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Als Marie Tidl, meine Mutter, in den späten 1970er und frühen
1980er Jahren begann, die Geschichte dieses Widerstandes nie¬
derzuschreiben, führte sie für ihr Buch „Die Roten Studenten“
- erschienen im Europaverlag —- im November 1968 ein langes
Gespräch mit Joschi Friedler. Im Anhang ihres Buches beziehen
sich ganze 13 Seiten auf Joschi Friedler. Ein Beweis für seine
Bedeutung innerhalb dieser Gruppe.

Dr. Josef Friedler erzählte:

Mein eigener politischer Werdegang ist kurz erzählt. Ich habe
1932 zu studieren begonnen. Damals war ich Mitglied der Sozi¬
aldemokratischen Partei, der Sozialistischen Studenten und der
Akademischen Legion, in der die Leiter und Kommandanten für
den Schutzbund ausgebildet wurden.! Im Herbst 1933 schloss ich
mich de facto der Kommunistischen Partei an, genau genommen
der LRAO, der Linken Radikalen Arbeiter Organisation, auch
Fischer-Linke genannt. Ab Februar 1935 war ich Mitglied des
geeinten Roten Studentenverbandes, hatte aber keine besondere
Funktion, weil ich gleichzeitig in der KPÖ arbeitete. November
1936 wurde ich verhaftet und war bis März 1937 in Wöllersdorf
inhaftiert. Dort sind wir politisch sehr gut geschult worden. Wir
hatten das illegale Material oft früher drinnen als die Genossen
draußen. Jeden Tag war Schulung, dabei ging es schr streng zu.
Nach meiner Entlassung ist die Partei an mich herangetreten,
die Verbindung zwischen den kommunistischen Studenten und
der Partei zu übernehmen. Vorher hatte Otto Langbein diese
Funktion inne, aber er war krank und konnte sie nicht mehr
weiter ausfüllen. Die Verbindung von den Kommunistischen
Studenten zum Kommunistischen Jugendverband lief über Josef
„Sepp“ Lauscher.

Der Geeinte Rote Studentenverband ist am 10. Februar 1935
gegründet worden. Ich war sogar bei der Gründungszusammen¬
kunft dabei. Ich weiß das deshalb so genau, weil am 9. Februar
unser traditioneller Ärzteball stattfand. Der wurde von der Ver¬
einigung der Wiener Mediziner organisiert, eine kaum getarnte
sozialdemokratische Organisation. Am Tag nach dem Ball, am
10. Februar, traf sich die kommunistische Studentengruppe in
irgendeiner Wohnung, wo weiß ich nicht mehr, ich weiß auch
nicht mehr, was gesprochen wurde, ich weiß nur, dass ich die
ganze Zeit mit dem Schlaf gekämpft habe. Die Nacht davor
hatten wir bis zum Morgen „durchgedraht“. Ernst Hoch hatte
dieses Treffen einberufen. Daran erinnere ich mich noch.

Ich war von Seiten der Partei der politisch Verantwortliche für den
ganzen Studentenverband. Siegfried „Sigi“ Köhl war der Obmann

für alle Hochschulen und Ridi Hofmann für die Philosophische
Fakultät. Für die Juristen war Ernst Bauer verantwortlich. In den
war ich direkt verliebt. Mit dem reißen wir der Welt einen Haxen
aus, davon war ich überzeugt. So ein klasser Bursch war das.
Wir hatten eine kollektive Leitung, Bei unseren Zusammenkünf¬
ten analysierten wir die jeweilige Situation an der Universität und
besprachen einige Aktionen. In einer Vorlesung zur englischen
Sprache wurde ein altes Grammophon verwendet. Durch einen
zeitverzögernden Auslöser gelang es, während der Vorlesung
plötzlich die Internationale abzuspielen. In einem anderen Saal
wurde vor die Projektionswand ganz oben eine Rote Fahne mit
Hammer und Sichel gehängt. Nach 1934 wollten wir damit
demonstrieren: Wir sind da! Und immer wieder schrien wir:
„Wir fordern akademische Freiheit!“. Das war unsere Losung.
In der Schuschnigg-Zeit gab es die unterschiedlichsten Verbindun¬
gen an der Universität. Wir suchten Kontakte zu allen möglichen
Gruppen: zu den katholischen Studenten, zu der „Austria“ zu
allen, die proösterreichisch waren.

Im Nachhinein wurde uns klar, wir haben damals einen großen
Fehler gemacht. Wir hielten uns für nicht stark genug, selbst etwas
machen könnten und warteten, dass eine andere Gruppe eine In¬
itiative ergreift, und wenn es politisch passte, wollten wir mittun.
Eine breite Einheitsfront gegen Hitler gründen, das war unser
Ziel und das rasch. Die Bedeutung einer Einheitsfront wurde
uns sehr spät bewusst.

Die Hochschülerschaft Österreichs? war absolut gegen Hitler, hatte
aber keine dementsprechende ideologische Basis, nach all dem
Herumgerede Schuschniggs über den zweiten deutschen Staat.
Das war eine ausgesprochene Katharsis, als wir dann mit der Lo¬
sung gekommen sind „Wir sind eine Nation!“ — das Ergebnis von
Alfred Klahrs Arbeiten, haben die katholischen Kollegen gesagt:
„Es ist uns ganz Wurst, was ihr schreibt, wir unterschreiben euch
alles, Hauptsache, wir gehen gemeinsam los.“

Die nationale Frage und die unterschiedlichen Meinungen dazu
brachten der Partei noch Probleme. Dazu eine für diese Zeit typi¬
sche Episode. Als ich, von Wöllersdorf entlassen, nach Hause kam,
begegnete mir der Lustmann: „Hast schon das Neueste gehört?
Mir san a eigene Nation, aber des is noch nicht ausdiskutiert!“
Tatsächlich wurde damals heftig über zwei Punkte diskutiert: Ers¬
tens: Die Stellung der Kommunisten im Spanischen Bürgerkrieg,
zweitens: Die Stellung der Kommunisten zur Österreichischen
Nation. Dieselben, die den Kommunisten in Spanien eine kapi¬
tulationalistische Haltung vorwarfen, nannten das Bekenntnis
zur Österreichischen Nation reaktionär. Sie bildeten eine Frak¬
tion, an deren Spitze Christian Broda - sein I-Name war Janda
- stand. Sie gaben gegen die Zeitschrift von Alfred Klahr „Weg
und Ziel“ ein eigenes Blatt heraus: „Ziel und Weg“. Janda war
ein schr gescheiter Bursche, der es verstand, Menschen in seinen
Bann zu ziehen. Zum Beispiel hat er auf Edi Rabovsky großen
Eindruck gemacht, sodass Rabovsky einige Zeit zwischen beiden
prinzipiellen Meinungen schwankte.

Es muss 1937 gewesen sein. Einige unserer Studenten haben sich
zu einem Kammermusikabend getroffen. Eingeladen hatte ein
Gewisser Ungar oder Unger, genau weiß ich den Namen nicht
mehr und auch den Vornamen nicht. Er hieß nicht nur so, er war
Ungar und ging später zurück nach Budapest, wo er als Tuberkulo¬
se-Arzt arbeitet. Sein I-Name war Blitz.’ Auch ein „Wantoch“ war

da. Ich dachte es wäre der Bruder von der Schriftstellerin Susanne
Wantoch. Vielleicht war es aber doch ihr Ehemann, der Arzt Arno

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