Säuberung derselben von den Nationalsozialisten
gehörten zu den vorrangigen Aufgaben ... Dabei
sollte die ÖFF nicht nur auf die Stadt Leoben
bzw. auf Eisenerz beschränkt bleiben; die Idee
der ÖFF als Bewegung von unten wurde auch in
die kleinsten Orte des Bezirks getragen.“ (S. 171)
Halbrainer nennt es „den kurzen Sommer der
Anarchie“, das Experiment eines demokratischen
Aufbaus von unten. Das Ende kam mit dem
Abzug der Sowjetarmee und der Übernahme
der Besatzung durch die britischen Truppen am
23. Juli 1945.
Für Filz ging es um den Erhalt des Standor¬
tes Donawitz. Im Jahr 1938 war — als innerés¬
terreichische Konkurrenz für Donawitz — die
Hüttenanlage in Linz errichtet worden. 1945
begann ein Wettlaufzwischen beiden Standorten.
„Gegen Donawitz sprach vor allem die alpine
Lage, gegen Linz sprachen die Zerstörungen
durch die Bombentreffer.“ (S.185)
Filz kämpfte mit Erfolg für die Wiederinstand¬
setzung des Hüttenwerks von Donawitz. Die
Rohstoffe Erz und Kohle befanden sich in der
Nähe; ein wichtiges Argument im viergeteilten
Land Österreich. Nach Kriegsende gab es wie¬
der Gewerkschaften und deren Vertrauensleute.
Gegen alle Schwierigkeiten - detailliert geschil¬
dert — wurde Filz 1946 als Betriebsratsobmann
bestätigt, er gehörte wichtigen Kommissionen
an, um den Wiederaufbau der Wirtschaft vor¬
anzutreiben. (S. 200-202)
Weltpolitisch und regionalpolitisch veränder¬
te der Kalte Krieg ab 1947/48 vieles. Anhand
der beiden Tageszeitungen „Neue Zeit“ (SPÖ)
und „Wahrheit“ (KPÖ) verfolgt Halbrainer diese
Entwicklung, in deren Mittelpunkt in Donawitz
Filz stand. Die Kommunisten wurden nun als
„feindliche Enklave“ angesehen. Die Auseinan¬
dersetzungen zwischen den beiden „Arbeiter¬
parteien“ fanden nicht nur schriftlich, sondern
auch „körperlich“ statt. Lohnforderungen,
Kundgebungen, Demonstrationen, Streiks —
1950 spricht Bundeskanzler Leopold Figl nach
der Niederschlagung der Streiks von „nacktem,
brutalem Terror“. (S. 237)
Ausführlich informieren Zeitungsausschnitte
und Dokumente über die Eskalation zwischen
den Parteien und über den erstarkenden Antikom¬
munismus. Filz und andere Betriebsräte wurden
im Zuge dessen verhaftet, wieder enthaftet; es ging
um Sabotageverdacht, um „Hochverratsverdacht“.
Halbrainer geht den Vorwürfen nach, berichtet
von Gerichtsprozessen und aufgehobenen Schuld¬
zuweisungen. Sepp Filz ist diskriminiert, wird im
März 1951 von der Alpine Montangesellschaft
endgültig entlassen. Er verließ nach einem Jahr
vergeblicher Arbeitssuche den Leobener Raum
und fand im sowjetisch besetzten Niederöster¬
reich, bei VOITH in St. Pölten, Arbeit und blieb
dort bis zu seiner Pensionierung 1967.
Bewegend ist der Brief, in dem er im Jahr
1978 die Annahme des „Ehrenzeichens für
“Schicksal ist, was andere über einen verhängen.”
“Leben verboten!” — so der Titel des Romans
der Schriftstellerin Maria Lazar (1895 — 1948),
der bislang nur in einer gekürzten englischen
Ausgabe (“No right to live”, 1934) veröffent¬
licht wurde, als sich die Autorin bereits im Exil
in Danemark befand. Versuche, den Roman in
ésterreichischen und Schweizer Verlagen unter¬
zubringen, waren erfolglos geblieben. Im Juni
1933 verließ sie Österreich mit ihrer Tochter
Judith und bezog mit Helene Weigel, Bert Brecht
und deren Kindern ein von der Freundin Karin
Michaélis vermitteltes Haus auf der Insel Thuro.
Wahrend der in Danemark verbrachten Jahre
bis zur Flucht nach Schweden 1939 ist Maria
Lazar schriftstellerisch sehr aktiv — u.a schreibt
sie Theaterstücke sowie den 1935 in Kopenha¬
gen fertiggestellten Roman “Die Eingeborenen
von Maria Blut”, den sie vergeblich mehreren
Verlagen anbot. 1937 erschien ein Kapitel in
der Exilzeitschrift “Das Wort”, 1958 durch den
Einsatz von Marias Schwester Auguste Lazar in
der DDR der gesamte Roman, 2015 wurde er
im jungen Wiener DVB Verlag (Das vergessene
Buch) neu aufgelegt. Im Fall von “Leben ver¬
boten!” dauerte es aber tatsachlich bis ins Jahr
2020, bis die deutsche Erstausgabe, die einem
Typoskript von 1932 folgt, ebenfalls im DVB
Verlag erstmals erscheinen konnte. Durch die
Forschungen des Wiener Germanisten Johann
Sonnleitner, der dem Roman ein äußerst in¬
formatives Nachwort folgen lässt, wird so ein
weiteres Werk Maria Lazars zugänglich gemacht
- einer Autorin, deren Romane und Theaterstücke
nach und nach ins kulturelle und literarische
Gedächtnis zurückgeholt werden. So gelangte
auch ihr Finakter “Der Henker” (1921) in der
letzten Burgtheater-Saison zur Aufführung.
Deutlich wurde hier einmal mehr die expressi¬
onistische Färbung der frühen Arbeiten Maria
Lazars (wie auch in ihrem Erstlingsroman “Die
Vergiftung” aus dem Jahr 1920), eine Abscheu
vor der bürgerlichen Welt mit ihren Konventi¬
onen und der Versuch, diese zu durchleuchten
und Dahinterliegendes frei zu legen. Dieser klare
Blick auf festgefahrene und scheinheilige Mo¬
ralvorstellungen und Rollenbilder paart sich in
den beiden Romanen der 1930er Jahre mit einer
hellsichtigen und politisch aufrüttelnden Analyse
einer Gesellschaft, in der (klerikal-Jfaschistische
und nazistische Tendenzen sowie Brutalität und
Verrohung immer spürbarer werden.
Maria Lazar gelingt dies mit einem präzisen
Blick und einem außerordentlichen Gespür für
Sprache. Jedes Wort ist notwendig, die Figuren
charakterisiert sie vornehmlich durch ihre Re¬
deweise und beweist dadurch ihr Können als
Literatin und Menschenbeobachterin. Euge¬
nie Schwarzwald schrieb über ihre ehemalige
Schülerin: “Sie erzählte faszinierend. Aber was
sie erzählte, war nicht geeignet, den Leuten zu
Verdienste um die Befreiung Österreichs“ ab¬
lehnte, aus Gewissensgründen. Er wolle nicht
geehrt werden, da ihm, dem Freiheitskämpfer,
bisher gegenteilige Behandlung zuteil geworden
sei, und er wolle nicht „nach dem SS-Offizier
Peter mit einem Orden der Republik Österreich,
gegen deren Wiederherstellung dieser gekämpft
hat, geehrt werden“. Wahrlich ein unbeugsamer
Mann mit Grundsätzen. „Die Ehrenmedaille der
jugoslawischen Regierung nahm Sepp Filz an.“
(Mitte der 1980er Jahre, S. 262) Damit endet die
ausführlich dokumentierte Lebensbeschreibung,
die der Autor nunmehr nicht nur den Steirern
zur Lektüre vorlegt.
„Eine kleine Nachgeschichte“ mit Fotografien
erzählt (S. 263 — 271) das private Leben, die
Heirat von Sepp Filz und Maria Hüttenbrenner
1951, die Familie, sein Engagement in der KPÖ
für die Verbesserung des Lebens der Arbeiter bis
in sein hohes Alter. Diese Menschen schufen
die Basis für unseren Wohlstand, unseren - in
früheren Zeiten — unvorstellbar hohen Lebens¬
standard; — Grund für Dankbarkeit.
Wie immer belegt der Autor mit Anmerkungen,
Quellen- und Literaturverzeichnis ausführlich
seine Recherchen (S. 273 - 323).
Hedwig Wingler
Heimo Halbrainer: „Sepp Filz. Walz Widerstand
Wiederaufbau“. Graz: CLIO 2021. 323 S.
gefallen. Mit tiefem Zeitgefühl begabt, war es ihr
nämlich unmöglich, an den Ereignissen des Tages
achtlos vorüberzugehen. So war ihre Stoffwahl
nicht genehm. [...] Nirgends hingehören, eigene
Gedanken haben, eine eigene Überzeugung, einen
knappen Stil, der zum Nachdenken zwingt - so
was hat keinen Marktwert.” (S. 342)
Die Handlung des Romans “Leben verboten!”
klingt zunächst abenteuerlich, wie Stoff eines
Kriminalromans. Der Berliner Bankier Ernst
von Ufermann soll zu einem Geschäftstermin zur
Rettung seiner Bank nach Frankfurt fliegen, am
Flughafen werden ihm jedoch seine Geldbörse,
seine Papiere und das Ticket gestohlen und er
versäumt den Flug. Unschlüssig streift er durch
Berlin und erfährt erst im Verlauf des Tages vom
Absturz des Flugzeugs und vom vermeintlichen
Tod dessen bekanntesten Passagiers, des Bankiers
Ernst von Ufermann, dessen Witwe nun aufgrund
seiner Lebensversicherung einen Millionenbetrag
erhält. Doch anstatt den Irrtum aufzuklären,
wandert Ufermann in der Stadt umher und gerät,
ohne dies bewusst anzustreben, an Gestalten der
Unterwelt, die ihn ausgestattet mit einer falschen
Identität und einem ominösen Päckchen mit dem
Zug nach Wien schicken. Dort angekommen
wird er von einer Gruppe junger Burschenschafter,
von der Autorin “Windjacken” genannt, empfan¬
gen, die fortan den bedrohlichen Hintergrund
der Erzählung bilden. Zu dieser bedrohlichen
Atmosphäre tragen zudem zahlreiche, geschickt