ich suche die Kiesel
das Meer ist glatt
dort wo sie Kreise ziehen
will ich schwimmen
Auf¬
Wirbelwind aus dem Mund
Du, mein Herz!
In der Umarmung
Komm, lass uns gemeinsam ver-armen.
Hamed Abboud
Bewölkte Gesichter
Aus dem Arabischen von Larissa Bender
Mit etwas Glück kann dir das Fenster deines Zimmers die Ki¬
nobesuche ersetzen, die du verpasst hast, denn beides, Kino und
Fenster zeigen dir eine andere Welt: Was dort geschicht, versüßt
dir deine Einsamkeit und gibt dir das Gefühl, dass da jemand
ist, der dich sein Leben betrachten und von ihm lernen oder es
einfach nur genießen lässt. Die Art der Filme jedoch, die du vor
deinem Zimmerfenster schen kannst, hängt von deiner persönli¬
chen Reinlichkeit ab. Magst du etwa alte Filme, musst du bloß so
lange wie möglich die Scheiben nicht putzen und die Auswirkun¬
gen des Regens ignorieren, damit sich eine feine Staubschicht auf
die Fließspur eines jeden Tropfens legt. Das verleiht Menschen
und Ereignissen einen klassischen Anstrich, gleichsam als sei dort
draußen alles aus früheren Zeiten wieder auferstanden.
Bemerkenswert ist auch, dass einige Fenster es dir ermögli¬
chen, gleichzeitig zu schen und zu hören. So etwa die Fenster
meiner Kindheit. Hier aber, wo es meistens kalt ist, sind Fenster
größtenteils gut isoliert, sodass sie weder Kälte noch Geräusche
eindringen lassen. Genau wie die Fenster moderner Züge, die dir
während deiner Reise kurze Ausschnitte von Dokumentationen
über Städte und ihr Umland zeigen. Die Geräusche hingegen, die
draußen hinter der Scheibe erzeugt werden, musst du selbst erraten.
Das, was in deinem Blickfeld geschieht, wird durch Ereignisse
außerhalb deines Sehfelds beeinflusst, sodass du das Szenario da
draußen selbst erraten musst:
Vielleicht bellt der Hund vor dir einen Raben an, der deinem
Blick verborgen ist und auf dem Dach deines Hauses hockt.
Möglicherweise bellt er aber auch ein Flugzeug an, das über dir
Hliegt, ohne dass du sein Dröhnen hörst oder den Kondensstreifen
siehst, den es hinter sich herzieht.
Vielleicht belügen dich deine neuen Fenster manchmal auch
und erwecken den Eindruck einer ruhigen Wetterlage, doch so¬
bald du dein Kinofenster verlässt und aus dem Haus gehst, wo
du einen anderen Blick hast und wo Kälte und Geräusche nicht
durch eine Scheibe isoliert werden, überrascht dich ein Sturm,
der die Szene schon seit einiger Zeit beherrscht. Denn durch dein
Zimmerfenster hindurch siehst du keine Bäume, die stürmisches
Wetter durch die Bewegung ihrer Blätter und die Neigung der
Kronen anzeigen.
Wenn durchsichtige unschuldige Fenster zu einem solchen Be¬
trug fähig sind, dann stell dir vor, was dicke Holztüren ausrichten
Der Angriff
Zaunlos und ohne Garten
mit Schubkarren aus Papier
und Rechen aus Schokolade - im Spiel.
Die Maché-Krahe
Ein Eichkatzerlschweif aus Husch
Dein Spatzengesang
Im Blatterwald der Worte.
Lassen wir uns berieseln mit Zeisig-gelbem Holz
Nimm einen Zweig und schreib, mein Herz.
Komm, wir flattern sie aufl
und was sie hinter ihrem sperrigen Holz verbergen können. Türen
und Fenstern ist gemein, dass sie etwas vor uns geheim halten
oder offenbaren. Und wenn du sie eingehend betrachtest, wirst
du feststellen, dass Türen Fenster mit einem riesigen magischen
Auge sind.
Fenster und Türen schützen dich vor Kälte und vor Überraschun¬
gen, solange du sie geschlossen hältst. Allzu lange Zeit aber kannst
du sie nicht verschlossen halten, denn das Zimmer muss gelüftet
werden. Im Augenblick des Öffnens aber beschließt die Luft, je
nach Laune entweder hereinzukommen und ihre Ankunft mit
einem auffälligen Pfeifen oder Zischen anzukündigen oder sich
ganz still einzuschleichen, ohne dass dies irgendeinen Zweifel
oder Argwohn bei dir auslöst. Im Gegensatz zur Luft aber, deren
Böen hin und her wehen, stellt die Depression sich stets ohne
eine Vorwarnung ein, die es dir ermöglichen würde, dich vorzu¬
bereiten und sie den Regeln der Gastfreundschaft entsprechend
zu empfangen.
Eines Morgens erwachst du und sichst, dass dich deine De¬
pression, gegen die Zimmerwand gelehnt, mit halb geöffneten
Augen anschaut, ohne dir zu sagen, wo sie in letzter Zeit gewesen
ist. Wenige Worte nur, aber sie genügen, um die Atmosphäre im
Zimmer zu verändern. Du öffnest Fenster und Türen, um ein
anderes Klima zu bekommen, doch nur die Luft ist es, die sich
bewegt, die aus dem Zimmer hinaus und wieder hineinweht,
während die Depression sich nicht von der Stelle rührt. Sie lässt
sich auf dem Sofa nieder und breitet ihre Arme aus, lang wie die
braune Rückenlehne, und scheint darauf zu warten, dass du ihre
glänzenden Ringe küsst - sei es aus Gehorsam oder als Entschuld¬
igung dafür, ihr ihre Schulden zu spät zurückgezahlt zu haben. Sie
bedenkt dich mit strengen Blicken, als hättest du sie in der Zeit
ihrer Abwesenheit durch häufiges Lächeln verraten, ein Vergehen
aus deinem Alltag im Kino oder hinter deinem Kinofenster.
Kennt deine Depression die Depression des Eigentümers der
Wohnung, in der du zur Miete wohnst? Basierend auf einer mögli¬
chen Blutsverwandtschaft zwischen beiden hat deine Depression
das Privileg, nach eigenem Gutdünken aus dem Gebäude hinaus
oder hinein zu gehen und deine Wohnung zu betreten, um dich
nach einer gewissen Abwesenheit jedes Mal auf ein Neues zu
überraschen.
Du wäschst dir das Gesicht und versuchst sie zu ignorieren,
aber der Duft des Kaffees zieht bis zu dir ins Bad. Denn weil die