Hirschfelds Schwester war die heute vergesse¬
ne feministische Schriftstellerin Franziska Mann,
die 1927 verstarb.
Das Gästebuch hat 155 Seiten; es enthält Ein¬
träge von 260 Personen aus den Jahren 1933
bis 1935, zahlreiche eingeklebte Fotos und
Zeitungsausschnitte. Es wurde vollständig fak¬
similiert und transkribiert. Der Anhang enthält
Kurzbiographien der identifizierten Personen.
Unter ihnen sind hervorzuheben: Schalom Asch,
Marc und Bella Chagall, Alfred Döblin, Valentin
Gelber, Andre Gide, Emma Goldman, Claire
und Iwan Goll, Walter Hasenclever, Alfred
Kantorowicz, Alfred Kerr, Egon Erwin Kisch,
Sylvia Asmus, Doerte Bischoff, Burcu Dagrama¬
ci (Hg.): Archive und Museen des Exils. Berlin,
Boston: Walter de Gruyter 2019. 344 S. (Exil¬
forschung. Ein internationales Jahrbuch. 37).
Wieder einmal etwas befremdend: „Exil“ wird
als ein lediglich Deutschland betreffendes Phä¬
nomen verstanden. Löbliche Ausnahme ein Bei¬
trag über Archivalien von UngarInnen im Exil
in den Vera and Donald Blinken Open Society
Archives der Central European University in Bu¬
dapest, wo u.a. das Netz von nahezu 1.900 im
Juni 1944 mit dem gelben Davidstern gekenn¬
zeichneten Häusern in Budapest und die Flucht
von ca. 200.000 UngarInnen nach Westeuropa
1956/57 dokumentiert sind. Allerdings geht Csaba
Szilagyis Beitrag nicht aufs ungarische Exil und
aufs Exil in Ungarn vor 1945 ein. Über das u.a.
von Herta Müller geforderte „Museum des Exils“
berichten Christoph Stölzl und Cornelia Vossen.
Das Museum solll nun in privater (will heißen:
nicht-staatlicher) Initiative in Berlin verwirklicht
werden. Wie bitter Not eine solche Einrichtung in
einer anderen Hauptstadt des Exils, nämlich in
Wien, täte, muß immer wieder erwähnt werden.
Selber kann ich es nicht mehr anpacken, es über¬
stiege meine Kräfte. — KK.
Frangoise Bouygard: Les Bücherons de Cazaux¬
Debat. Des Autrichiens dans la Resistance 1934¬
1945. Preface de Pierre Daix. Paris: Editions
Tirésias 2013. 173 S.
Jean Cayrol: Schattenalarm (1944-1945). Mit
dem Essay Lazarenische Träume. Hg. und (aus
dem Französischen) übersetzt von Ulrike Juli¬
ka Betz. Wien, Hamburg: new academic press
2019. 113 S. € 19,90
Siehe dazu den Beitrag von Christian Angerer
und Andreas Kranebitter in diesem Heft!
Paul Celan: 28 Gedichte/28 pesmi. Prevedel/ins
Slowenische übertragen von Joze Strutz. Klagen¬
furt/Celovec; Edition Rapial edicija 2020. 78 S.
Mit einer „Studie zu Paul Celans Poesie aus
Anlass seines 100. Geburtstages“ von JoZe Strutz
(Slowenisch/ Deutsch).
Rudolf Leonhard, Walter Mehring und Salman
Schne’ur.
Seit 1985 befindet sich das Gästebuch im
Deutschen Literaturarchiv in Marbach, wo¬
hin es auf abenteuerlichen Wegen kam. Nach
Hirschfelds Tod blieb es bei Karl Giese, einem
seiner Lebensgefährten, der sich im März 1938
in Brünn das Leben nahm. Giese hinterließ sei¬
nen Besitz dem Rechtsanwalt Karl Fein, der
1941 nach Lodz deportiert wurde, wo er 1942
starb. Das Buch landete im Altwarenhandel und
wurde von Milena Baumgarten nach Marbach
verkauft.
Über Hirschfeld publizierte Ralf Dose im Ver¬
lag Hentrich & Hentrich auch eine jüdische
Karl Flanner: Zeuge der Zeit. Die Geschichte
meines Lebens. Wiener Neustadt: Verein Alltag
2012. 276.
Karl Flanner: Erlebt und gereimt. Kerker, Ge¬
sellschaft, Natur und Menschen im Gedicht.
Wiener Neustadt: Verein Alltag Verlag °2009
(2004). 77 S.
Hans Haider: Der Bissige Bleistift. Erich Gold
— Goltz — Peters. Karikaturen in Berlin, Wien,
New York. Berlin: Christian A. Bachmann Ver¬
lag 2019. 223 S. € 25,¬
Ergebnisse einer großen Spurensuche. Der sich
zuletzt Eric Peters nennende Künstler sagt von sich:
„Geboren in Wien, als die Donau noch blau und
nicht rot war. Konnte sich nie recht entscheiden,
was er werden sollte, und wurde nacheinander
Bildhauer, Maler, Schifahrer, Boxer, Bühnen¬
bildner, Architekt, Verleger und in seiner knappen
Zeit auch Violonist. Adolf Hitler erleichterte ihm
schließlich die Entscheidung und er wurde ein
Anti-Nazi-Zeichner und -Karikaturist, bis dann
Dr. Goebbels seine Zeichnungen nachdruckte und
Artikel gegen ihn schrieb (wobei er lebenslang ver¬
gis, fiir die Nachdrucke zu bezahlen). Der nächste
Schritt war einer hinaus aus der Reichweite von
Hitlers Wut, er fuhr Schi über die Alpen in die
Schweiz...“
Wilfried Ihrig: Moderne österreichische Litera¬
tur. Berlin: Epubli 2019. 230 S.
Mit Beiträgen über Walter Serner, Robert Gil¬
bert, Heinrich Nowak und — überraschend in
diesem Kontext — Leopod Langhammer. Dieser,
jahrzehntelang in der Wiener Volksbildung tätig
und in der NS-Zeit 1938/39 im KZ Buchenwald
interniert, widmete eine Vielzahl seiner Gedich¬
te den Heimat- und Obdachlosen, ohne deren
Leben zu romantisieren. Manches gemahnt an
Theodor Kramer, auch an Hugo Sonnenscheins
Vagabunden-Poesie. Interessant, was Ihrig über
Konrad Bayer ausführt, dem er mehrere Studien
gewidmet hat.
Barbara Kintaert: Die Odyssee von Os¬
wald Adler (1929 — 1945). Theaterstiick für
Miniatur. 2004 erschienen die Vorträge einer
Tagung über Hirschfeld in einem von Elke-Vera
Kotowski und Julius H. Schoeps herausgegebe¬
nen Sammelband. Marita Keilson-Lauritz hat
bereits dort und im Jahrbuch Zwischenwelt 12
(2011) Subjekt des Erinnerns über die Arbeiten
an der Edition des Gästebuchs berichtet.
EA.
Hans Bergemann, Ralf Dose, Marita Keilson¬
Lauritz unter Mitarbeit von Kevin Dubout (Ag.):
Magnus Hirschfelds Exil-Gästebuch. Berlin, Leip¬
zig: Hentrich&Hentrich 2019. 240 S. € 29,90
Schülerinnen und Schüler in drei Sprachen.
Wien: Prasens 2019, 219 S. € 19,90
Alles in drei Sprachen — Deutsch, Italienisch,
Polnisch, und mit vielen Faksimiles von Doku¬
menten. Näheres in ZW Nr. 3/2020!
Herbert Lackner: Als die Nacht sich senkte.
Europas Dichter und Denker zwischen den
Kriegen —- am Vorabend von Faschismus und
NS-Barbarei. Wien: Ueberreuter 2019. 224 S.
€ 22,95
Herbet Lackner, der langjährige Chefredakteur
des „profil“, hat in diesem gut lesbaren Buch die
Mentalitätsgeschichte der Zwischenkriegszeit in
großen Linien beschrieben und dafür vor allem
die Lebensläufe von Franz Werfel, Stefan Zweig,
Arthur Schnitzler, Joseph Roth, Robert Musil, Al¬
bert Einstein und Alma Mahler näher betrachtet.
Marjorie Perloff: Ironie am Abgrund. Die Mo¬
derne im Schatten des Habsburgerreiches: Karl
Kraus, Joseph Roth, Robert Musil, Elias Ca¬
netti, Paul Celan und Ludwig Wittgenstein.
Wien, Hamburg: Edition Konturen 2019. 192
S. € 29,90
Die Literaturwissenschafilerin Marjorie Perloff
wurde 1931 in Wien als Gabriele Mintz als Toch¬
ter des Rechtsanwalts Max Mintz und der Okono¬
min Ilse Schüller-Mintz geboren. Sie lehrte an der
Stanford University und der University ofSouthern
California. 2013 erschien ihre Autobiographie
„Wien: America. Paradoxien einer Emigration“.
Jeröme Segal: Wie ein roter Faden. Eine Fami¬
lie in den Katastrophen des 20. Jahrhunderts.
Aus dem Französischen von Susanne Petersen.
Wien, Hamburg: Edition Konturen 2019. 184
S. 2? 26,80
Schriftenreihe „Frauen und Exil“. Hg. von
Inge Hansen-Schaberg. München: edition
text+kritik.
Band 1: „Bretterwelten“. Frauen auf, vor und
hinter der Bühne. Hg. von Germaine Gocetzin¬
ger, Inge Hansen-Schaberg. München 2008.
247 S.