Der Aufsatz beruht aufeinem Referat, gehalten im Oktober 2016 in
Graz beim „Internationalen Symposion: Camaradas. Osterreicherinnen
und Österreicher im Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939“. Veranstalter
waren die „prenninger gespräche“, CLIO und GrazMuseum. Für den
2017 erschienenen, von Georg Pichler und Heimo Halbrainer heraus¬
gegebenen Tagungsband konnte der Beitrag nicht rechtzeitig fertiggestellt
werden. So erscheint er nun hier mit Dank an die Organisatoren des
Grazer Symposions aus gegebenem Anlaß.
1 Vgl. Henriette Mandl: Einleitung. In: Maximilian und Emilie Reich: Zweier
Zeugen Mund. Verschollene Manuskripte aus 1938. Wien — Dachau — Bu¬
chenwald. Wien 2007, S. 9f
2 Das „Lexikon der österreichischen Exilliteratur“ (Wien 2000) bietet einen
gewissen Überblick über die Produktion und Publikation autobiographischer
Texte bis 1999, welcher u.a. auch die vielfach nachgeplapperte Legende wider¬
legt, daß das Interesse daran erst mit der Waldheim-Affäre größere Ausmaße
erlangt habe. Eine genauere Untersuchung dazu steht aus.
3 Diese Literarizität enthebt autobiographische Darstellungen nicht der
Verpflichtung zur Authentizität; vgl. die Diskussionen um die Bücher von
Binjamim Wilkomirski und Conny Hannes Meyer.
4 Im Artikel über die XI. Internationale Brigade in Wikipedia wird der aus
der Bukowina stammende Stern seltsamerweise als Deutscher apostrophiert.
(Zugriff vom 17.10.2016). Zum familiären Hintergrund vgl. Sidi Gross:
General Manfred Stern alias Emilio Kleber, Tel Aviv 1995.
5 Nach Jose Javier Calvo Garcia kamen an medizinischem Personal 117
Personen aus den USA ins Republikanische Spanien, sowie u.a. die Ausstat¬
tung für 69 Ambulanzen, um acht Spitäler in Spanien zu betreiben. Vgl. J..
Calvo Garcia: La ayuda sanitaria internacional a la Repüblica Espanola. Tesis
Doctoral. Saragossa 1991, S. 80.
6 Er war seit 1933 mit der aus Wien stammenden Photographin Edith Tudor¬
Hart, geb. Suschitzky, verheiratet.
7 Heinrich Karner, eigentlich H. Kent (1910 — 1961), hatte die spanische
Krankenschwester Maria Lopez Rodriguez geheiratet. Vgl. Hans Landauer
in Zusammenarbeit mit Erich Hackl: Lexikon der österreichischen Spanien¬
kämpfer 1936-1939. Wien *2008, S. 131.
8 Erich Hackl: Typoskript von Tonbandinterviews mit Irene Spiegel, unpaginiert.
Archiv E. Hackl. - Erich Hackl schildert die Persönlichkeit Harry Spiegels in
seiner Gedenkrede „Harrys Angst“, gehalten für den am 22.1.2000 Verstor¬
benen am 3.2.2000, abgedruckt in MdZ. Nr. 4 des 19. Jg., März 2002, S. 7-9.
9 Vgl. Interview mit Erich Hackl, wie oben.
10 Resultate dieser Bemühungen u.a.: Hans Landauer, Erich Hackl: Lexikon
der ésterreichischen Spanienkampfer 1936-1939. Wien 2003. Sowie: Into the
Fire: American Women in the Spanish Civil War, Dokumentarfilm von Julia
Newman, USA 2002. — Die wichtigste Anregung diirften aber die Interviews
gewesen sein, die Erich Hackl um die Jahrtausendwende mit ihr führte. Vgl.
die undatierte, unpaginierte Abschrift, die Erich Hackl dankenswerter Weise
dem Verfasser zur Verfügung stellte.
11 Im Interview mit Erich Hackl erzählt Spiegel: „... ich habe einen Freund
verloren in Spanien, den ich sehr gern gehabt habe. [...] Aber er war gefangen.
Von den Faschisten, sie haben ihn getötet. [...] Aber ich möchte nicht seinen
Namen nennen. Er war eine bekannte Person. [...] Es war zu der Zeit von die
zweite Belchite. Er war auch ein Politkommissar ...“ „Zweite Belchite“ meint
offenbar die erfolglose Verteidigung der Stadt Belchite durch die XV. Inter¬
nationale Brigade, die Abraham-Lincoln-Brigade, gegen die nationalistischen
Angreifer vom 7.-10. März 1938. Aufdem Rückzug wurden der Kommandant
Robert Merriman und der Politkommissar David Doran am 2. April 1938
zusammen mit anderen Offizieren in Corbera d’Ebre von Franco-Truppen
gefangengenommen und wenige Stunden später exekutiert. Adam Hochschild
(in: Spain in Our Hearts. Americans in the Spanish Civil War, 1936 — 1939.
Boston, New York 2016, p. 298 bzw. 313) erwähnt, Doran sei „alabor union
organizer from Albany, New York“ gewesen. Man machte sich um Merriman
und Doran noch einige Zeit Hoffnungen, sie könnten sich noch irgendwie
durchgeschlagen haben durch feindliches Gebiet. Der Kriegskorrespondent
Herbert Matthews schrieb (am 10.4.1938): „... Meriman and Doran, like
their comrades, are men ofgreat resourcefulness, courage and strength, and if
anybody can get out of such a scrape, it is felt, those two could.“
Strangers „Vergesst unsere Namen nicht“
Der im norwegischen Verlag Aschehoug publizierte Roman, im
Original „Leksikon om Iys og morke“ (Lexikon über Licht und
Dunkelheit), wurde 2018 gleich mit zwei Preisen ausgezeichnet - mit
dem norwegischen Buchhändlerpreis und dem Riksmäl Preis-und
wird in 21 Sprachen übersetzt. Die Rechte für die deutsche Über¬
setzung konnten noch vor der norwegischen Erstveröffentlichung
verkauft werden, Stranger war Gast auf der Frankfurter Buchmesse,
die englische Übersetzung „Keep saying their names“ wird im Mai
2020 bei Knopf in New York erscheinen.
Nach der Lektüre suchte ich kritische Besprechungen. Ich suchte
vergebens. Nur Stavanger Aftenbladet, eine norwegische Lokalzei¬
tung, merkte Kritisches an.
Strangers norwegischer Hausverlag Tiden Norsk Forlag, der den
1976 geborenen norwegischen Autor seit 20 Jahren betreut, hatte
das Manuskript allerdings abgelehnt.
Die aus Autobiographischem schöpfende Geschichte, die auch
Fiktionales enthält, könnte aus einem Hollywood-Film stammen:
Fünf Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg zieht eine junge jüdische
Familie, Gerson und Ellen Komissar, mit der kleinen Tochter Jannicke
in die Hafenstadt Trondheim in Mittelnorwegen und dort in ein
unscheinbares Gebäude mit der Adresse Jonsvannsveien 46. Ellen,
die wie Gerson im schwedischen Exil iiberlebte, wird an dem Haus
zetbrechen. Das zweite Kind, Grete Komissar, wird die Schwieger¬
mutter des Autors Simon Stranger werden und ihm erzählen, dass
sie als Kind mit ihrer Schwester Jannicke Familie und Nachbarn zu
Theateraufführungen in den Keller lud.
Dieses Haus war vor der Kapitulation der Nazis das „bandeklosteret“,
das Hauptquartier der Rinnan-Bande („Sonderabteilung Lola“), im
Keller wurde verhört, gefoltert, gemordet. Aufgrund der Infiltrationen
der Rinnan-Bande in den norwegischen Widerstand wurdedieser in
Mittelnorwegen zeitweise lahmgelegt. Die Rinnan-Bande stand hinter
der Festnahme von mehr als tausend WiderstandskämpferInnen,
folterte Hunderte im Keller des Hauses, ermordete zwischen achtzig
und hundert von ihnen. Ihr Anführer, Henry Rinnan, wurde 1947
wegen dreizehnfachen Mordeszum Tode verurteiltund hingerichtet,
so wie neun weitere Mitglieder der Bande, die insgesamt um die
60 Mitglieder zählte. 42 wurden verurteilt. 40 Prozent aller wegen
Kriegsverbrechen in Norwegen Hingerichteten hatten einen Bezug
zur ,Sonderabteilung Lola“. Henry Rinnan selbst rithmte sich, dass
sein Kommunisten-Archiv 5000 Namen umfasste, allerdings zählte