Ich halte es für einen Wahnsinn, wenn mir offiziell mitgeteilt wird,
das Parlament und die Regierung hätten keinerlei Mitspracherecht,
wer in der Hofburg was veranstaltet. Die Republik Österreich und
die Stadt Wien machen sich lächerlich vor der ganzen Welt. Sollen
sie tanzen wo sie wollen, aber in offiziellen Räumen der Republik
bitte nicht.
Sie war überall dort zu finden, wo mehr Demokratie eingefordert
wurde und demokratiefeindliche Tendenzen bekämpft wurden
wie etwa der Initiative „Rassismusfreie ZoneN“.
Als Zeitzeugin erinnerte sie SchülerInnen daran, wie DAMALS
alles begann, und Gegner der bürgerlichen Demokratie ganz de¬
mokratisch die Basis der Demokratie zerstörten, in Folge dessen
viele ihrer Verwandten in KZs ermordet wurden, und viel zu
wenigen die Flucht vor den Nationalsozialisten gelang.
Zu ihren Hauptanliegen der letzten Jahre zählte bei Gesprä¬
chen und Aufrufen immer wieder, dass nur eine „geeinte Linke“,
die inhaltliche Differenzen hintanstellt, der Rechtsentwicklung
wirksam entgegentreten kann.
Unvergesslich bleibt dem Autor dieser Zeilen ein Erlebnis wäh¬
rend einer Lesung von Dora im Rahmen der KriLit (Kritische
Literturtage). Während des Vortrags begannen plötzlich zwei junge
Leute zu weinen. Verwundert fragte ich sie, warum sie zu weinen
begonnen hätten. Das Mädchen antwortete: „Frau Schimanko
war an unserer Schule und berichtete aus ihrem Leben. Seither
gehen wir überall hin, wo sie liest oder erzählt. Und jedes Mal
würde ich mir wünschen, dass sie meine Großmutter wäre...“
Dora Schimanko verabschiedete sich für immer am Samstag,
24. Oktober 2020 im Maimonides-Zentrum in Wien.
Freispruch für Poldi Wojteks Signet
für die Salzburger Feststpiele
Es erreicht uns ein Brief aus Salzburg. „Lieber Konstantin Kaiser,
... danke für die Zusendung des neuen ZW-Heftes, das ich wie¬
derum großartig finde. Peter Roesslers Text über die Salzburger
Festspiele nach 1945 bietet für mich als Salzburger viel Neues
und Aufschlussreiches. Ich habe vor gut einem Jahr auf Grund
meiner Recherchen zu Poldi Wojtek und Helene von Taussig, die
in „ZW 36. Jg., Juli 2019) abgedruckt wurden, vorgeschlagen,
man möge das Logo anlässlich des 100-jährigen Bestandes der
Festspiele durch ein von einem zeitgenössischen Künstler gestaltetes
ersetzen. Daraufhabe ich wütende Proteste der Festspielpräsidentin
und in den Salzburger Medien erfahren. Spät, aber doch hat man
nun den Historiker Oliver Rathkolb beauftragt, diesbezüglich ein
Gutachten zu erstellen. Mal schen, was da rauskommt.“ Walter
Thaler, Zell am See, 27. Oktober 2020.)
Inzwischen wurde befunden, dass das 1928 entstandene Logo
nicht nazistisch sei, auch wenn seine Schöpferin sich dem Na¬
tionalsozialimus in widerwärtigster Weise angedienst hatte. Es
handle sich sozusagen um eine reine Gebrauchsgrafik,für deren
Gestaltung die Gesinnung der Künstlerin nicht von Belang war
und ist. (Immerhin bewegte sie sich auch 1928 schon im Dunstkeis
ihres späteren Mannes, des Ober-Nazis Kajetan Mühlmann, den
sie 1932 heiratete). Es wurde sogar erwähnt, dass der neusachliche
Stil des Logos durchaus von einer Modernität zeuge, die der NS¬
Ästhetik zuwider gewesen sei. Die Kenntnis Der problematischen
Seiten der Neuen Sachlichkeit, wie sie u.a. Siegfried Kracauer
Dora Schimankos Erinnerungen „So und nicht anders. Die Schiffs.
Eine Familie wird vorgestellt“ erschienen 2011 im Verlag der Theodor
Kramer Gesellschaft. (173 S., € 15,90). Eine charakteristische Passage,
gelesen von der Schauspielerin Tatjana Velimirov, kann zum Anhören/
Ansehen von der Homepage www.theodorkramer.at abgerufen werden.
und Jost Hermand aufzeigten, hat sich bis ins ferne Österreich
(Engels nannte es einmal ob seiner geistigen Abgeschlossenheit
das „China Europas“) nicht durchgesprochen. Man vergleiche
nur Plakatentwürfe Oskar Kokoschkas mit dem kalten Gegimpel
auf Goldgrund, in dem Wojtek den Umriss der Zwingburg des
erzbischöflichen Landesherren als für Salzburg identitätsstiftend
einzeichnet. Leider konnten die aufständischen Bauern 1525 die
Festung nicht einnehmen und niederbrennen. Vermutlich wurden
sie rechtzeitig vor „Geschichtsauslöschung“ gewarnt.- Nicht ver¬
stehen kann ich, dass man, so Oliver Rathkolb, vor „Geschichts¬
auslöschung“ warnt, die mit der Forderung, das Wojtek-Logo zu
ersetzen, verbunden sein könnte. Es geht mit der Forderung, das
Wojtek-Logo zu ersetzen, ja um Wiedergewinnung von blockierter
Geschichte, die gerade jener verlogenen Glätte abzugewinnen ist,
die sich als zeitlos gültig gebärdet und als solche auch von der
Festspielpräsidentin Rabl-Stadler apostrophiert wird.
Es ist auch die Beschwörung des Archaisch-Kultischen und
zugleich der Transzendenz in der schwarzen Maske Maske auf
Goldgrund zu beachten. Im Signet der Salzburger Festspiele re¬
produziert sich jene schwül-irrationalistische Atmosphäre zwischen
Geniekult und retrograder Religiosität, die schon Karl Kraus‘
„gütigen Himmelsvater“ veranlasste, die eigene Kirche nicht mehr
zu betreten. Dem Historiker aber obliegt es, nicht bloß Buchhalter
der Fakten zu sein, sondern Geschichten und Geschichte aus ihrer
Verleugnung zu befreien. — K.K.