 1955 wurde
wieder eine Gemeindevertretung gewählt.

Und weil Franzen nicht ausgesiedelt und zerstört wurde, ist das
Kriegerdenkmal, auf dem auch die Gefallenen aus den Katastralge¬
meinden Franzens angeführt sind, erhalten geblieben. Als Zusatz
wurden die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs, nun ausschließlich
aus Franzen, angeführt. Irgendein Kommentar zu den nicht mehr
existierenden Ortschaften findet sich am Denkmal nicht. Auch
dieser Teil der NS-Terrorzeit wird so unsichtbar gemacht.

Anzumerken ist, dass in Allentsteig ein „Aussiedlermuseum“
existiert. Auf der Homepage der Gemeinde liest man dazu aller¬
dings: „Das Aussiedlermuseum ist derzeit leider nicht zugänglich.“

Am idyllischen Buschberg

Am Gipfel des Buschberges, der höchsten Erhebung der Leiser
Berge im niederösterreichischen Weinviertel, findet sich neben
den Radaranlagen des österreichischen Bundesheeres und der
Buschberghütte des Alpenvereins auch ein Gedenkstein. Er erin¬
nert an Prof. Anton Gössinger (1905 — 1994), den Gründer des
Naturparkes Leiserberge und lokalen Journalisten.

„Sein Wort wurde gehört. Er hat uns den richtigen Weg gezeigt“,
liest man darauf. Ob das heute uneingeschränkt gelten kann, sei
dahingestellt. Ein paar Zitate aus seinem Schaffen lassen doch
heftigen Zweifel aufkommen.

Über die Bevölkerung des Weinviertels schrieb er: „Es soll auch
vermerkt werden, daß sich hier das Blut vieler Völker vermischt hat.
Aber es ist davon nichts geblieben (...) Alles ist deutsch geworden.“
Aber der „Abwehrkampf“ gegen die Tschechen bewegte ihn: „Der
Bodenwucher und die liberalen Gesetze zerrütteten den Bauern¬
stand. Unsere Feinde waren hier eifrigam Werke, den deutschen
Bauer auszumerzen und den Weg für einen slawischen Korridor
zu schaffen, der an der March bis zur Donau reichen sollte. Diese
Wühlarbeit der Gegner erkannten die Gemeinden nicht.“

Doch diese Zeit ist- dem „Führer“ sei Dank — vorüber: „Wie
wunderbar hat sich nach der würdelosen Zeit der Nachkriegs¬
jahre unser Volk, von Adolf Hitler geführt, gefunden zu neuer
Ordnung, neuem Glauben und erstmaliger Gemeinschaft aller
Schaffenden! Ein Blick auf den illegalen Kampf auch in unserer
Heimat zeigt, wie ernst es die junge Generation mit ihrem Kampfe
gemeint hat. Adalbert Schwarz' und Erich Wohlrab? mußten
ihr Leben für ihren Glauben lassen. Hunderte wanderten in die
Kerker. Der Sieg war weit mehr als Lohn für Treue. Wir danken
ihn allein dem Führer.“

„Der ‚Illegale‘ ist ein unsterbliches Symbol der deutschen Ost¬
mark geworden.“

Diese „wegweisenden Worte“ finden sich im von Anton Gössin¬
ger verfassten Bändchen „Das Weinviertler Hügelland“, erschienen
1942 als Heft Nr. 52 der Schriftenreihe für Heimat und Volk
— Niederdonau, Ahnengau des Führers — herausgegeben vom
Gaupresseamt Niederdonau der NSDAP.

In dieser Reihe erschienen u.a. auch die Bändchen „Rassenkunde
in Niederdonau“, verfasst von Karl Tuppa, dem Leiter des Anth¬
ropologischen Instituts in Wien, oder „Der Volkstumskampf in
Mähren“ von Anton Altrichter, einem fanatischen Tschechenhasser.

In einem Wikipedia-Eintrag zu Gössinger ist zu seiner NS¬
Vergangenheit nichts zu lesen.

Anmerkungen

1 Adalbert Schwarz (1906 - 1930), „Blutzeuge der nationalsozialistischen
Bewegung“. Von 1938 bis 1945 war die Haymerlegasse im 16. Bezirk nach
ihm benannt. Sein Tod bei einer Messerstecherei in Wien-Währing, der
laut Gerichtsprozess keinen politischen Hintergrund hatte, wurde von der
NSDAP propagandistisch glorifiziert.

2 Erich Wohlrab (1908 — 1934), „starb für Großdeutschland“. Von 1938
bis 1945 war die Blumengasse im 17. und 18. Bezirk nach ihm benannt. Als
Teilnehmer des nationalsozialistischen Putschversuches im Juli 1934 wurde
er zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Der Nachlass von Gerda Hoffer, der teils auch verschollen ge¬
glaubte Papiere ihres Vaters Stefan Pollatschek umfasst, wurde
2015 von Evelyn Adunka der TKG übergeben. Dank der Un¬
terstützung des Nationalfonds, des Zukunftsfonds und der Stadt
Wien konnte der Bestand aufgearbeitet werden. Auf der Webseite
der TKG finden sich nun ein kommentiertes Verzeichnis und
eingescannte Briefe aus dem Exil von und an Rudolf Brunngraber,
Otto Janowitz, Zygmunt Ripp, Dora und Franz Kobler, Hanns
und Maria Margulies.

Die unzähligen Manuskripte und Briefe erlauben nicht nur einen
tiefen Einblick in die Arbeitsweise zweier SchriftstellerInnen und
ihre Lebensbedingungen im Exil.

Dank der neuen Einblicke wird bewusst, dass der in Österreich

weitgehend vergessene Stefan Pollatschek einst ein internationaler
Bestseller-Autor gewesen ist, bzw. teilweise noch ist, hat sich doch
herausgestellt, dass sein Van Gogh-Roman noch heuer, 2019, in
Korea neu aufgelegt wurde.

Fast alle Romane Stefan Pollatscheks erschienen auch auf Pol¬
nisch. Und Polen war das zweite Land, das den Flüchtling Stefan
Pollatschek aufgenommen hat. Selbst nach seiner weiteren Flucht
nach England blieb sein Werk in Polen präsent. Zuletzt 1940, als
sein Freund, der Theater- und Filmemacher Andrzej Marek im
Warschauer Ghetto die Dramatisierung des Romans ,,Dr. Berghof
ordiniert 2-4 h“ aufgeführt hat.

Noch viel mehr zu Stefan Pollatschek und Gerda Hoffer finden
Sie nun auf der Webseite der TKG. — AE

November 2019 7